Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet gilt im Grundsatz als treuer Merkel-Mann und als Vertreter der Mitte der CDU. Der 60-Jährige ist aktuell Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und bringt viel exekutive Erfahrung mit. Beobachter beschreiben ihn als jemanden, der Brücken in verschiedene Lager bauen und durchaus unterschiedliche Facetten bedienen kann.
Abgrenzung zur AfD und Werteunion
Nachdem Laschet im Februar 2020 seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz bekannt gegeben hatte, erklärte er, dem Auseinanderdriften in der Gesellschaft Einhalt gebieten zu wollen. Aggressionen müssten abgebaut und der Zusammenhalt gestärkt werden.
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In Ostdeutschland wolle Laschet mit klarer Abgrenzung gegen rechts punkten. "Wer mit der AfD kooperiert, koaliert, irgendwie zusammenarbeitet, wird auf den Widerstand des CDU-Parteivorsitzenden treffen", hatte Laschet im Juni 2021 kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Deutschlandfunk betont. Auch zur Werteunion betont Laschet die Abgrenzung. Sollte der Chef der Werteunion, Max Otte, gewisse Linien überschreiten, könne er nicht in der Partei bleiben. Laschet sagte im Interview mit dem Deutschlandfunk auch wiederholt, dass die Werteunion mit der CDU überhaupt nichts zu tun habe, sie sei keine Parteiorganisation.
Der frühere hessische Justizminister Christian Wagner, eine der profiliertesten Stimmen im konservativen Lager der CDU,
widersprach Laschet im Deutschlandfunk dazu deutlich.
Die rund 4.000 Mitglieder der Werteunion seien fast alle auch Mitglieder der Union. Laschet könne nicht sagen, er wolle die Union zusammenführen und dann tausende Mitglieder ignorieren.
Angesichts der schwachen Umfragewerte stellte sich die stark konservative Werteunion nach dem offiziellen Wahlkampfauftakt der Union am 21. August 2021 hinter den Kanzlerkandidaten Laschet. Werteunion-Vorsitzender Max Otte warnte vor einer erneuten Personaldebatte. "Armin Laschet ist angetreten, und er wird das Ergebnis - gut oder schlecht - zu verantworten haben", sagte Otte der Deutschen-Presse-Agentur.
Ein Machtwort gegenüber dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen hat Armin Laschet aber bisher vermieden. Maaßen, der als CDU-Bundestagskandidat antritt, hatte Journalisten des NDR in die Nähe von Linksextremisten gerückt und einen Untersuchungsausschuss gefordert. Zudem verlangte er, die charakterliche Eignung von Tagesschau-Redakteuren auf den Prüfstand zu stellen. Im Gespräch mit der Frauenzeitschrift "Brigitte" sagte Laschet, gerade in einer Zeit wie dieser, in der es viele Falschnachrichten zur Pandemie gebe, sei ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk wichtig. Dies sei die Position der gesamten CDU. Er habe aber nicht vor, Bemerkungen Maaßens jedes Mal durch eine eigene Positionierung aufzuwerten.
Klimapolitik
Laschet hat für sich in Anspruch genommen, für Klimaschutz zu stehen. Er tue das "tagtäglich!", antwortete er auf eine entsprechende Frage in der ARD, und verwies auf das von ihm regierte Nordrhein-Westfalen. Umweltverbände und die dortige Opposition sehen NRW allerdings kaum als Positivbeispiel in Sachen Klimaschutz. Mit einer Leitentscheidung zum Braunkohleabbau hat die Landesregierung zwar Tagebaue verkleinert, Erweiterungen für den Tagebau Garzweiler II aber möglich gemacht. Wenn es um den Kohleausstieg geht, argumentiert Laschet stets auch mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen: "Das jetzt weiter zu führen in die 20er Jahre hinein und trotzdem die soziale Frage, die Frage der Arbeitsplätze auch im Blick zu haben, das ist die Aufgabe, die die Union hat."
Grundsätzlich spricht sich Laschet für eine Klimapolitik aus, die "sozial und gerecht" sein soll. Seine Partei hat sich zu einer Verschärfung der Emissionsziele bis 2030 und darüber hinaus bekannt. Treibhausgasneutralität solle in Deutschland "vor Mitte des Jahrhunderts" erreicht werden, sagte Laschet nach Beratungen zum Klimaschutzgesetz. Laschet hat sich darüber hinaus für höhere CO2-Preise in den Bereichen Wärme und Verkehr ausgesprochen. Für die nächste Legislaturperiode sind im Gegenzug Entlastungen durch eine Abschaffung der EEG-Umlage und die Senkung der Stromsteuer geplant.
