Nachdem die FDP 2017 die Jamaika-Koalitionsverhandlungen mit der Union und den Grünen platzen ließ, formulieren die Liberalen nun ein Parteiprogramm mit dem Anspruch, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die Absage an eine Regierungsbeteiligung scheint gerade bei Älteren nachzuklingen und hat den Liberalen zuletzt durchwachsene Landtagswahlergebnisse beschert.
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Die FDP traf Festlegungen in der Coronapandemie: klare Öffnungsstrategien, wiederholte Kritik an Einschränkungen der Grundrechte zur Bekämpfung der Coronapandemie. Damit konnte sich die Partei mit einem markanten Kurs profilieren und verteidigt diesen auch gegen Kritik.
Der Schutz von Grundrechten durchzieht auch das Wahlprogramm, welches die Freien Demokraten bei einem digitalen Parteitag beschlossen haben. Freiheit bedeutet für die FDP seit jeher möglichst wenige staatliche Eingriffe in persönliches Leben und Wirtschaft. Steuerhöhungen abzulehnen, ist daher eine zentrale Forderung, auch wenn es seltene Ausnahmen gibt.
Beim digitalen Parteitag in Berlin haben die Liberalen Mitte Mai 2021 ihr Wahlprogram für die Bundestagswahl am 26. September beschlossen.
Wirtschaft
Zentrale Forderung ist es, die Wirtschaft nach der Coronakrise zu "entfesseln" und auf die soziale Marktwirtschaft zu setzen. Dafür wollen sie die Unternehmenssteuerlast auf 25 Prozent senken und die Gewerbesteuer abschaffen.
Steuern
Bei der Einkommenssteuer soll der Mittelstandsbauch abgeschafft werden, das heißt: Die Steuerlast bei kleinen und mittleren Einkommen soll gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz soll schrittweise verschoben werden, mit dem Ziel, dass er erst ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro greift. Eine gleichzeitige Anhebung des Spitzensteuersatzes plant die FDP jedoch nicht. Sie lehnt eine Anhebung der Erbschaftssteuer ab. Der Solidaritätszuschlag soll komplett abgeschafft werden. Zwar will die FDP auf der einen Seite Steuererleichterungen, auf der anderen Seite soll der deutsche Staat wieder schnell eine Schuldenquote von unter 60 Prozent des BIPs erreichen.
Klima
Auch beim Klimaschutz setzt die FDP auf die freie Marktwirtschaft und tritt für eine Ausweitung des Emissionshandels ein. Demnach soll die Politik vorgeben, wieviel CO2 im Jahr verbraucht werden darf. Für den Ausstoß müssen dann Zertifikate erworben werden. Über eine Klimadividende sollen Einnahmen aus den CO2-Preisen wieder an die Bürgerinnen und Bürger ausgeschüttet werden
Soziales
Um die Schuldenquote wieder unter 60 Prozent des BIPs zu erreichen, wollen die Liberalen auch die Sozialausgaben des Bundes bei 50 Prozent des Bundeshaushaltes deckeln.
Bildung
Die Freien Demokraten begreifen Bildung als zentral für Aufstiegschancen. Jährlich 2,5 Milliarden Euro zusätzlich wollen die Freien Demokraten für Bildung ausgeben. Finanziert durch ein Prozent des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens. Die Bildungspolitik ist zweigleisig angelegt: Auf der einen Seite will die FDP mehr zentrale, bundeseinheitliche Elemente. So sollen Abschlussprüfungen bundesweit für die Mittlere Reife und das Abitur vereinheitlicht werden.
Auf der anderen Seite sollen die einzelnen Schulen autonomer werden, also mehr pädagogische, personelle und finanzielle Freiheit haben. Gelingen soll das mit einem eigenen Finanzbudget, über das jede Schule frei verfügt.
Auf der anderen Seite sollen die einzelnen Schulen autonomer werden, also mehr pädagogische, personelle und finanzielle Freiheit haben. Gelingen soll das mit einem eigenen Finanzbudget, über das jede Schule frei verfügt.
Um mehr Chancengleichheit zu erreichen, soll jedes Kind mindestens ein Jahr vor der Einschulung an einem Deutschtest teilnehmen, um Sprachdefizite schon vor dem Schulbeginn zu erkennen.
Das BAföG stellen sich die Freien Demokraten elternunabhängig vor: Alle Studierende sollen demnach einen Grundbetrag von 200 Euro bekommen. 200 Euro mehr erhält, wer sich ehrenamtlich engagiert oder neben dem Studium jobbt. Zusätzlich dazu will die FDP zinsfreie Darlehen ermöglichen, die bei gutem Einkommen nach dem Studium zurückgezahlt werden.
Es brauche einen bundesweiten Ansatz zur Moderinsierung des Bildungsförderalismus – gleichzeitig mehr Freiheit für die Schulen vor Ort, so
Jens Brandenburg, FDP-Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen
, im Deutschlandfunk.
