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Bundestagswahl 2021
Friedrich Merz (CDU): Steuern senken, sobald es möglich ist

Steuerentlastungen sind wegen der Ausgaben für die Corona-Maßnahmen bei der Union aktuell kein Thema. Perspektivisch müsse man allerdings insbesondere Steuern für Unternehmen senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben, betonte Friedrich Merz, Experte für Wirtschafts- und Finanzpolitik im CDU-Wahlkampfteam, im Dlf.

Friedrich Merz im Gespräch mit Friedbert Meurer |
Friedrich Merz (CDU), ehemaliger Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag.
Friedrich Merz (CDU), ehemaliger Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag (picture alliance/dpa/Jonas Güttler)
Steuern senken oder nicht? Welchen Kurs will die Union bei der Steuerpolitik einschlagen? Kanzlerkandidat Armin Laschet sagte im ARD-Sommerinterview, die Steuern zu erhöhen sei in der aktuellen Situation falsch: "Wir müssen wieder zu wirtschaftlichem Wachstum zurückkommen." Anders als behauptet werde es aber auch keine Steuersenkungen geben. "Keine Steuererleichterung im Moment - dazu haben wir nicht das Geld", so der Kanzlerkandidat der Union. Allerdings solle der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Dies sei ein Verfassungsgebot.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz schloss sich im Dlf Laschets Meinung an. Der Experte für Wirtschafts- und Finanzpolitik sagte, zurzeit gebe es wegen der hohen Ausgaben für die Corona-Pandemie keine Spielräume für Steuererleichterungen.
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Perspektivisch müsse man aber insbesondere für die Familiengesellschaften in Deutschland die Steuern senken. Deutschland sei Weltspitze bei der Steuerbelastung und Weltspitze bei der Wettbewerbsfähigkeit. "Das passt auf Dauer nicht zusammen", mahnt Merz.

"Wir sind in der Steuerbelastung Weltspitze"

Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages sei überfällig, sagte Merz: "Dieser Zuschlag ist zweckgebunden gewesen. Dieser Zweck ist erfüllt und deswegen hätte man diesen Zuschlag ganz abschaffen müssen und nicht nur teilweise!" Das würde dann vor allem auch die Personengesellschaften entlasten, die nach der Einkommenssteuer belastet werden. Nur so könne Deutschland wettbewerbsfähig bleiben.
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Untere und mittlere Einkommen würden zudem bisher noch zu sehr durch ständig steigende Steuerbelastung mit Lohnzuwächsen im Progressionstarif belastet – auch das wolle man anpassen: "Die privaten Haushalte wachsen ja in eine immer höhere Steuerbelastung hinein", so Merz. "Von Lohnerhöhungen bleibt kaum noch etwas übrig, weil Sozialabgaben und Steuern einen großen Teil – selbst in den unteren Einkommen – auffressen."

Das Interview im Wortlaut:
Friedbert Meurer: Also, diese Verwirrung, Steuersenkung ja oder nein, der Kanzlerkandidat sagt nein, im Wahlprogramm lese ich da ein paar andere Passagen. Was gilt denn jetzt?
Friedrich Merz: Es gilt beides, und beides stimmt auch vollkommen miteinander überein. Wir haben im Wahlprogramm gesagt, dass wir zurzeit keine Spielräume haben für Steuersenkungen, dass wir aber perspektivisch die Steuern, insbesondere für die Familiengesellschaften in Deutschland, senken müssen. Da steht ein Satz drin, und der ist der entscheidende Satz, der lautet: Weltspitze bei der Steuerbelastung und Weltspitze bei der Wettbewerbsfähigkeit, das passt auf Dauer nicht zusammen. Und das ist der entscheidende Satz.

"Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist überfällig"

Meurer: Es gibt aber auch noch einen anderen Satz: Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen – 10 Prozent bezahlen ihn ja noch – und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten. Das ist doch eine Ankündigung im Wahlprogramm, die Steuern zu senken, Herr Merz.
Merz: Das ist richtig, und, Herr Meurer, das steht beides unter Finanzierungsvorbehalt. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist überfällig, das war das Versprechen aller Bundesregierungen seit 1990, seitdem es den Solidaritätszuschlag gibt. Die SPD hat sich von dieser Zusage leider verabschiedet, die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag hätten das Ende 2019 bereits beschließen müssen, als der Solidaritätspakt II ausgelaufen war. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Einigung in der Koalition, weil die SPD für die höheren Einkommen den Solidaritätszuschlag erhalten wollte, obwohl es längst die Aufgabe erfüllt hatte, nämlich die Kosten der Wiederherstellung der deutschen Einheit zu finanzieren. So, das ist Fakt.

Solidaritätszuschlag: "Der Zweck ist erfüllt"

Meurer: Die SPD argumentiert anders, wie Sie gerade sagen, und es geht um elf Milliarden Euro immerhin, die die 10 Prozent bezahlen.
Merz: Es geht genau um diese elf Milliarden, es geht um die oberen 10 Prozent der Solidaritätszuschlagzahler – das ist ein Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Dieser Zuschlag ist zweckgebunden gewesen, der Zweck ist erfüllt, und deswegen hätte man diesen Zuschlag ganz abschaffen müssen und nicht nur teilweise.
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Meurer: Sie haben ja auch mitbekommen, Herr Merz, letzte Woche, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim sagt, das Programm ist unsozial – das Steuerprogramm der Union–, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagt sogar, sie wollen 50 Milliarden an Steuern entlasten. Wenn wir jetzt diese elf Milliarden nehmen, das sind jetzt nicht die 50, aber die elf Milliarden kämen doch zugunsten der, ich sag mal, Besserverdienenden.
Merz: Sie würden vor allem die Personengesellschaften in Deutschland entlasten. Drei Viertel der Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften, und wir haben in Deutschland schon seit vielen Jahren ein wirklich erhebliches Problem, das im Augenblick durch Corona und die relativ gute Konjunktur überdeckt wird. Wir sind in der Steuerbelastung Weltspitze, und das betrifft eben im deutschen Steuerrecht nicht nur die Kapitalgesellschaften, sondern das betrifft vor allem die Personengesellschaften, die nach der Einkommensteuer belastet werden und nicht nach der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Insofern haben wir hier ein spezifisch deutsches Problem, das müssen wir lösen, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Es geht hier nicht um die Entlastung privater Haushalte, sondern es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der Personengesellschaften, und das sind die vielen Hunderttausend Familienunternehmen in Deutschland.

"Von Lohnerhöhungen bleibt kaum noch etwas übrig"

Meurer: Reden wir mal über andere Steuerpläne: Wo können Sie sich denn Entlastungen vorstellen langfristig?
Merz: Na ja, wir haben ja – Sie haben es eben selber zitiert, Herr Meurer – mit aufgenommen in die Vorschläge unseres Wahlprogramms, die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten, vor allem durch die ständig steigende Steuerbelastung mit den Lohnzuwächsen im Progressionstarif. Die Menschen, die privaten Haushalte in Deutschland wachsen ja in eine immer höhere Steuerbelastung hinein, von Lohnerhöhungen bleibt kaum noch etwas übrig, weil eben Sozialabgaben und Steuern einen großen Teil selbst in den unteren Einkommen auffressen. Und das muss korrigiert werden. Das war im Übrigen ja auch eine Zusage der gegenwärtigen, noch im Amt befindlichen Koalition, die sie nicht eingelöst hat, und das will die Union jetzt nachholen. Das ist auch eine Frage der steuerpolitischen Gerechtigkeit für die unteren und mittleren Einkommen.
Meurer: Ist das steuerpolitisch gerecht? Die unteren Einkommen bezahlen ja nicht den Spitzensteuersatz, da würden nur die mittleren und höheren Einkommen davon profitieren, wenn man den Spitzensteuersatz sozusagen ein bisschen nach oben schiebt und ihn erst später zur Anwendung bringt.
Merz: Das würde eben genau die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Das würde den Facharbeiter entlasten, und um die geht es. Es geht darum, dass nicht immer mehr private Haushalte in diese Progression hineinwachsen durch Lohnerhöhungen, auch wenn sie noch so moderat ausfallen. Die Steuerlast der privaten Haushalte auch unten und in der Mitte wird eben immer größer, und das muss irgendwann mal korrigiert werden. Deswegen schlagen wir ja auch die Anpassung dieses Tarifs, und zwar regelmäßig vor, sodass diese sogenannte kalte Progression, wie wir sie schon seit Jahrzehnten in Deutschland nennen, einmal beseitigt wird und sich die Menschen darauf verlassen können, dass sie mit Lohnerhöhungen nicht immer höhere Steuern bezahlen müssen.

