AKW-Streit im Bundestag
Untersuchungsausschuss beleuchtet Atomausstieg

Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl hat ein Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Er soll klären, ob ein Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke 2022 ergebnisoffen geprüft wurde. Die Union nimmt damit die Grünen ins Visier.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Gespräch mit Steffi Lemke.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) werden wohl 2025 vom Ausschuss als Zeugen befragt. (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
    Sollten die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke trotz Ausstiegsbeschluss länger in Betrieb bleiben, um die Stromversorgung angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine zu sichern? Über diese Frage wurde 2022 politisch gestritten. Es ging dabei um die Versorgungssicherheit in Zeiten des Krieges.
    Die Ampelkoalition fand zunächst keine gemeinsame Haltung. Am Ende entschied Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zugunsten eines sogenannten Streckbetriebs. Damit verschob sich der deutsche Atomausstieg vom 31. Dezember 2022 auf den 15. April 2023. Der Grundsatzbeschluss für den Zeitplan des Atomausstiegs war bereits nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 gefallen – politisch verantwortet von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
    Nun beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss im Bundestag mit den genauen Umständen der Zeitplan-Änderung beim Atomausstieg durch die Ampel. Und vieles spricht dafür, dass der Atomstreit auch ein Thema im Bundestagswahlkampf sein wird.

    Inhalt

    Warum gibt es den Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg?

    Die CDU/CSU im Bundestag hatte den U-Ausschuss auf den Weg gebracht. Auch die AfD stimmte für die Einsetzung. Untersuchungsausschüsse gelten als das „schärfste Schwert der Opposition“. Um sie einzusetzen, muss mindestens ein Viertel aller Mitglieder des Bundestags zustimmen.
    Im Kern geht es nun um die Frage: Wurde im Prozess der Entscheidung der Ampel-Regierung politisch mit offenen Karten gespielt? Wurde ergebnisoffen geprüft oder wurden Sachargumente verzerrt?
    "Die uns vorliegenden Informationen drängen die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik entschieden hat", hieß es in einem Schreiben von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zur Begründung des Ausschusses.

    Worum geht es konkret im Untersuchungsausschuss?

    Viele Grünen-Politiker hatten sich lange gegen jede Form der Laufzeitverlängerung gewehrt. Schließlich aber unterstützten die Kritiker das von ihrem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und den AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegte Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei letzten Meiler. Die FDP hatte sich für eine über April 2023 hinausgehende Laufzeit eingesetzt. Im Oktober 2022 sprach Kanzler Scholz dann sein Machtwort, das zum Weiterbetrieb aller drei Meiler bis spätestens zum Frühjahr 2023 führte.
    Im Unionsantrag zur Einberufung des Untersuchungsausschusses heißt es, Habeck habe am 27. Februar 2022 eine ergebnisoffene Prüfung zu einem möglichen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke zugesagt. Am 1. März desselben Jahres habe er eine Prüfung angekündigt, bei der es „keine Tabus“ geben werde. Nur kurze Zeit später, am 7. März 2022, hätten dann Habecks und Lemkes Ministerien einen gemeinsamen „Prüfvermerk“ veröffentlicht und darin einen Weiterbetrieb abgelehnt, unter anderem aus Sicherheitsgründen.
    Der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz sagte im Dlf, der Verdacht der Täuschung stehe im Raum. Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatten die Vorwürfe mehrfach von sich gewiesen. Ihr Haus habe „von Anfang an alle Fragen des Parlamentes und der Öffentlichkeit transparent beantwortet“, so Lemke. Die Fakten lägen auf dem Tisch.
    Habeck hatte bereits nach einer Anhörung im April versichert: „Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität, und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet.“

    Wie hat der Atom-Ausschuss im Bundestag seine Arbeit begonnen?

    Nachdem sich der Ausschuss im Juli konstituiert hatte, begannen am 10. Oktober die Zeugenbefragungen. Zunächst wurden unter anderem drei Referenten des Bundesumweltministeriums angehört. Schon die erste Sitzung ging bis tief in die Nacht. Dabei gab es keine großen neuen Erkenntnisse. Die Fragen aller Fraktionen waren teils enorm kleinteilig. Wenn es mit dieser Kleinteiligkeit weiter geht, dann dürften die Abgeordneten ein echtes Zeitproblem bekommen.
    Schon jetzt stehen 300 Personen auf der Zeugenliste – meist benannt von der Union. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Jakob Blankenburg, kritisierte, dass viele der benannten Zeugen „keinen erkennbaren Bezug zum Untersuchungsgegenstand“ hätten: „Es wirkt ein wenig wie Fischen im Trüben.“ Der SPD-Abgeordnete erklärte, üblich seien eher 50 Zeugen. Er vermutete, die Union wolle den Ausschuss als Wahlkampfmanöver nutzen.

    Wann wird Bundeswirtschaftsminister Habeck befragt?

    Zentrale Personen wie Minister Habeck stehen noch gar nicht auf der Zeugenliste. Um die vielen Befragungen vorzufiltern, wurde auf Antrag der Union die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten beschlossen. Dieser habe die Möglichkeit, „noch mal Informationen zu sammeln, mit den Zeugen zu sprechen“, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Stefan Heck (CDU). Wer die Aufgabe übernehmen wird, ist noch unklar. Er gehe nicht davon aus, so Heck, dass 300 Zeugen auch persönlich vor dem Ausschuss erscheinen werden.
    Ziel ist offenbar, den Abschlussbericht des Ausschusses noch vor der Sommerpause 2025 vorzulegen. Das ist höchst ambitioniert, denn in der Regel dauert das Verfassen eines solchen Berichts mehrere Monate. Dazu kommt, dass im April und Mai 2025 eine Sitzungspause von fast vier Wochen im Sitzungskalender steht. Danach, im Mai oder Juni, wird mit der Befragung der politisch obersten Ebene gerechnet: also Minister Habeck und Ministerin Lemke. Dies dürfte dann in den Bundestagswahlkampf hineinspielen.

    Welche Rolle spielt der Wahlkampf?

    Für Union und AfD geht es nicht nur um die Entscheidung von 2022, sondern auch noch einmal grundsätzlich um die Frage, ob Atomstrom vielleicht doch wieder in Deutschland produziert werden sollte.
    Der Ausschuss ist politisch sehr aufgeladen. Die Union spricht intern vom „Untersuchungsausschuss Habeck-Akten“. CDU und CSU geht es offenbar auch darum, Robert Habeck politisch etwas anzuhängen beziehungsweise in der öffentlichen Debatte den Namen des Ministers mit einem potenziellen Fehlverhalten zu verknüpfen. Habeck dürfte Kanzlerkandidat der Grünen werden.

    tei