Kurz und heftig ist der Bundestagswahlkampf für die vorgezogenen Wahlen am 23. Februar 2025. Wirtschaft, Migration und Krieg sind diesmal die vordergründig wichtigen Themen. Mit Klimaschutz könne man im Moment nicht bei den Wählern punkten, betont unter anderem der Soziologe Armin Nassehi.
Dabei gibt es nur wenige Politikfelder, in denen sich die Ansichten und Lösungswege deutlicher unterscheiden: Die AfD sieht den Menschen nicht als Ursache für den Klimawandel an und lehnt so gut wie alle Klimaschutz-Maßnahmen ab. Alle anderen Parteien verfolgen das Ziel, Deutschland klimafreundlicher oder sogar klimaneutral zu machen. Über den Zeithorizont und die Maßnahmen gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten. Ein Überblick:
Die Parteien
- SPD: Klimageld soll Geringverdiener entlasten
- CDU/CSU: Verbrennerverbot und Heizungsgesetz kippen
- Bündnis 90/Die Grünen: Wirtschaft klimaneutral modernisieren
- FDP: Klimaneutralität erst 2050
- AfD: Leugnen des menschengemachten Klimawandels
- Die Linke: Neun-Euro-Ticket und Klimageld
- BSW: Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream Pipelines
SPD: Klimageld soll Geringverdiener entlasten
Auch die SPD bekennt sich zu den beschlossenen Klimazielen Deutschlands und der EU. Die Sozialdemokraten betonen in ihrem Wahlprogramm, dass Klimaschutz sozial sein müsse. Das bedeutet, Geringverdiener sollen durch ein Klimageld von CO2-Preisen entlastet werden. Außerdem wird angestrebt, dass Energienetze wie Fernwärme oder die Energiegewinnung in Form eines dorfeigenen Windparks gemeinschaftlich angelegt werden, um eine möglichst große Teilhabe zu erreichen.
Die SPD setzt darauf, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, zum Beispiel durch ein Tempolimit auf Autobahnen oder die Dekarbonisierung der Industrie. Unternehmen, die auf klimaneutrale Produktion umstellen, sollen staatlich gefördert werden. Explizit heißt es, man folge dem Grundsatz „CO2-Vermeidung vor CO2-Abscheidung“.
In Sachen Mobilität will die SPD klimaschonende Verkehrsmittel wie Fahrrad, Bus und Bahn besser vernetzen und in einem Konzept „gemeinsam denken“. Das Deutschlandticket soll zu gleichen Konditionen bleiben. Für E-Autos soll es finanzielle Vorteile geben. Die SPD will sich zudem dafür einsetzen, die Ladeinfrastruktur für Pkw aber auch klimafreundliche Lkw zu verbessern.
Mit einer Städtebauförderung will die SPD die Klimaanpassung der Kommunen vorantreiben. Grünflächen und verbesserte Versickerungsmöglichkeiten sollen die Städte bei Hitze oder Starkregen sicherer und lebenswerter machen.
CDU/CSU: Verbrennerverbot und Heizungsgesetz kippen
Die Union steht zum Ziel Klimaneutralität bis 2045, will den Weg dahin aber grundsätzlich neu strukturieren. „Klimaschutz braucht eine starke Wirtschaft“, heißt es im Wahlprogramm. Die Union will deshalb den Strom günstiger machen, indem sie Steuer und Netzentgelte senkt. Der Ausbau der Stromtrassen für die Energiewende soll mit günstigeren Freileitungen anstatt teurer Erdverkabelung ausgeführt werden. Neben Energie aus Wind und Sonne soll auch Biomasse oder Geothermie verstärkt genutzt werden.
Als zentrales Element für den Klimaschutz sehen CDU/CSU den Emissionshandel. Durch die CO2-Bepreisung wird fossile Energie zum Heizen oder Autofahren schrittweise teurer. Die zusätzlichen Einnahmen will die Union an Verbraucher und Unternehmen in Form eines „Klimabonus“ zurückfließen lassen, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Das umstrittene „Heizungsgesetz“ (Gebäudeenergiegesetz) soll in seiner jetzigen Form abgeschafft werden, obwohl viele Elemente, die auch die Union unterstützt, darin bereits verwirklicht sind.
Die Union setzt sich für eine CO2-Kreislaufwirtschaft ein, die auch die Speicherung von CO2 vorsieht. Sie will das Verbrennerverbot rückgängig machen sowie die Flottengrenzwerte überprüfen, um deutsche Hersteller vor Strafzahlungen zu bewahren. Außerdem wollen die Konservativen an der „Option Kernenergie“ festhalten. Neben dem Klimaschutz ist auch die Klimaanpassung ein Thema, sie soll gestärkt werden. Außerdem möchte die Union eine Pflichtversicherung für Elementarschäden einführen.