Verkehr
Die FDP lehnt Tempolimits und Dieselfahrverbote ab. Der Verbrennungsmotor soll erhalten bleiben und mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können. Um E-Mobilität zu stärken, sollen die Subventionen für E-Autos gestrichen und stattdessen Schnellladesäulen flächendeckend ausgebaut werden. Beim Bahnverkehr setzt die FDP auf weitere Privatisierung. Während das Schienennetz weiter vom Bund betreiben werden soll, soll der Bahnbetrieb verkauft werden.
Rente
Renten sollen flexibler gestaltet werden können, die FDP will ein "Baukastenprinzip" einführen. Ein Baustein soll das Modell der gesetzlichen Aktienrente werden. Das Renteneintrittsalter soll flexibler werden.
Digitalisierung
Da die FDP einen besonderen Schwerpunkt bei der Digitalisierung setzt, möchte sie auch im Falle einer Regierungsbeteiligung ein Bundesministerium für Digitale Transformation gründen. Die Anteile an der Deutschen Post und an der Telekom sollen verkauft werden. Die Erlöse sollen in die digitale Infrastruktur gesteckt werden. Die Kontrolle von Nachrichtendiensten durch das Parlament soll verbessert werden, das Recht auf Privatsphäre auch in digitalen Räumen wollen die Freien Demokraten stärken.
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Feminismus
Zwar befürworten die Liberalen mehr Frauen in Führungspositionen, lehnen aber Quoten ab und setzen stattdessen auf Selbstverpflichtungen von größeren Unternehmen. Die Partei bekennt sich zu liberalem Feminismus.
Geschlechtliche Identität
Die FDP will für Individuen aller Geschlechter Freiheits- und Entfaltungsräume erweitern. Die Rechte von LSBTI-Personen sollen gestärkt werden, Deutschland soll auch im europäischen Kontext dafür eintreten, dass homosexuelle Handlungen und die geschlechtliche Identität nirgendwo kriminalisiert werden.
Justiz
Die FDP will Cannabis legalisieren und kontrolliert freigeben. Cannabis müsste demnach ähnlich wie Zigaretten besteuert werden, was nach Meinung der Liberalen zu jährlichen Steuereinnahmen von bis zu einer Milliarde Euro führen dürfte.
Auch der Paragraf 219a soll aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Dieser stellt die "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" (§219a StGB) unter Strafe.
Weiteres
Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen die Liberalen reformieren und plädieren für eine Auftrags- und Strukturreform.
Die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages soll auf fünf Jahre verlängert, die Amtszeit im Kanzleramt auf maximal zwei volle Wahlperioden begrenzt werden.
Christian Lindner, wiedergewählter Vorsitzender und Spitzenkandidat der Partei, versuchte auf dem Parteitag ein Zukunftsversprechen der FDP zu formulieren. Zwar betont die Partei den großen Modernisierungsbedarf, den sie in Deutschland sieht – etwa im Bereich der Digitalisierung -, formuliert auf dieser Basis aber ein Versprechen von Aufbruch.
Lindner konstruiert dafür eine Art Systemkonflikt zwischen den Parteien: "Und im Grunde stehen zwei politische Konzepte zur Auswahl: Die einen setzen auf mehr Staat, mehr Umverteilung, mehr Bürokratismus, mehr Anmaßung von Wissen auch in der Politik. Und der andere Weg ist, das Vertrauen auf die Menschen zu setzen. Den Menschen die Möglichkeit zu geben, neue Ideen zu entwickeln."
Woran es bisher allerdings fehlt, sind Aussagen zur Finanzierbarkeit. Keine Steuererhöhungen, Steuersenkungen, keine neuen Schulden – die FDP hofft zwar, durch Entlastungen Wirtschaftswachstum zu erzeugen und dadurch auch mehr Liquidität zu schaffen, durchfinanziert sind ihre Idee damit aber nicht.
"Wir wollen so stark werden, dass es ohne uns keine seriöse Regierungsbildung geben kann", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki beim Parteitag. Er will die Partei gar als drittstärkste Kraft hinter Union und Grünen sehen.
Die Lieblingskoalition der Freien Demokraten wäre ganz klar eine mit der Union. Christian Lindner betont immer wieder, wie gut er in Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet zusammengearbeitet hat. Inhaltlich gebe es es im Bereich der Wirtschafts- und Steuerpolitik viele Anknüpfungspunkte. Gesellschaftspolitisch, im Bereich der Bürgerrechte, würde es mit SPD und Grünen besser passen.
Die Union ist nicht mehr der natürliche Partner der FDP, das betont Generalsekretär Volker Wissing immer wieder. Er hat in Rheinland-Pfalz die Wiederauflage der Koaliton aus SPD, Grünen und FDP mitverhandelt. Im Bund wäre eine solche Koaltion eine Neuheit. Der FDP-Vize Johannes Vogel sagte im Deutschlandfunk: "Wir haben 2017 deutlich gemacht, dass wir nicht um jeden Preis regieren, sondern dass es inhaltlich auch stimmen muss, dass die Projekte auch in die richtige Richtung gehen."