Götz Frömming hat seine Jacke zugeknöpft und den Fellkragen hochgezogen. Er sitzt vor einem der Cafés in Prenzlauer Berg, wo die Leute normalerweise lange frühstücken. Äußerlich passt Frömming gut dazu. Junges Gesicht für einen Endvierziger, die Haare etwas verwuschelt. Aber Frömming ist nicht zum Vergnügen hier. Der gebürtige Schleswig-Holsteiner ist am 24. September über die Berliner Landesliste zum Bundestagsabgeordneten der AfD gewählt worden. So lange er noch kein Abgeordnetenbüro hat, muss er anderswo arbeiten.
"Ja, notgedrungen praktisch überall, Handy, Laptop, und dann arbeiten wir da, wo wir gerade sind. Das ist der Küchentisch, das ist das Café, das ist das Büro zu Hause."
Frömming hat bis zu den Sommerferien an einem Berliner Gymnasium Geschichte, Politik und Deutsch unterrichtet. Nun zieht er mit nach derzeitigem Stand 91 anderen AfD-Abgeordneten in den Bundestag ein. Und nun bemerken manche in der Partei, in der Parlamente gern einmal als "Quasselbude" abgetan werden, dass die Arbeit dort es in sich haben kann. Nur einer von ihnen hat zuvor einmal im Plenarsaal des Bundestags gesessen. Und versierte Mitarbeiter hat die neue Fraktion auch noch nicht.
"Wir sind ja im Gegensatz zu den anderen Parteien nicht in der komfortablen Lage, einen großen Mitarbeiterstab zu haben, der sich irgendwie auskennen würde mit den ganzen Abläufen. Das heißt, wir müssen uns alles neu zusammensuchen."
Gesucht: Erfahrung im Bundestag
Und es könnte schwierig werden, alle Stellen zügig zu besetzen. Jeder Abgeordnete hat mindestens drei Mitarbeiter für seine Büros im Bundestag und im Wahlkreis, Verwaltungskräfte ebenso wie wissenschaftliche Mitarbeiter. Dazu kommen gut 200 Fachleute für die Fraktion – Geschäftsführer, Juristen, Referenten oder IT-Experten. Erfahrungen im Bundestag selbst kämen der AfD besonders zupass.
"Wir sind Neulinge im Parlament, wir müssen uns Erfahrung einkaufen, hätte ich fast gesagt, also einstellen sozusagen."
Aber auch hier heißt es: gewusst wie. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, versucht es direkt. Der bisherige Hamburger Fraktionschef hat kurzerhand ein Gesuch im Intranet des Bundestags veröffentlicht – dort, wo andere überflüssiges Büromaterial verscherbeln. Baumanns Anzeige steht zwischen Angeboten für Tritthocker und Kaffeemaschinen.
Jobwechsel innerhalb des Bundestags sind durchaus üblich. Gerade wenn Abgeordnete nach einer Wahl den Bundestag verlassen, kommen ihre Mitarbeiter oft in anderen Büros unter – in derselben oder auch bei einer anderen Fraktion. Aber bei der AfD dürfte das schwierig sein.
Die Fraktion berichtet zwar, dass sie "viele" Anfragen bekommen habe. Aber wer in den Bundestagsbüros scheidender Abgeordneter nachfragt, findet niemanden, der sich dazu bekennt, die Seiten wechseln zu wollen. Auch der Berliner AfD-Abgeordnete Götz Frömming ist skeptisch:
"Also dass jemand den direkten Wechsel macht, kann mitunter vielleicht auch schwierig sein. Da muss man dann mal gucken, wie der Spagat hinzukriegen ist. Also wenn man noch bis vor ein paar Wochen fest hinter einem CDU- oder Grünen- oder Linken-Abgeordneten stand, dann muss man schon sehr gut erklären, warum man jetzt genauso gut für einen AfD-Abgeordneten arbeiten können wird."
Die Chemie muss stimmen
Vor allem bei persönlichen Referenten müsse die politische Chemie stimmen. Frömming sagt, dass er früher im Umweltschutz aktiv war, linken und grünen Ideen nahestand. Unter dem Eindruck der Euro-Krise wurde er Gründungsmitglied der AfD. Er kann es also nachempfinden, wie jemand politisch an den rechten Rand rückt. Unter den Bewerbungen, die er erhalten habe, seien auch ehemaliger Mitarbeiter von CDU und FDP gewesen, berichtet Frömming.
"Ich persönlich bin überrascht über die Vielzahl der Spontanbewerbungen, die ich bekommen habe, auch von sehr guten Leuten, die zum Teil Bundestags- und Parlamentserfahrungen mitbringen und Mitarbeiter von Politikern anderer Parteien waren. Und da sind wir natürlich offen und froh, wenn jemand zu uns kommt, der Erfahrungen mitbringt, die wir noch nicht haben."
Mitarbeiter und Parlamentarier anderer Parteien befürchten, dass mit den AfD-Abgeordneten auch rechtsextreme Aktivisten Zugang zum Bundestag bekommen könnten. Die Bundestagsverwaltung verweist darauf, dass die Arbeitsverhältnisse zwischen Abgeordneten und ihren Mitarbeitern privatrechtlich seien. Somit werde nur die Qualifikation der Kandidaten geprüft.
Landtage als Rekrutierungsfeld
Wichtiges Rekrutierungsfeld für die AfD im Bundestag sind auch die 13 Landtagsfraktionen der Partei. Die Bundestagsfraktion lernt von den Ländern – und zieht Leute von dort.
"Natürlich werden einige sich weiterentwickeln und vielleicht aus einer Tätigkeit für die Fraktion in irgendeinem Land oder Landesparlament jetzt zum Bund wechseln, das ist ganz klar. Das wird zum Teil auch für die Länder zu einem Problem werden, weil die dann ja auch wieder neue Leute suchen müssen."
Frömming hat bislang nicht im Berliner Abgeordnetenhaus gewildert. Er wolle ohnehin zunächst abwarten, bis klar ist, in welchen Ausschüssen er im Bundestag sitzt.
Einstellen wird Frömming erst einmal eine Büroleiterin. Mit mehr Leuten würde es auch eng, denn wegen des Platzmangels im Bundestag müssen sich zunächst zwei AfD-Abgeordnete ein Büro teilen. Immerhin wird Götz Frömming bald nicht mehr in Cafés arbeiten. Am heutigen Donnerstag hat die Fraktion ihre künftigen Büros besichtigt. Die liegen zur Freude der Fraktion nicht, wie zunächst diskutiert, einige Kilometer entfernt vom Reichstagsgebäude, sondern immerhin: im Regierungsviertel.