Bündnis 90/Die Grünen: Wirtschaft klimaneutral modernisieren
Während die Grünen bei ihrer Plakatkampagne das Thema Klima diesmal nicht in den Vordergrund stellen, durchzieht es fast alle Facetten ihres Wahlprogramms, bis hin zur Außenpolitik: „Die Klimakrise ist eine der größten Sicherheitsrisiken des 21. Jahrhunderts.“
Mit Instrumenten wie dem CO2-Preis, staatlicher Förderung für Investitionen, aber auch dem Einsatz von Ordnungsrecht, das entsprechende Verbote ermöglicht, soll die Wirtschaft klimaneutral modernisiert werden. Für klimafreundlich hergestellten Zement und Stahl wollen die Grünen europaweit sogenannte Leitmärkte etablieren, indem beispielsweise feste Abnahmequoten bei Bauprojekten festgelegt werden. Dort wo keine Vermeidung möglich ist, wollen die Grünen eine CO2-Kreislaufwirtschaft, die auch die Abscheidung und Speicherung des klimaschädlichen Gases vorsieht.
Die Grünen möchten Kauf und Leasing von E-Autos sozial ausgewogen fördern. Am Verbrennerverbot ab 2035 wird festgehalten, ebenso an den Flottengrenzwerten der EU – etwaige Strafzahlungen deutscher Autohersteller sollten aber zeitlich gestreckt werden. Finanzielle Belastungen von Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen durch höhere Transport- und Heizkosten sollen mit dem „Klimageld“ abgefedert werden.
Geht es nach den Grünen, kommt das Tempolimit auf Autobahnen. Ziel sei es zudem das Deutschlandticket auch künftig für 49 Euro anzubieten sowie den öffentlichen Personenverkehr weiter auszubauen. In Sachen Klimaanpassung unterstützen die Grünen die Idee der Schwammstadt, in der Flächen zur besseren Versickerung entsiegelt werden, sowie Bäume gepflanzt und Grünflächen angelegt werden, um die Folgen von Hitzeperioden für die Anwohner abzumildern.
FDP: Klimaneutralität erst 2050
Die Freien Demokraten fordern ein langsameres Tempo: Deutschland soll nicht 2045, wie es das nationale Klimagesetz vorsieht, sondern erst 2050 klimaneutral werden. Das entspricht dem Ziel der EU. Auch die Umweltstandards von Deutschland und EU sollen harmonisiert werden. Ein einheitlicher europäischer Emissionshandel ist für die FDP das zentrale Instrument für den Klimaschutz. Die FDP setzt dabei ganz auf die Lenkungswirkung des CO2-Preises, andere Regulierungen sollen abgeschafft werden. Einnahmen aus dem Emissionshandel will die FDP als „Klimadividende“ direkt und pauschal pro Kopf an die Menschen zurückzahlen.
Die Absage an Verbote betonen die Liberalen auch mit Blick auf das Tempolimit und das Verbrenner-Aus 2035. Diese EU-Regelung müsse abgeschafft werden, ebenso wie das Gebäudeenergiegesetz, an dem die FDP als Partner in der Ampel-Koalition mitgewirkt hatte. Dagegen soll die Entnahme, Nutzung und Speicherung von CO2 ermöglicht werden.
Die Liberalen wollen die Stromkosten senken und den Bau neuer Gaskraftwerke erleichtern. Dabei soll auch in Deutschland Erdgas im sogenannten Fracking-Verfahren gefördert werden können. Der Nutzung von Kernkraft und Kernfusion steht die FDP offen gegenüber, der rechtliche Rahmen müsse entsprechend gestaltet werden, allerdings sollen die Projekte ohne staatliche Subventionen auskommen.
In Sachen Verkehr betont die FDP die Technologieoffenheit. E-Autos seien nicht die einzige denkbare Form von individueller Mobilität, sondern auch andere klimafreundliche Antriebe kämen infrage. Der öffentliche Personennahverkehr soll gestärkt und durch „flexible, bedarfsgerechte Angebote“ wie beispielsweise Ruftaxis ergänzt werden. Fliegen soll noch attraktiver werden: die Liberalen wollen die Luftverkehrsteuer komplett streichen sowie die Luftsicherheitsgebühren senken, um die Wettbewerbsbedingungen für europäischen Fluglinien zu verbessern.
AFD: Leugnen des menschengemachten Klimawandels
Die Alternative für Deutschland sieht den Menschen nicht als Verursacher des Klimawandels und hält deshalb alle Maßnahmen zu seiner Begrenzung für unnütz. Die CO2-Abgabe, das Verbrenner-Verbot und EU-Flottenabgabe sowie das Heizungsgesetz möchte sie abschaffen und aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen.
