
Die Unzufriedenheit mit den Regierungsparteien der Ampel-Koalition, die am 6. November endete, war groß. Die großen Gewinner sind Union und AfD. Unerwartet viel Zustimmung bekam auch Die Linke. Am meisten an den Ampel-Jahren zu tragen hat dabei die Kanzlerpartei SPD. Sie hat das schlechteste Bundestagswahlergebnis in ihrer Geschichte eingefahren - und konnte nur halb so viele Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen wie die Union. FDP und BSW verfehlen den Einzug ins Parlament. Die Grünen haben im Vergleich zu ihrem Wahlergebnis von 2021 etwa zwei Prozent verloren.
Welche Themen und Ereignisse prägten den Wahlkampf, was bewegte die Wählerinnen und Wähler – und wo konnten die Parteien punkten?
Inhalt
- SPD holt schlechtestes Ergebnis in ihrer Geschichte
- Grüne bleiben hinter SPD zurück
- FDP verpasst den Einzug in den Bundestag
- Die Linke und der Erfolg von Heidi Reichinnek
- BSW – die Euphorie der Parteigründung ist verflogen
- Union profitiert von Unzufriedenheit mit Ampel-Regierung
- AfD – Die Gewinnerin des Wahlkampfs
SPD holt schlechtestes Ergebnis in ihrer Geschichte
Die SPD erzielte mit 16,4 Prozent und einem Minus von 9,3 Punkten ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl.
Ampel-Streit und Ampel-Aus wirken nach – und stellen sich als entscheidende Faktoren bei der Bundestagswahl heraus. Insgesamt lief der Wahlkampf für die SPD eher holprig: Zu Beginn mit der K-Frage, ob nun Verteidigungsminister Boris Pistorius oder Kanzler Olaf Scholz SPD-Spitzenkandidat werden soll.
Dann kamen die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München. Migrationsfragen prägten den Wahlkampf. Ein emotional behaftetes Thema, bei dem Scholz zu wenig geliefert habe, sagt Daniel Friedrich Sturm, Leiter des Hauptstadtstudios des "Tagesspiegel".
Olaf Scholz galt zudem von jeher nicht als charismatischer Wahlkämpfer. Doch in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten ist kein Kanzler mit einem derart geringeren Zuspruch in eine Bundestagswahl gezogen. Gerade die für Krisenzeiten typischen Erwartungen an Regierende in puncto Entschlossenheit, Orientierungshilfe und Entscheidungsstärke hat Olaf Scholz aus Sicht vieler offensichtlich nicht erfüllen können. Waren 2021 sechs von zehn überzeugt, dass der SPD-Politiker gut durch Krisen führen kann, waren es diesmal nur noch halb so viele. Nur für jeden Fünften hat er im Rückblick als Kanzler nötige Führung gezeigt.
Grüne bleiben hinter SPD zurück
Bündnis 90/Die Grünen erreichten 11,6 Prozent, ein Rückgang von 3,1 Punkten.
Ampel-Aus, niedrige Umfragewerte, drei desaströse Landtagswahlen und dann noch ein Wechsel an der Parteispitze: Die Grünen starteten im Krisenmodus in den Wahlkampf. Das Image als vermeintliche „Verbotspartei“ machte ihnen außerdem zu schaffen.
Ampel-Aus, niedrige Umfragewerte, drei desaströse Landtagswahlen und dann noch ein Wechsel an der Parteispitze: Die Grünen starteten im Krisenmodus in den Wahlkampf. Das Image als vermeintliche „Verbotspartei“ machte ihnen außerdem zu schaffen.
Dabei spielte das Herzensthema der Grünen – der Klimaschutz – im Bundestagswahlkampf 2025 eine sehr viel geringere Rolle als noch bei der Wahl 2021. Damals gehörte es mit sozialer Sicherheit, Wirtschaft und Arbeit zu den drei Themen, die vor allem wahlentscheidend waren. Bei dieser Wahl standen innere und soziale Sicherheit an erster Stelle, gefolgt von Zuwanderung und Wirtschaftswachstum. Eigentlich nicht gerade die Themen, bei denen den Grünen große Kompetenz zugeschrieben wird.
