Die Außen- und Sicherheitspolitik bekommt gerade in Krisenzeiten viel Aufmerksamkeit. Dementsprechend zählen diese Politikfelder zu den wichtigen im laufenden Bundestagswahlkampf. Auf welcher Grundlage wollen die Parteien Deutschlands Rolle in der Welt definieren? Und welche internationalen Partnerschaften sind dabei von Bedeutung? Die Unterschiede zwischen den Parteien sind groß. Ein Überblick:
CDU/CSU
Die Union bekennt sich klar zur Unterstützung der Ukraine sowohl in ziviler Hinsicht als auch durch Waffenlieferungen. Mit der Kontaktgruppe Ukraine (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen) soll ein Friedensprozess eingeleitet und wirksame Sicherheitsgarantien erreicht werden. Das attackierte Land soll eine Perspektive auf einen EU-Beitritt bekommen, Aggressor Russland mit weiteren Sanktionen zum Einlenken bewegt werden.
Die CDU will die transatlantische Partnerschaft mit einem strategischen Dialog vertiefen, sowie die Beziehungen zu Frankreich und Polen (Weimarer Dreieck) verbessern. Mit diesen Nachbarländern soll es neben einer Abstimmung in wichtigen Politikfeldern auch eine bessere Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Verkehr und Migration geben.
Die Union betont die besondere Verantwortung Deutschlands bei der (auch militärischen) Unterstützung Israels. Ziel sei Frieden im Nahen Osten - dabei unterstützt die Partei die Zweistaaten-Lösung für ein Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. China sei ein systemischer Konkurrent, dem Deutschland selbstbewusst begegnen müsse, heißt es im Wahlprogramm der Konservativen. Dazu zähle auch ein besserer Austausch in der Region mit Partnern wie Japan, Indien oder Südkorea.
Verteidigungspolitisch sieht die Union das Zwei-Prozent-Ziel der NATO als „Untergrenze“. Die Wehrpflicht soll in neuer Form zurückkommen. Europa müsse seine eigene Verteidigungsfähigkeit innerhalb des Bündnisses ausbauen, dafür brauche es eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. Gleichzeitig setzen CDU/CSU auf die nukleare Teilhabe und die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
SPD
Die Sozialdemokraten wollen der Ukraine weiter finanziell, humanitär und wirtschaftlich helfen und befürworten auch Waffenlieferungen, allerdings ohne den „Taurus“-Marschflugkörper. Parallel müssten Friedensinitiativen vorangetrieben werden.
Die SPD betont die Bedeutung der NATO und will die europäische Säule innerhalb des Bündnisses stärken. Ziel sei eine europäische Verteidigungsunion mit eng koordinierten Streitkräften und gemeinsamen Rüstungsprojekten. Europa muss selbst für Sicherheit sorgen können, heißt es in dem Papier. Die Verteidigungsausgaben sollen dauerhaft bei mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, außerdem will die SPD einen flexiblen Wehrdienst einführen, der auf Freiwilligkeit basiert.
Mit Blick auf Europa strebt die SPD Veränderungen an: Sie will das Mehrheitsprinzip in der EU durchsetzen. Wegen des bisher geltenden Einstimmigkeitsprinzip können einzelne Länder mit ihrem Veto Entscheidungen blockieren. Die Ukraine und Moldau sollen eine Perspektive für einen EU-Beitritt bekommen. Die SPD spricht sich außerdem für eine Aufnahme der westlichen Balkan-Staaten aus.
