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Bundestag für schärfere Kontrollen von Bordellen

Die Frauen seien alle gern und freiwillig hier, sagt der Geschäftsführer des Kölner Großbordells Pascha. Doch seit dem hoch umstrittenen rot-grünen Gesetz von 2002 zur Legalisierung von Prostitution kommt es immer öfter zu massenhafter Zwangsprostitution und Menschenhandel. Nun will der Bundestag auf Druck der EU-Kommission strengere Kontrollen beschließen.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    "Wenn sich einer daneben benimmt, dann bitten wir ihn einfach, das Haus zu verlassen."

    Es geht ums Geschäft, also wählt Armin Lobscheid selbst dann höfliche Worte, wenn er von übergriffigen oder unverschämten Freiern spricht. Das ist auch so ein Wort, das der Geschäftsführer des Kölner Großbordells Pascha nicht mag. Beim Rundgang durch das Hochhaus – in dem es laut ist, wie in einer Disco, bezeichnet Lobscheid die Männer lieber als Gäste. Und die Frauen – sind alle gern und freiwillig hier, versichert der Chef:

    "Eine Frau, die hier ein Zimmer mietet, die steht auf, wann sie möchte, die geht ins Bett, wann sie möchte, die arbeitet so lange, wie sie möchte. Und die nimmt an Gästen mit, wen sie möchte. Und da gibt’s keinen Zwang, zu sagen, sie müsste irgendeinen Gast jetzt mitnehmen, oder sie müsste irgendein Programm anbieten. Ich denke einfach mal, der Markt entscheidet das für sich."

    Die Kölner Polizei bestätigt diese Angaben im Wesentlichen, verweist aber zugleich auf das Dilemma, ein Gewerbe zu kontrollieren, das seit dem hoch umstrittenen rot-grünen Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2002 legal ist. Auf Druck der EU soll der Bundestag heute unter anderem zumindest schärfere Kontrollen gegen sogenannte Prostitutionsstätten beschließen. Pascha-Betreiber Armin Lobscheid sagt, er begrüße das. Der 57-Jährige spaziert jetzt über den Flur auf der elften Etage.

    "So, das ist jetzt eines dieser Arbeitszimmer."

    Ein gut 30 Quadratmeter großer plüschiger Raum, mit Dusche gleich nebenan, und mit rot bezogener Matratze auf einem Podest. Besonders geeignet für Männer, die gleich gruppenweise kommen. Oder für Prominente, die sich hier auf der elften Etage unbeobachtet fühlen. Armin Lobscheid schwärmt von der Aussicht draußen vor dem Fenster: Er führt einen Puff mit Blick auf den Kölner Dom. Der Geruch im "Arbeitszimmer" ist unangenehm:

    "Das ist so’n bischen plüschig und puffig und ein bisschen verräuchert, das zieht natürlich, wenn jeden Abend so ne Bude vollqequalmt wird, rein. Das wird mit den nächsten Renovierungsaktionen dann besser werden, wenn das Rauchen eingestellt ist."

    Im Gentleman’s Club gegenüber sitzt Maria im Schummerlicht mit einem Herrn an der Bar. Tatjana hat gerade nichts zu tun. Vor ein paar Jahren kam die 38-Jährige aus Polen nach Köln. Im Pascha arbeitet sie, weil es ihr Spaß mache, sagt sie.

    "Ich denke, dieser Job ist momentan in Deutschland so: Keiner muss ihn machen. Ich mache immer, was ich will!"

    "Aus meiner Erfahrung gibt es nicht die viel gelobte freiwillige Prostitution. Aus meiner Sicht ist neunzig Prozent jeglicher Prostitution erzwungene Prostitution."

    Edda Schneider-Ratz. Seit 15 Jahren vertritt die Kölner Anwältin Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution oder Menschenhandel geworden sind. Der Großteil ihrer Mandantinnen stammt aus dem Ausland:

    "Das ist die Ukraine, das ist natürlich im Moment sehr stark auch Bulgarien. Also mir sind zwei Fälle bekannt, wo in Osteuropa im Grunde eine Agentur existierte, eine Art Model-, eine Art Au Pair-Agentur, und wo Frauen dann ganz gezielt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierhin gelockt worden sind. Und als sie hier waren, mussten sie erst mal hohe, angebliche Vermittlungskosten abarbeiten. Und das wird, glaube ich, in Osteuropa immer noch sehr gewinnbringend praktiziert."