„Graduelle Vorteile“ könnte Spitzenkandidat Robert Habeck den Grünen gebracht haben, analysiert Infratest dimap. Er führt in der Bewertung der Wahlberechtigten gemeinsam mit Friedrich Merz die Spitzenkandidatenliste an. „Für manche ist er Kanzler der Herzen“, so der Politologe Albrecht von Lucke. „Aber das ist er eben nur für ein Teilmilieu.“
FDP verpasst den Einzug in den Bundestag
Die FDP scheiterte mit 4,3 Prozent an der 5-Prozent-Hürde. Nur 2013 gelang der FDP nicht der Einzug in den Bundestag. Sonst war sie seit Gründung der Bundesrepublik immer mit dabei. Der Parteivorsitzende der Liberalen, Christian Lindner, kündigte nach dem schwachen Abschneiden der FDP seinen Rückzug an.

Die Liberalen wirkten nach drei Jahren Ampel-Koalition in der Wahrnehmung der Bundesbürger angeschlagen – sachpolitisch, aber auch personell. Insbesondere in wirtschaftsnahen Feldern hat sich die FDP mit einer Profilierung schwerer getan als 2021, vor allem gegenüber der Union als größter Oppositionskraft.
Die enttäuschende Regierungsleistung, aber auch die Umstände des Ampel-Aus‘ – die sogenannte D-Day-Affäre – belasten das Ansehen der Liberalen. Sechs von zehn Wahlberechtigten meinen, die FDP habe in der Ampel-Koalition bewiesen, dass sie kein vertrauenswürdiger Regierungspartner sei.
Die Linke und der Erfolg von Heidi Reichinnek
Die Linke legte um 3,9 Punkte auf 8,8 Prozent zu. Dabei hatten personelle Querelen und innerparteiliche Richtungskämpfe – bis hin zur Abspaltung des neuen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) – vor einiger Zeit noch das Bild der Partei bestimmt. Die Linke war im Umfragetief. Dann gelang ihr ein erstaunliches Last-minute-Comeback. Sie meldet einen neuen Mitgliederrekord. Die Umfragewerte stiegen. In der Hauptstadt Berlin erhielt Die Linke mit 19,9 Prozent der Zweitstimmen den größten Zuspruch.
Etliche Medien haben das auch Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek angerechnet, die durch Offenheit und eine geschickte Nutzung sozialer Medien im Wahlkampf punkten konnte.
Einer der ausschlaggebenderen Gründe für das Comeback der Partei ist wohl die Zuwanderungsdebatte. Während alle anderen Parteien restriktivere Maßnahmen forderten, blieb Die Linke bei ihrem liberalen Angebot. Für Wahlberechtigte, die sich gegen eine Verschärfung der Migrations- und Asylpolitik aussprechen, war die Partei deswegen eine wichtige Alternative.
Entscheidend für das unerwartet gute Abschneiden der Linkspartei dürften außerdem ihre sozialpolitischen Forderungen sein. Knapp jeder zweite Wahlberechtigte bescheinigt der Partei, sich am ehesten um sozialen Ausgleich zu bemühen. Als zentrale Themen für den Wahlkampf hat die Linke bezahlbare Mieten und niedrigere Lebenshaltungskosten gewählt.
BSW – die Euphorie der Parteigründung ist verflogen
Auch das BSW scheiterte mit 4,97 Prozent an der 5-Prozent-Hürde. Das im Januar 2024 aus einer Abspaltung der Linkspartei hervorgegangene „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) war bei den Wahlen zum EU-Parlament sowie bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg äußerst erfolgreich – und ist nun an zwei Landesregierungen beteiligt.