Von den Forderungen von Grünen und SPD, Kurzstreckenflüge abzuschaffen und Urlaubsbilligflüge zu verteuern, hält Laschet allerdings nicht viel. Diese Vorstöße seien populistisch und "ohne jede klimapolitische Wirkung".
Sicherheitspolitik
Wie auch die Kandidaten von SPD und Grünen, bekennt sich Laschet zu einer stärkeren Rolle Europas in der Sicherheitspolitik. Unterschiede gibt es aber bei der Zwei-Prozent-Quote der Nato für die Verteidigungsausgaben. Laschet äußerte im TV-Triell im Rahmen des WDR-Europaforums ein klares Bekenntnis zu der Quote. Er schloss allerdings aus, dass diese schon im nächsten Jahr erreicht werde. "Wir sollten uns aber schrittweise immer weiter diesem Ziel annähern", so Laschet. Er fordert außerdem eine stärkere Übernahme von militärischen Lasten durch die Bundeswehr. "In Afrika und rund um das Mittelmeer muss Deutschland mehr tun. Die sicherheitspolitischen Aufgaben werden nicht weniger", sagte der Kanzlerkandidat der "Bild am Sonntag".
Scharfe Kante zeige Laschet auch beim Thema innere Sicherheit,
so die Analyse von Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen:
Hier arbeite er gegen den Vorbehalt an, er sei als Mann der Mitte und Unterstützer von Merkels Flüchtlingspolitik "zu weich". Sollte er Bundeskanzler werden, will Laschet der inneren Sicherheit absolute Priorität einräumen, wie er zu Beginn des Jahres im Gespräch mit der "Bild am Sonntag" erklärte. Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Europol müsse verbessert werden. "Europol muss zu einer Art europäischem FBI werden, um grenzüberschreitende Clan-Kriminalität, Cybercrime, Extremismus und fundamentalistischen Terrorismus zu bekämpfen." Zudem müsse Kindesmissbrauch besser bekämpft werden, so Laschet weiter.
Anfang des Jahres 2021 sprach alles für eine erneute Kanzlerschaft der CDU. Die Union lag in Umfragen bei 35 Prozent. Seitdem sind die Umfragewerte von CDU und CSU im Sinkflug, im August 2021 überholte die SPD die Union.
Auch laut ARD-"Deutschlandtrend" vom 2. September liegt die SPD mit 25 Prozent deutlich vor der Union. Solche Umfragen sind allerdings nur ein Zwischenstand und Rückschlüsse auf den Wahlausgang lassen sich daraus nur bedingt ziehen. Auch weil viele Wähler sich erst kurz vor der Wahl festlegen und weil die Parteien ihre Kampagnen in der entscheidenden Schlussphase inzwischen verstärkt auf die Unentschlossenen und taktischen Wähler ausrichten.
Dass Laschets Sympathiewerte so stark absgesackt sind, hat sicherlich auch mit seinem Verhalten bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 zu tun. Während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Ort über die verheerenden Folgen sprach, lachte Laschet im Hintergrund sichtlich gut gelaunt. Fotos und Videos der Szene sorgten für längere Diskussionen um Laschets Eignung als Kanzler.
Auch wenn die Union in der Bundestagswahl nicht als stärkste Kraft hervorgehen sollte, hätte Laschet immer noch Chanchen Kanzler zu werden: in einer Jamaika-Koalition. Die FDP bevorzugt die Union gegenüber der SPD als Koalitionspartner. Auch die Grünen tendieren eher zu einer Koalition mit CDU und FDP als zu einer Ampel-Koalition mit SPD und FDP.
Armin Laschet präsentierte am 3. September angesichts des wachsenden innerparteilichen Drucks ein achtköpfiges Team, das ihn in den letzten Wochen des Wahlkampfs unterstützen soll. Laschet sagte bei der Präsentation im Konrad-Adenauer-Haus, dass es für ihn immer wichtig gewesen sei, dass die CDU als Team sichtbar werde. Sein Wahlkampfteam spiegele die Vielfalt des Landes und der Partei wider, erklärte Laschet und sprach mit Blick auf die Bundestagswahl von einer "Richtungsentscheidung". Er habe acht Expertinnen und Experten berufen, die neue Ideen für die Zukunft hätten. Gemeinsam wolle man dafür kämpfen, "dass es am 26. September nicht zu einem linken Bündnis in Deutschland kommt". Zudem hieß es, Laschet habe bewusst darauf verzichtet, Politiker zu präsentieren, die bereits als Bundesminister amtieren.
