"Mehr denn je gilt bei uns: Das Team ist der Star", sagte Parteichef Christian Lindner den Delegierten am Freitag und stimmte sie damit auf die inhaltliche Debatte und den Wahlkampf ein: Die FDP will keine One-Man-Show mehr sein, sondern sich breit präsentieren – personell und inhaltlich. Lindner spielte mit den Kameras – dass der Parteitag ohne Publikum stattfand: Für ihn offensichtlich kein Problem.
Für den inhaltlichen Austausch wurde das digitale Format aber zur Hürde. Das Tagungspräsidium hatte mit rund 540 Änderungsanträgen enorm zu tun. Häufig funktionierten Zuschaltungen nicht. Austausch wurde so schwierig, teilweise mangelte es Delegierten im Abstimmungssystem an Übersicht.
Das führte dazu, dass am Samstag eine Entkriminalisierung des Drogenbesitzes beschlossen wurde, die dann von der Parteiführung wieder eingeholt wurde. Am Sonntag mussten Abstimmungen wiederholt werden, weil Rednerinnen technisch nicht zum Zuge kamen. Sehr zum Unmut von Jens Teutrine, dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen:
"Ich möchte dem Präsidium keinen Vorwurf machen, wir machen das erste Mal einen digitalen Parteitag, das ist sehr schwierig und ich habe großen Respekt davor, aber ich finde es vom Verfahren unsäglich, dass wir immer wieder dann Themen aufmachen müssen und es dann eine längere Debatte dazu gibt."
Klarer Regierungsanspruch
Doch trotz technischer Schwierigkeiten – die FDP strotzt vor Selbstbewusstsein, will regieren. "Wir wollen so stark werden, dass es ohne uns keine seriöse Regierungsbildung geben kann", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki.
Volker Wissing, als Generalsekretär wieder gewählt, bekräftigte, dass mit der FDP keine Steuererhöhungen zu machen sind und nutzte zur Veranschaulichung das Bild, "dass es ein dauerhaftes Miteinander von Bauer und Kuh nur geben kann, wenn der Bauer melkt, anstatt zu schlachten."
Wissing ergänzte, in Abgrenzung zu politischen Mitbewerbern: "Und weil wir auch in Zukunft einen handlungsfähigen Staat wollen, lehnen wir eine Aufweichung der Schuldenbremse ab."
Keine neuen Schulden, keine neuen Steuern, stattdessen Steuererleichterungen. Die FDP hofft zwar, durch Entlastungen für die Wirtschaft Kapital mobilisieren zu können – darüber hinaus fehlt es aber an Finanzierungsaussagen für all den Modernisierungsbedarf, den die Partei benennt. Mit Blick auf die Gesellschaft betont Generalsekretär Wissing: "Jeder muss die Chance haben, sein Glück zu finden, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht, der Religion."
Liberaler Feminismus, CO2-Preis, Aktienrente, Bürgerrechte
Progressive Elemente wie Partnerschutz in Ergänzung zum Mutterschutz haben ihren Eingang in das Programm gefunden, ebenso wie das Bekenntnis zu liberalem Feminismus.
In Sachen Klimaschutz setzt die Partei auf den CO2-Preis, will Akzeptanz über eine Klimadividende schaffen, mit der die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung teilweise an die Bürgerinnen und Bürger zurückgezahlt werden sollen. Sozialpolitisch enthält das Programm Akzente wie eine Aktienrente. Das Konzept dafür hat Johannes Vogel mit entwickelt. Er ist FDP-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen, sowie rentenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und wurde neu in die Riege der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Vogel will Sozialpolitik zu einem Schwerpunktthema des FDP-Wahlkampfes machen.
Die Freien Demokraten sehen sich auch durch ihren Kurs in der Coronapandemie gestärkt, hier hatten sie immer wieder die Wahrung von Freiheitsrechten betont, was öffentlich allerdings nicht nur Zuspruch fand.
Kubicki verteidigte den Corona-Kurs der FDP selbstbewusst: "Wenn die Verteidiger der Freiheit und des Rechtsstaates mit Populisten verglichen werden, dann sollte uns das nicht irritieren. Es sollte uns zu noch mehr anspornen – für die Freiheit und den Rechtsstaat zu streiten, wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein."
Der Parteivorsitzende Lindner schob allerdings auch mahnend hinterher: "Empfiehlt sich dieses Selbstbewusstsein zu verbinden, mit Demut und Bescheidenheit angesichts der Aufgaben."