    Parteien, Frauenorganisationen und Behörden streiten seit Jahren über den Zusammenhang zwischen EU-Erweiterung, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Dass der Bundestag heute zu später Stunde strengere Gewerbekontrollen beschließen will, geschieht im Wesentlichen nur auf Druck der EU-Kommission. Edda Schneider-Ratz reicht das nicht:

    "Ich erwarte keinen Erdrutsch durch diese Reform. Ich glaube, die Krux liegt eigentlich bei der Legalisierung der Prostitution in Deutschland, und alles, was jetzt noch an Reformen kommt, das ist für mich so ein bisschen Make up, aber dieses Grundübel, das dadurch entsteht, dass die Prostitution legalisiert worden ist, werden wir dadurch nicht beseitigen können."

    Abrupt springt Anwältin Schneider-Ratz vom Schreibtisch in ihrem rustikalen holzvertäfelten Büro auf – Jenny und Andrea sind da, mitsamt ihrer beiden Chihuahuawelpen. Die Frauen, gerade mal 21 und 23 Jahre alt, wurden von ihren Zuhältern jahrelang zur Prostitution gezwungen. Unter falschem Namen und mit verfremdeter Stimme ist Andrea bereit zu erzählen. Wie sie sich zunächst verliebte und dann von ihrem Freund unter Druck gesetzt wurde:

    "Er hat mich in einen Saunaclub gefahren. Ich wurde eingearbeitet von einer Frau, und mein Kopf war auch noch gesund, sage ich mal, aber irgendwann kam ich auf dieser Arbeit nicht mehr klar."

    10 bis 15 Freier musste Andrea pro Tag bedienen, zehn Tage am Stück, dann drei Tage Pause. In zweieinhalb Jahren verdiente sie 230.000 Euro und musste jeden Cent an ihren Zuhälter abgeben.

    "Ich hab mir das alles schön geredet, dass das alles nicht so schlimm ist. Erst als ich dann gemerkt habe, dass ich das psychisch nicht aushalte, als er anfing, Gewalt gegen mich auszuüben, wurde mir bewusst, wo ich wirklich reingeraten bin."

    Ihre Herkunft, ihr Aussehen, ihr neuer Aufenthaltsort – all das muss geheim bleiben, denn Andrea hat ihren Zuhälter, unterstützt von ihrer Anwältin, angezeigt. Das Verfahren soll nach der Sommerpause beginnen. Doch selbst wenn der Absprung gelingt, das Milieu bleibt an den Frauen immer ein wenig kleben, so hat Edda Schneider-Ratz beobachtet:

    "Eine Rückkehr in ein bürgerliches Leben, eine normale Familie, ein normaler Freundeskreis, eine Ausbildung, ein Job – ist aus meiner Sicht äußerst schwierig. Dieses Milieu lässt die Frauen nie wirklich los."

    Es ist früher Nachmittag, als ein Freier beim Portier des Pascha-Bordells erst Geld wechselt und dann Richtung Fahrstuhl huscht. Ein Schild weist den Weg: "Zu den Girls" steht darauf, darunter in Klammern "Auf Sieben Etagen". Hier im Foyer endet der Rundgang mit Geschäftsführer Armin Lobscheid. Auch er beobachtet, dass immer mehr Frauen aus Osteuropa in seinem Haus anschaffen. Ob das unter Zwang geschieht, könne er nicht kontrollieren – so räumt Lobscheid am Ende ein:

    "Dass es da ist, brauchen wir nicht drüber reden. Ich habe keinen Einfluss auf das, was von irgendwo draußen in Anführungsstrichen versucht wird, der Frau zu suggerieren. Die Männer unserer Frauen haben keinen Zutritt. Ich habe aber keine Möglichkeit, ihren Mann, Freund, - das ist ja teilweise auch Familie und und und, das kann ich nicht beeinflussen."