Ab 2023: "Erhebliche Probleme in der Wettbewerbsfähigkeit"

Meurer: Hätten die Wählerinnen und Wähler nicht einen Anspruch darauf, in ihrem Wahlprogramm ein bisschen das Ganze deutlicher zu lesen, nicht so vage und unter Finanzvorbehalt gestellt, sondern wirklich auch Zahlen zu lesen, damit man weiß, was kommt, wenn die Union die Wahl gewinnen sollte.
Merz: Wir haben auf 139 Seiten ziemlich ausführlich und ziemlich präzise beschrieben, was wir in vielen politischen Fragen wollen, eigentlich allen – dazu zählt die Wirtschafts- und Finanzpolitik, dazu zählt die Steuerpolitik, sehr explizit, sehr ausführlich. Tabellen wird man erst veröffentlichen können, wenn man nach einem Kassensturz im Herbst weiß, wie groß die Spielräume sind, und das kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand wissen, weil die Corona-Pandemie noch nicht vorbei ist, weil wir noch nicht wissen, wie sich die Konjunktur und die Wirtschaft in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir ein sehr, sehr gutes Jahr 2022 haben werden, ich gehe aber auch davon aus, dass dies ein mehr kurzfristiger Effekt sein wird. Wir werden ab 2023 erhebliche Probleme in der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft haben, und darauf muss die Steuerpolitik dann reagieren. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so absehbar, dass man das Ganze mit Zahlen und Tabellen auch unterlegen kann.

"Wir wollen senken, sobald es möglich ist"

Meurer: Herr Merz, räumen Sie ein, dass das auch einen taktischen Vorteil hat? Da kann der Kanzlerkandidat im Interview sagen, wir senken nicht die Steuern – Klammer auf, wir sind die sozial ungerechten, muss uns jemand was vorrechnen – auf der anderen Seite aber vage Andeutungen, wir senken doch die Steuern, und dann kann sich jeder heraussuchen, was man da lesen will.
Merz: Nein, Herr Meurer, so vage sind die Andeutungen nicht. Noch mal: Ich hab Ihnen ja eine Passage vorgelesen, eine andere könnte ich ergänzen auch zum Steuertarif. Einfach zu vermeiden, dass die Steuerbelastung durch Lohnerhöhungen immer größer wird, ist doch eine sehr klare Aussage. Und die zweite Aussage lautet: Wir wollen senken, sobald es möglich ist, aber das ist im Augenblick eben aufgrund der hohen Belastung, insbesondere des Bundeshaushaltes, durch die Corona-Maßnahmen nicht möglich. Und es ist einfach seriös, das Ganze unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen, anders kann man das nicht machen. Jedes andere Versprechen wäre unseriös, und der Obersatz der Finanzpolitik der Union lautet, wir wollen zu seriösen und soliden Staatsfinanzen zurückkehren – und das ist die beste Sozialpolitik.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.