Der Ausbau von Windkraftanlagen und PV-Anlagen soll gestoppt werden. Dagegen will die AfD weiter Braun- und Steinkohle zur Energiegewinnung einsetzen und den Wiedereinstieg in die Kernenergie einleiten. Die Partei setzt sich darüber hinaus für die Reparatur und Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines ein.
Das Auto müsse als wichtigstes Verkehrsmittel vor weiteren Abgaben und Regularien geschützt werden, das betrifft auch ein Tempolimit. Gleichzeitig will die AfD den öffentlichen Nahverkehr stärken, Transitgüter nach Möglichkeit auf die Schiene verlagern und den Luftverkehr durch eine Streichung der Luftverkehrssteuer entlasten.
Die Linke: Neun-Euro-Ticket und Klimageld
Die Linke will den Klimaschutz stärken, indem wieder verbindliche Sektorziele eingeführt werden, speziell bei Verkehr und Wärme. In diesen Bereichen sollen staatliche Förderung und Infrastrukturprogramme die Energiewende voranbringen. Am Kohleausstieg bis 2030 will Die Linke festhalten und in einem nächsten Schritt auch den Abschied von Erdgas planen. Der Energieverbrauch müsse reduziert, die Energieeffizienz gesteigert werden. Die Versorgungsnetze will Die Linke in staatliche Hand überführen, heißt es im Programmentwurf.
Die CO2-Bepreisung belastet aus Sicht der Linken die Menschen, deshalb soll es einen sozialen Ausgleich in Form eines „Klimagelds“ geben. Dessen Höhe veranschlagt die Partei ab Januar 2025 bei 320 Euro. Es soll laufend an die Entwicklung des CO2-Preises angepasst werden. Die Linke kritisiert das Heizungsgesetz als „sozial unausgewogen“ und fordert eine bessere Beratung sowie eine umfassende Förderung von bis zu 100 Prozent der Umbau-Kosten, nach Einkommen gestaffelt.
Die Linke will das Dienstwagenprivileg abschaffen und spricht sich für ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen aus. Um den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu fördern, soll das Neun-Euro-Ticket wieder eingeführt werden und die Pendlerpauschale durch ein Mobilitätsgeld ersetzt werden, das in verschiedenen Verkehrsmitteln eingesetzt werden kann. Inlandsflüge und Privatjets sollen verboten werden, außerdem will die Linke eine Vielfliegersteuer einführen.
BSW: Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream Pipelines
Der Klimawandel sei eine „ernste Herausforderung“, steht im Wahlprogramm des Bündnis Sarah Wagenknecht. Dennoch sei das Ziel, bis 2045 völlig klimaneutral zu werden, „Wunschdenken“. Die Partei will deshalb pragmatisch vorgehen und fossile Energieträger weiter nutzen. Das "Heizungsgesetz" soll gekippt werden.
Das BSW sieht in der teuren Energie ein Problem für die deutsche Wirtschaft und möchte daher den Strom billiger machen. Das soll durch die Verstaatlichung der Netze und die Absenkung der Netzentgelte geschehen. Den Ausbau von Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland sieht das BSW wegen der enormen Kosten kritisch. Stattdessen sollen in Regionen mit hohem Strombedarf regionale Gaskraftwerke gebaut werden. Gleichzeitig soll die Regierung die günstige Gasversorgung durch langfristige Verträge sicherstellen. Dazu zählt explizit auch die Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream Pipelines für russisches Erdgas.
Das Bündnis stellt sich gegen den Bau neuer Kernkraftwerke, ist aber offen für Kernfusion. Auch erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Windkraft und Biomasse sollen ausgebaut und gefördert werden.
Die CO2-Bepreisung soll dagegen abgeschafft werden, weil er die Bürgerinnen und Bürger belaste, ohne dass ihnen eine Alternative zur Verfügung stehe. Im Emissionshandel sieht das BSW ein sinnvolles Instrument, allerdings nicht in seiner jetzigen Form innerhalb der EU. Der Emissionshandel müsse globalisiert oder ausgesetzt werden, da er sonst Wettbewerbsnachteile für Europa bringe.
Im Verkehr betont das BSW die Rolle des Autos als wichtigstes Transportmittel, es müsse technologieoffen und bezahlbar sein. Das Verbrennerverbot soll abgeschafft werden. Ein „Volksleasing“ soll Anreize für den Kauf innerhalb der EU produzierter E-Autos und sparsamer Verbrenner fördern. Gleichzeitig spricht sich das BSW für den Erhalt des Deutschlandtickets und eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs aus.
jk