Lammert sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, diese Duelle stellten inzwischen "eine beinahe unangefochtene Tradition" dar. Sie seien eine "besonders willkommene, ich glaube auch wichtige unmittelbare Konfrontation der beiden wichtigsten Bewerber um das wichtigste politische Amt dieses Landes". Deswegen finde er es plausibel, nicht sämtliche Spitzenkandidaten in einer Runde zu versammeln, erklärte Lammert.
Das Duell wird von ARD, ZDF, SAT.1 und RTL durchgeführt und übertragen. Die Sender hatten zunächst vorgehabt, zwei Duelle auszustrahlen - eins im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und eins im privaten. Bundeskanzlerin Merkel hatte es jedoch abgelehnt, an zwei Sendungen teilzunehmen und ihre Zusage infrage gestellt.
Laut ZDF-Chefredakteur Peter Frey gab es Überlegungen, das Duell dann gar nicht auszustrahlen. Er sagte im Dlf, man hätte dem Publikum aber etwas vorenthalten, wenn man auf die Sendung verzichtet hätte.
Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hatte das Vorgehen des Merkel-Teams als "Erpressung" bezeichnet. Er sagte im Deutschlandfunk, seit Merkel an Formaten dieser Art teilnehme, gebe es nur noch ein Duell. 2002 waren der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) noch zweimal gegeneinander angetreten.
Vorteil der zwei Sendungen wäre gewesen, dass man tiefergehender hätte diskutieren können, hatte ARD-Chefredakteur Rainald Becker dem Deutschlandfunk gesagt.
So sieht es auch Frey: In den Verhandlungen mit den Parteien habe man auch vorgeschlagen, die Sendung in zwei Blöcke aufzuteilen, um intensiver mit Merkel und Schulz ins Gespräch zu kommen. Doch auch mit dieser Forderung sei man gescheitert. Nun hätten die Sender zugestimmt, um überhaupt ein direktes, öffentliches Aufeinandertreffen zu ermöglichen. "Wir haben ernsthaft überlegt, nein zu sagen". In der Abwägung sei man aber zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Absage schädlicher gewesen wäre. "Das Duell ist ein wichtiges Element für den Wahlkampf". Frey glaubt, dass es ein aufschlussreiches Duell werden könne. Die Moderatoren wollten Raum für einen Schlagabtausch zwischen Merkel und Schulz ermöglichen.
Der Politikberater und ehemalige SPD-Wahlkampfmanager Frank Stauss sagte im Deutschlandfunk, die Sendung sei eigentlich kein Duell. Er empfahl Schulz und Merkel, in dem "engen Korsett" der Sendung für sich selbst zu werben, statt den anderen anzugreifen. Er glaube, dass die Anspannung vor der Sendung bei Schulz höher sein werde, da es das erste TV-Duell für den SPD-Kandidaten sei. Aber auch Merkel habe viel zu verlieren.
Nach Ansicht des Publizisten Lutz Hachmeister wird Merkel als Siegerin aus dem Duell hervorgehen. Schulz habe keine Chance, sagte Hachmeister im Deutschlandfunk. Er könne gar nicht punkten, Merkel werde ihn auflaufen lassen, wenn er zu stark angreife. Das liege auch an der Rahmensetzung dieses Duells, auf die das Kanzleramt starken Einfluss genommen habe, betonte Hachmeister. Wenn Schulz Manns genug gewesen wäre, hätte er sagen müssen, unter diesen Bedingungen trete er nicht an. Das könne er sich aber nicht leisten, weil er das TV-Duell selbst als seine letzte Chance im Wahlkampf definiert habe. Die Wähler hätten mitbekommen, dass das Kanzleramt auf die Bedingungen des Aufeinandertreffens eingewirkt habe. Das führe dazu, dass das TV-Duell nicht mehr ernst genommen werde.
Der Deutschlandfunk überträgt das TV-Duell am Sonntag ab 20.05 Uhr. Interessierte können die Sendung auf Großbildleinwand im Bundespresseamt live verfolgen. Dafür können Sie sich unter veranstaltungen@deutschlandfunk.de anmelden. Im Anschluss diskutiert und analysiert Deutschlandradio-Chefkorrespondent Stephan Detjen mit den Journalisten Nils Minkmar (Der Spiegel), Özlem Topcu (Die Zeit), Miriam Hollstein (Bild) und Lutz Hachmeister (Institut für Medien- und Kommunikationspolitik) das Duell.
Einer Forsa-Umfrage zufolge wollen am Sonntag 48 Prozent der Wahlberechtigten einschalten. "Es werden mehr als zehn Millionen Menschen zuschauen", sagte Michael Kuhnert, Geschäftsführer von Infratest Dimap, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Allensbach-Institut schätzt die Zahl der unentschiedenen Wähler in diesem Jahr so hoch wie nie ein. Laut Forsa könnten sich hochgerechnet 6,8 Millionen Wähler von dem TV-Duell beeinflussen lassen. Die Erstwähler im Alter zwischen 18 und 20 Jahren gaben zu 50 Prozent an, ihre Wahlentscheidung noch nicht endgültig getroffen zu haben.
Andere Meinungsforscher halten den Einfluss des Duells dagegen eher für gering. Hermann Binkert, Geschäftsführer des Instituts Insa, sagte gegenüber Reuters, der Anteil der Wähler, die sich entschieden hätten, sei mittlerweile auf 60 Prozent angestiegen. "Die Diskussion ist weniger entscheidend als allgemein angenommen wird." Wenn in dem Duell nichts Dramatisches passiere, werde es höchstens einen Kurzzeiteffekt haben. Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner sagte im Deutschlandfunk, Schulz könne als Herausforderer im Duell durchaus noch drei Punkte für die SPD holen - dass er Merkel noch einhole, halte er aber für ausgeschlossen.
Generell gilt die Daumenregel, dass Amtsinhaber weniger Interesse an Formaten wie dem TV-Duell haben, weil sie glauben, damit ihre Konkurrenten aufzuwerten. Laut ARD-Deutschlandtrend erwarten 63 Prozent der Befragten, dass Merkel in der Sendung besser abschneiden werden, nur 17 Prozent erwarten das von Schulz.
(cvo/kis)