Jeder zweite Wahlberechtigte gab an, sich von der Partei – die sozialpolitisch linke Standpunkte mit gesellschaftspolitisch konservativen Forderungen verbindet – mehr Ideen erwartet zu haben. In einem Wahlkampf, in dem so gut wie alle Parteien für eine stärkere Zuwanderungsbegrenzung plädierten, konnte das BSW sich außerdem mit rigiden Forderungen in der Migrationspolitik nicht mehr von anderen Parteien abgrenzen. Beim Einsatz für soziale Gerechtigkeit trauten die Wählerinnen und Wähler der Partei Die Linke mehr zu als dem BSW. „All ihre Themen werden viel radikaler von anderen Parteien besetzt“, so Publizist und Politologe Albrecht von Lucke.
Union profitiert von Unzufriedenheit mit Ampel-Regierung
Die Union ist einer der großen Gewinner der Bundestagswahl und stärkste Kraft im Parlament. CDU und CSU kommen gemeinsam auf 28,6 Prozent, ein Plus von 4,4 Prozentpunkten.
Profitieren konnte die Partei vor allem von der großen Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung. Als damalige Oppositionspartei konnte sie sich im Wahlkampf von dem gescheiterten Regierungsbündnis abgrenzen und als Alternative darstellen.
Profitieren konnte die Partei vor allem von der großen Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung. Als damalige Oppositionspartei konnte sie sich im Wahlkampf von dem gescheiterten Regierungsbündnis abgrenzen und als Alternative darstellen.
Als Wahlkampfthema hob Spitzenkandidat Friedrich Merz unter anderem die Wirtschaftspolitik hervor. Der Infratest dimap-Umfrage nach eines der vier Top-Themen, die für die Bürgerinnen und Bürger wahlentscheidend waren. Da der Union traditionell die meiste Kompetenz in ökonomischen Fragen zugesprochen wird, konnte sie hier vermutlich Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen.
Auch bei außen- und verteidigungspolitischen Fragen und im Bereich der inneren Sicherheit – ebenfalls ein für viele Bürgerinnen und Bürger wahlrelevantes Thema – vertrauen die Wähler der CDU und CSU sehr viel mehr als anderen Parteien.
Spätestens seit dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg im Januar dominiert die Migrations- und Asylpolitik den Wahlkampf der Union. Bei der Sonntagsfrage befürworteten 64 Prozent der Wählerinnen und Wähler, wie klar sich Friedrich Merz gegen irreguläre Zuwanderung ausgesprochen hat.
Unbeschränktes Vertrauen in die Union haben die Wahlberechtigten allerdings nicht – das zeigen die Daten von Infratest dimap. Auch der Zuspruch für Unionsspitzenkandidat Friedrich Merz ist geringer als für alle Kanzler-Herausforderer von Union und SPD der vergangenen Jahrzehnte.
AfD – Die Gewinnerin des Wahlkampfs
Die AfD ist der große Gewinner des Wahlkampfs. Sie verdoppelte ihren Stimmenanteil auf 20,8 Prozent und wird zweitstärkste Kraft im Bundestag.
Die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung, aber auch die allgemeine Unzufriedenheit und Verunsicherungen angesichts außenpolitischer Krisen und schwacher Konjunktur haben der Partei Vorteile gebracht. Die Mieten und Preise steigen, und viele AfD-Wähler treibt die Sorge vor dem Verlust ihres persönlichen Wohlstands um.
Auch die drei Anschläge während des Wahlkampfs in Magdeburg, Aschaffenburg und München, bei denen die Täter aus dem Ausland stammen, spielten der AfD in die Hände. Äußerte sich 2021 gut jeder Dritte positiv zu den restriktiven Positionen der AfD beim Thema Zuwanderung, war es jetzt fast jeder Zweite.
Die Entscheidung von Unionskandidat Friedrich Merz, gemeinsam mit der AfD im Bundestag für eine extreme Verschärfung der Zuwanderungspolitik zu stimmen, habe die AfD „ungemein aufgewertet“, sagt der Politologe Albrecht von Lucke.
lkn