Gute Beziehungen zu den Nachbarländern Polen und Frankreich und die Zusammenarbeit mit beiden im sogenannten Weimarer-Dreieck sind aus Sicht der SPD wichtig, ebenso eine engere Kooperation mit Großbritannien. Die USA blieben Deutschlands bedeutendster Partner außerhalb Europas. China will die SPD in einem „robusten Dialog“ begegnen, der gemeinsame Interessen hervorhebt aber auch Probleme benennt. Mit Indien, Indonesien, Südafrika und Brasilien soll eine neue Nord-Süd-Politik etabliert werden – als Gegenpol zu den Beziehungen, die diese Länder mit Russland im BRICS-Verbund pflegen. Generell bekennt sich die SPD zur feministischen Außenpolitik, die dem Grundprinzip der Gleichheit aller Menschen folgt.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen sind für eine umfassende Unterstützung der Ukraine – zivil und militärisch. Eingebettet in die NATO will die Partei Europas eigene Verteidigungsfähigkeit stärken. Der Wehretat soll dauerhaft über dem Zwei-Prozent-Ziel liegen. Dafür halten die Grünen mittelfristig eine Kreditaufnahme für notwendig. Sie befürworten einen freiwilligen Wehrdienst, wollen die Reserve der Bundeswehr attraktiver machen und mehr Einheiten bilden, in denen Soldaten unterschiedlicher EU-Länder gemeinsam aktiv sind.
Die Außenpolitik der Grünen zielt auf eine multipolare Welt. Sie wollen die UN stärken und den Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen wieder anschieben. Innerhalb der EU will die Partei das Mehrheitsprinzip etablieren und es dem Parlament möglich machen, eigene Gesetzentwürfe einzubringen. Wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien einzelner Länder sollen schärfere Strafen verhängt werden können. Vision für die Zukunft ist eine föderale Europäische Republik mit eigener Verfassung.
Auch die Grünen betonen die Bedeutung der Beziehung zu Polen und Frankreich sowie die wichtige transatlantische Partnerschaft mit den USA. Weiterverfolgt werden soll die bereits in der Ampel-Koalition verabschiedete China-Politik, die China als Partner aber auch als strategischen Rivalen im Blick hat.
AfD
Die Alternative für Deutschland will eine Außenpolitik, die nicht wertegeleitet ist, sondern realpolitischen Grundsätzen folgt. Sie strebt eine Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus der EU an, ebenso den Austritt aus dem Euro-Währungsraum. An die Stelle der Europäischen Union soll ein Bund europäischer Vaterländer treten, die politisch souverän entscheiden, aber eng zusammenarbeiten.
Die USA seien ein wichtiger Partner, deren geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen sich jedoch zunehmend von denen Deutschlands und der EU unterschieden, dem müsse die Außenpolitik Rechnung tragen. In der Türkei sieht die AfD einen wichtigen strategischen Partner. Im Umgang mit China will die Partei realpolitisch vorgehen. Wirtschafts- und Handelskontakte sollen vertieft werden, ohne dass Technik oder Wissen aus Deutschland „abgeschöpft“ werden kann.
Zur Haltung der AfD zur Unterstützung der Ukraine geht aus dem Leitantrag der Parteispitze kaum etwas hervor. Man sehe die Zukunft der Ukraine als „neutralen Staat“ außerhalb von EU und NATO, heißt es. Im Gegenzug verzichtet die AfD bewusst darauf, Russland für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verurteilen. Vielmehr setzt sich die Partei dafür ein, alle Sanktionen gegen Russland aufzuheben und die Nord-Stream-Pipeline wieder in Betrieb zu nehmen.
Die Bundeswehr müsse mit Material und Personal besser ausgestattet werden, in diesem Zuge befürwortet die AfD die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Partei spricht sich für einen Ausbau der Rüstungsindustrie aus und will der Bundeswehr deutlich stärkere Cyber-Fähigkeiten verleihen.
FDP
In Abgrenzung zu den Grünen und der SPD sprechen sich die Freien Demokraten für eine realpolitische und weniger moralisch geleitete Außenpolitik aus. Freiheit und Menschenrechte stünden dennoch im Mittelpunkt, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms.
Die FDP spricht sich für eine umfängliche Unterstützung der Ukraine aus – „Taurus“-Marschflugkörper müssten „unverzüglich“ geliefert werden. Die Bundeswehr soll die stärkste konventionelle Armee auf dem Kontinent werden. Dazu soll der Wehretat bei mindestens zwei Prozent des BIP liegen, je nach NATO-Vorgaben auch höher. Die Europäer als Teil der NATO müssten im Verbund mehr Verantwortung für ihre Verteidigung übernehmen. Eine allgemeine Wehrpflicht lehnen die Liberalen ab, sie setzen auf eine Freiwilligenarmee mit starker Reserve, wollen Wehrfähige aber in einer nationalen Datenbank erfassen.