Unter dem Namen "Zukunftsteam" benannte Laschet vier Frauen und vier Männer:
- Als Wirtschaftsexperte der frühere Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz, das war schon zuvor bekannt.
- Bereich Klimapolitik soll Unionsfraktions-Vize Andreas Jung abdecken.
- Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) steht für Digitalisierung und Innovation.
- Für den Bereich Bildung ist schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) ins Team gerufen worden.
- Sächsische Kultusministerin Barbara Klepsch (CDU) steht für "gleichwertige Lebensverhältnisse".
- Stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher übernimmt den Bereich Familie.
- Überraschender Neuzugang: Terrorismusexperte Peter R. Neumann vom King’s College in London.
- Bisher auch keine politische Karriere und für den Kulturbereich berufen: den Musikmanager Joe Chialo.
Nach Einschätzung des Dlf-Hauptstadtkorrespondenten Stephan Detjen will die CDU mit diesem Team
in der entscheidenden Schlussphase des Wahlkampfes
zeigen, dass sie mehr zu bieten hat als ihren Kanzlerkandidaten. Noch zu Beginn des Wahlkampfes hieß es, dass Laschet ohne die konkrete Benennung eines Spitzenteams auskomme. Abgesehen von Friedrich Merz erfolgte die Aufstellung kurzfristig.
In Laschets Corona-Kurs wurde deutlich, dass er auch verstärkt die Abgrenzung zu Kanzlerin Merkel gesucht hat, als dessen Getreuer er eigentlich immer galt. Laschet hatte sich im Frühjahr 2021 vielfach als Befürworter von Öffnungsschritten hervorgetan. Die auf der Ministerpräsidenten-Konferenz vom 23. März beschlossene Notbremse bei einer Inzidenz von 100 setzte er nicht konsequent um. In NRW ermöglichte er Lockerungen unter Zuhilfenahme von Schnelltests. Damit stellte er sich auch gegen den strengeren Ansatz der Bundeskanzlerin, die das Agieren ihres Parteikollegen in einem Interview bei Anne Will scharf kritisierte.
Eine Kehrtwende in der Corona-Politik vollzog Laschet am Ostermontag, dem 5. April, mit der Forderung nach einem sogenannten Brücken-Lockdown: Plädierte er zuvor eher für Lockerungen, forderte er nun harte Kontaktreduzierungen, bis sich die Impfungen auf das Infektionsgeschehen auswirkten. Damit erlebe man "den schillernden Armin Laschet, der nicht so richtig einzuschätzen ist", beschreibt Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen das Verhalten.
Masken-Deal mit Van Laack
Mitten in der ersten Welle der Pandemie, im April 2020, hatte Nordrhein-Westfalen bei der Mode-Firma Van Laack Schutzausrüstung im Umfang von 38,5 Millionen Euro ohne Mehrwertsteuer geordert – eine Ausschreibung hatte es dazu nicht gegeben. Das Land bezahlte 1,30 Euro pro Stoffmaske. Das Geschäft hatte Kritik geweckt, nachdem bekannt wurde, dass der Kontakt zu Van Laack über den Sohn von Ministerpräsident Laschet zustande gekommen war. Johannes Laschet ist Mode-Blogger und seit Jahren mit van Laack im Geschäft.
Armin Laschet wies Kritik an dem Geschäft zurück. Zu Beginn der Pandemie habe es kaum Schutzkleidung und Masken gegeben. Die Landesregierung hatte den Auftrag mit einer Notlage und einem Runderlass begründet, der Aufträge ohne Ausschreibung sowie Verhandlungen mit nur einem Unternehmen erlaube.
Im November 2020 bestellte die Landesregierung erneut bei Van Laack, dieses Mal zum Preis von 49 Cent pro Maske – wieder ohne Ausschreibung. Nachdem das Innenministerium festgestellt hatte, dass die Vergabe nicht ordnungsgemäß war, wurde die Ausschreibung nachgeholt: Van Laack bekam den Zuschlag.
Quellen: Stephan Detjen, Katharina Hamberger, Ann-Kathrin Büüsker, Reuters, dpa, afp, kho, pto