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Streit über Armenien-Resolution geht weiter

Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz (SPD), hat die geplante Bundestagsresolution zu Armenien kritisiert, in der das Massaker vor hundert Jahren als Völkermord bezeichnet wird. Das wiederum bringt Grünen-Chef Cem Özdemir auf. Türkische Organisation sollen Bundestagsabgeordnete seit Tagen unter Druck setzen.

    Eine Gruppe armenischer Flüchtlinge aus dem osmanischen Reich sitzt im Jahr 1915 in Syrien auf dem Boden.
    Eine Gruppe armenischer Flüchtlinge aus dem Osmanischen Reich im Jahr 1915 in Syrien (picture-alliance / dpa / Library of congress)
    Der Armenien-Antrag unterstütze die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien, "indem er unter anderem den Mut der türkischen Zivilgesellschaft ausdrücklich betont", sagte Özdemir der "Süddeutschen Zeitung". Mit Blick auf Özoguz fügte er hinzu: "Weniger Mut sollten frei gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, die im Gegensatz zu den Menschen in der Türkei nicht um ihre Sicherheit und ihren Beruf fürchten müssen, nicht haben."
    Özoguz hatte der ARD gesagt, sie halte die geplante Resolution des Bundestages "für den falschen Weg". Durch die Abstimmung werde "das eigentliche Ziel der Aufarbeitung erneut in weite Ferne gerückt". Özdemir sagte dazu, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wolle eine solche Aufarbeitung ohnehin verhindern. Özoguz führte aus, es handele sich bei der Resolution um eine Instrumentalisierung des Themas, was sie ärgere.
    Verweise auf 30.000 Deutsche in Antalya
    Özdemir ist einer der Initiatoren des Antrags, in dem das Massaker an den Armeniern in der Türkei vor hundert Jahren als Völkermord bezeichnet wird. Die SPD-Fraktionsführung hatte den gemeinsamen Antrag mit ausgearbeitet und hält einen Völkermord an den Armeniern für erwiesen. Am Donnerstag sollen die Abgeordneten darüber befinden. Özoguz kündigte an, trotzdem für die Resolution zu stimmen
    Zahlreiche türkische Organisationen warnen derweil laut tagesschau.de in Briefen an Parlamentarier nachdrücklich vor einer Anerkennung des Massakers als Völkermord. In einem vorformulieren Schreiben, das Türken in Deutschland an Abgeordnete weiterleiten sollten, wird demnach erklärt, dass der Beschluss "Gift für das friedvolle Zusammenleben zwischen Deutschen und Türken hierzulande, aber auch in der Türkei" wäre. "Über 90 Prozent der türkischen Bevölkerung lehnt zu Recht den Völkermordvorwurf ab und wertet ihn als Verleumdung", stehe in der Vorlage. Verwiesen werde auf mehr als 30.000 Deutsche in der Region Antalya.
    Unionsfraktionsvize rechnet nicht mit Überreaktionen in Ankara
    Unionsfraktions-Vize Franz Josef Jung (CDU) rechnet laut der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hingegen nicht mit gravierenden Folgen. Bereits vor einem Jahr hätten Bundespräsident und Bundestagspräsident die Verbrechen als Völkermord bezeichnet und die Türkei habe nicht überreagiert. "Es geht uns nicht darum, dass die türkische Regierung eine Schuld am Völkermord eingesteht, sondern dass sie sich zu ihrer historischen Verantwortung bekennt."
    Bei der Vertreibung der Armenier aus Anatolien in den Jahren 1915 bis 1917 waren bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen. Armenien und viele internationale Historiker stufen die damaligen Verbrechen als Völkermord ein, was die Türkei strikt ablehnt. Ankara hatte in den vergangenen Jahren mit scharfer Kritik und diplomatischen Schritten auf die Anerkennung des Völkermordes im Ausland reagiert.