Russland will die FDP entschieden entgegentreten - mit weiteren Sanktionen und einem EU-weiten Ausstieg vom Kauf von russischem Gas oder Öl. Auch Abhängigkeiten im Verhältnis zu China müssten überprüft und verringert werden, als Teil einer neuen China-Politik Deutschlands und der EU. Den Staaten des globalen Südens müsse die deutsche Außenpolitik bessere Angebote machen als bisher.
Die Europäische Union will die FDP institutionell reformieren. Die Kommission soll verkleinert und Mehrheitsentscheidungen möglich werden. Außerdem plädiert die Partei dafür, dass auch das Parlament Gesetzesvorhaben einbringen kann. In Sicherheits- und Verteidigungsfragen müsse die EU schneller und enger zusammenarbeiten. Frankreich und Polen sind in Europa die engsten Partner, die Kooperation mit Großbritannien soll vertieft werden.
Die Linke
„Eine Außenpolitik, die immer nach friedlichen, zivilen Lösungen sucht und nicht mit dem Finger am Abzug denkt“, fordert Die Linke im Entwurf ihres Wahlprogramms. Radikal dem Frieden verpflichtet müsse Deutschland versuchen, die bewaffneten Konflikte diplomatisch zu lösen. In der Ukraine müssten die Friedensinitiativen von China und Brasilien aufgegriffen werden. Die Partei will die Bundeswehr als allen Auslandseinsätzen abziehen und zu einer reinen Verteidigungsarmee umbauen. Eine Wehrpflicht lehnt Die Linke ab.
Die NATO sei für eine kooperative Sicherheitspolitik in deutschem Interesse „nicht geeignet“, heißt es in dem Papier. An die Stelle des Bündnisses soll mittelfristig eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur für Europa treten – langfristig auch mit Einbindung Russlands und der Türkei. Die Linke spricht sich gegen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland aus, ebenso gegen die nukleare Teilhabe. Die Vereinten Nationen müssten gestärkt und Abrüstungsprojekte unterstützt werden.
Die Abläufe in der Europäischen Union will Die Linke ändern. Das Parlament soll eine wichtigere Rolle gegenüber der Kommission und dem Rat bekommen und selbst Gesetze einbringen dürfen. Ein großes Investitionsprogramm für Soziales, Bildung, Gesundheit und Klimaschutz müsste aufgelegt werden. Dafür müssten auch die geltenden Defizit- und Schuldenregeln fallen.
Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW)
Das Bündnis Sarah Wagenknecht sieht sich der Friedenspolitik verpflichtet. Konflikte wie in der Ukraine müssten auf diplomatischem Weg gelöst werden. Die Partei fordert ein Ende von Waffenlieferungen und finanzieller Unterstützung für die Ukraine. Ebenso sollte es keine Waffenlieferungen an Israel geben. Der Konflikt dort müsse beendet und an einer Zwei-Staaten-Lösung gearbeitet werden. Sanktionen gegen politisch missliebige Regierungen müssten aufgehoben werden, weil sie nur der Bevölkerung schadeten.
Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen der Vergangenheit angehören. Sie soll als reine Verteidigungsarmee aufgestellt und ausgestattet werden. Dabei spielt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO für das BSW keine Rolle. Vielmehr brauche Deutschland eine Sicherheitsarchitektur in Europa, die „langfristig auch Russland einbindet“. Eine Wehrpflicht will das BSW nicht.
Für Europa will die Partei eine engere Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedsstaaten, die wieder mehr Eigenverantwortung bekommen sollen. Eine „immer tiefer gehende Integration in Richtung eines europäischen Bundesstaats“ lehne man ab, heißt es im BSW-Wahlprogramm.