
Wer im Netz nach dem Begriff „Wahlbeobachtung“ sucht, stößt schnell auf Webseiten, die mit einer flächendeckenden und selbstorganisierten Wahlbeobachtung werben. Bürger können sich dort registrieren und teilweise verifizieren lassen, ein Wahllokal reservieren und am Wahltag die Wahlergebnisse übermitteln. Nutzer, die am Wahltag Ungenauigkeiten beobachten, können sich dann gleich melden.
Hinter diesen scheinbar seriös und unparteiisch aufgemachten Seiten stecken Vereine, die in der Regel selbst eine politische Agenda verfolgen wie die rechtsextreme Bewegung „Ein Prozent“ oder der der Querdenken-Bewegung nahestehende Verein Wabeo. Sie suggerieren, dass eine organisierte Wahlbeobachtung bei Wahlen notwendig sei, da es bei der Auszählung der Stimmen regelmäßig zu Manipulation komme. Ein Narrativ, das auch die AfD immer wieder in den Wahlkampf einbringt. So wirbt die Partei auf ihrer Webseite dafür, am Wahltag die Stimmauszählung als Wahlbeobachter zu verfolgen und Ungenauigkeiten direkt über ein eigenes Formular zu melden.
Dahinter steckt eine Strategie: Die Wähler und Wählerinnen der Partei werden bereits vor der Wahl darauf eingestimmt, die Ergebnisse am Wahltag in Frage zu stellen, sollte die Partei schlechter abschneiden als erhofft. Gleichzeitig nährt die Erzählung vom drohenden Wahlbetrug Zweifel an der Integrität des gesamten Wahlsystems. Doch wie funktioniert Wahlbeobachtung bei der Bundestagswahl tatsächlich? Wer kann als Wahlbeobachter tätig sein und muss man sich registrieren, um bei der Stimmauszählung dabei zu sein?
Wie funktioniert Wahlbeobachtung?
In Deutschland unterliegen Wahlen dem Öffentlichkeitsprinzip. Das bedeutet nichts anderes, als dass jeder Bürger und jede Bürgerin den Wahlprozess beobachten darf. Während die Stimmabgabe geheim in der Wahlkabine erfolgt, geschieht jeder andere Schritt am Wahltag unter den Augen der Öffentlichkeit: Vom Einwurf in die Wahlurne bis zur Auszählung der Stimmen und Bekanntgabe des Ergebnisses können Interessierte im Wahllokal anwesend sein — das gilt übrigens auch für Personen , die selbst nicht wahlberechtigt sind.
Auch die Auszählung der Briefwahlstimmen findet öffentlich statt. Wahlbeobachter können dort ab dem Nachmittag des Wahltages anwesend sein, wenn der Briefwahlvorstand zusammentritt und die Briefwahlumschläge zuerst geöffnet und dann ausgezählt werden.
Wie wird man Wahlbeobachter?
Eine organisierte Wahlbeobachtung über einen Verein oder eine Partei braucht es dafür aber nicht: Bürger und Bürgerinnen müssen sich weder verifizieren, noch sich für ein Wahllokal registrieren oder über eine Plattform anmelden, betont auch die Bundeswahlleiterin. Sie können am Wahltag einfach zum Wahllokal gehen, dort den öffentlichen Teil des Wahlvorgangs beobachten und Ungenauigkeiten melden.
Angemeldete Wahlbeobachtung gibt es nur durch offizielle OSZE-Wahlbeobachter, die speziell für die Bundestagswahl nach Deutschland entsendet werden. Am Wahltag sind sie in verschiedenen Wahllokalen anwesend und beobachten den Wahlvorgang. Die Wahllokale werden stichprobenartig und ohne Absprache mit den Behörden ausgewählt.
Welche Rechte haben Wahlbeobachter?
Vorausgesetzt, sie stören oder behindern den Wahlvorgang nicht, dürfen sie bis zur Beschlussfassung über das Ergebnis im Wahllokal anwesend sein. Fotografieren und filmen sind verboten, Wahlbeobachter dürfen sich aber eigene Notizen machen oder Strichlisten zu den Wahlergebnissen führen.
Jede Einflussnahme auf den Wahlvorstand oder Wahlhelfer durch Wahlbeobachter ist untersagt. Sie dürfen also zum Beispiel die Wahlhelfer nicht dazu auffordern, die Zählung zu unterbrechen oder neu mit der Auszählung zu beginnen. Auch über Entscheidungen des Wahlvorstandes dürfen sie vor Ort keine Diskussionen anzetteln. Kurze Nachfragen beim Wahlvorstand sind aber erlaubt, wenn beispielsweise das Wahlergebnis bei der Bekanntgabe akustisch nicht verstanden wurde.
Wahlbeobachter dürfen, wie Wahlvorstand und Wahlhelfer auch, keine politischen Symbole tragen oder Wahlpropaganda in Form von Flyer im und vor dem Wahllokal verteilen.
In den sozialen Medien werden immer wieder Vorwürfe laut, dass Wahlbeobachter nicht beobachten könnten, was mit den Wahlzetteln nach der Auszählung passiert. Es stimmt zwar, dass die Wahlbeobachtung mit Feststellung und Bekanntgabe des Ergebnisses endet: Nach der Stimmauszählung werden die Stimmzettel von den Wahlvorständen ohne die Anwesenheit der Wahlbeobachter geordnet, verpackt und versiegelt. Anschließend übergibt der Wahlvorstand die Stimmzettel an die Gemeindebehörden.
Allerdings kann jeder die verkündeten Ergebnisse notieren und später mit dem offiziellen Ergebnis abgleichen. Sollte dabei ein Verdacht auf Fälschung entstehen, kann dies gemeldet werden.
Wer kann Einspruch gegen die Wahl einreichen?
Eine begründete Wahlbeschwerde kann jeder Wahlberechtigte bis zwei Monate nach dem Wahltag, also in diesem Fall bis zum 23. April 2025, schriftlich vor dem Deutschen Bundestag einreichen.
Ein Einspruch gegen das Ergebnis einer Bundestagswahl kann nur dann erfolgreich sein, wenn ein Wahlfehler vorliegt, der das Bundeswahlgesetz, die Bundeswahlordnung oder die Verfassung verletzt, und dieser Fehler Auswirkungen auf die Sitzverteilung im Bundestag hat, also mandatsrelevant ist.
Wann kommt das Bundesverfassungsgericht ins Spiel?
Wenn der Einspruch abgelehnt wird, führt der nächste Schritt vor das Bundesverfassungsgericht: Auch dort steht jedem die Möglichkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde offen.
So führte eine erfolgreiche Wahlprüfungsbeschwerde bei der Bundestagswahl 2021 zum Beispiel dazu, dass für einzelne Berliner Wahlbezirke eine Wiederholung der Abstimmung durch das Bundesverfassungsgericht angeordnet wurde.
Nicht etwa, weil es einen begründeten Verdacht der gezielten Manipulation gab, sondern weil in vielen Wahllokalen chaotische Zustände herrschten. An diesem Tag wurde in Berlin nicht nur der Bundestag neu gewählt, auch die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, ein Volksentscheid und der Berlin Marathon fanden gleichzeitig statt.