Bundestagswahl 2025
Wahlprogramme: Migration

Ob Abschiebungen, Grenzkontrollen oder Sachleistungen für Asylbewerber: Kaum ein Thema polarisiert so wie Zuwanderung. Neben der Wirtschaft könnte es wahlentscheidend werden. Wie positionieren sich die Parteien?

    Eine Grafik: Eine Hand zeichnet einen Drahtzaun um eine Menschenmenge herum. Die Grafik soll die Abschottung vor Migranten zeigen.
    Zwischen Willkommenskultur und Abschottung: Im Wahlkampf schärfen die Parteien ihre Positionen zur Migrationspolitik (imago / Ikon Images / Gary Waters)
    Migration spielt neben der Wirtschaft bei der bevorstehenden Bundestagswahl eine große Rolle. Das zeigt der ARD-Deutschlandtrend. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat die Debatte um Zuwanderung und Asyl erneut befeuert. Genauso wie der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Zwischen Abschottung und Offenheit - wie positionieren sich die Parteien? Die meisten fordern einen strengeren Kurs und mehr Kontrolle der Migration. Doch es gibt auch Unterschiede.

    Die Parteien

    CDU/CSU: "Faktischer Aufnahmestopp"

    Die Union strebt laut ihrem Wahlprogramm eine “grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik“ an. Darunter verstehen CDU und CSU, „illegale Migration“ zu stoppen.
    „Wir setzen einen faktischen Aufnahmestopp sofort durch“, lautet das Versprechen. An den deutschen Grenzen sollen diejenigen zurückgewiesen werden, die aus einem anderen EU- oder Schengenstaat einreisen wollen, um einen Asylantrag zu stellen.
    Den Familiennachzug im Falle von subsidiär Schutzberechtigten will die Union aussetzen. Asylbewerber sollen möglichst Sachleistungen statt Geld erhalten.
    Neu ankommenden Flüchtlingen aus der Ukraine wollen CDU/CSU nur noch Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zukommen lassen. Die Menschen sollen schneller in Arbeit gebracht werden als bisher.
    Die Union will zudem Asylverfahren beschleunigen. Um mehr Rückführungen zu ermöglichen, sollen unter anderem mehr sichere Herkunftsländer definiert werden. Für Ausreisepflichtige soll der Grundsatz gelten: „Bett, Brot und Seife“.
    Nach Syrien und Afghanistan will die Union „regelmäßig“ abschieben, vor allem Straftäter und Gefährder. Auf EU-Ebene sollen Asylverfahren in „sicheren Drittstaaten“ erfolgen. Danach wollen die Christdemokraten jährlich ein „begrenztes Kontingent von tatsächlich schutzbedürftigen Menschen“ aus dem Ausland aufnehmen.

    SPD: Eine solidarisch gesteuerte Migration

    Die SPD betont, bereits für mehr geordnete Migration auf den Arbeitsmarkt sowie für eine bessere Kontrolle von Fluchtmigration gesorgt zu haben. Sie verweist auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das 2026 in Kraft treten soll. Generell legt die Partei Wert auf europäische Abstimmung: gemeinsame humanitäre Standards für Geflüchtete und eine solidarisch gesteuerte Migration.
    Die SPD lehnt „Grenzschließungen und Pauschalzurückweisungen an den Binnengrenzen“ ab. Befristete Kontrollen sollen demnach „die absolute Ausnahme“ bleiben. Asylverfahren verspricht sie zu beschleunigen und Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige beizubehalten.
    Bei der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber setzt die SPD auf Freiwilligkeit. Wer sich weigert, für den sieht die Partei „rasche wie konsequente Abschiebungen, insbesondere bei Straftätern“, vor.
    Asylverfahren in Drittstaaten lehnt die SPD ab, Schutzsuchende müssen nach ihrer Auffassung Zugang zu „fairen und rechtsstaatlichen Verfahren in der EU“ erhalten. Die SPD bekennt sich zudem zur Seenotrettung und will Fluchtursachen und Schleuserkriminalität bekämpfen. Sie verspricht, sich für legale Fluchtrouten und humanitäre Aufnahmeprogramme einzusetzen sowie „umfassende Migrationsabkommen“ mit Herkunftsländern zu schließen.

    Grüne: Humanität und Ordnung

    Die Grünen definieren Deutschland in ihrem Wahlprogramm-Entwurf als „Einwanderungsland“: Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften sicherten den Wohlstand und den Wirtschaftsstandort. „Wir wollen eine funktionierende und pragmatische Flucht- und Migrationspolitik, die Humanität und Ordnung verbindet“, so die Grünen.
    Entbürokratisierung soll eine „echte Willkommenskultur“ gewährleisten. Die Grünen betonen, dass Flucht und Arbeitsmigration „grundsätzlich“ zu unterscheiden seien, doch sie befürworten auch den „Spurwechsel“, wo er „sinnvoll“ ist. Sie fordern wirksame Instrumente der Integration.
    Die Partei bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl und zur Genfer Flüchtlingskonvention. Dabei plädiert sie für schnelle und faire Verfahren. Familiennachzug soll bestehen bleiben und Einschränkungen sollen aufgehoben werden.
    Wer nicht bleiben darf, muss laut Programmentwurf „zügig“ wieder ausreisen. Weiter heißt es: „Ausreisepflichtige, die schwere Straftaten begangen haben, müssen nach Verbüßung ihrer Straftaten prioritär zurückgeführt werden.“
    Die Grünen setzen darüber hinaus auf eine gemeinsame europäische Migrationspolitik und eine faire Verteilung von Schutzsuchenden in Europa. Sie bekennen sich zur Seenotrettung. Asylverfahren in Drittstaaten lehnen die Grünen genauso ab wie dauerhafte stationäre Kontrollen der Binnengrenzen. Stattdessen soll es rechtsstaatliche Kontrollen an den Außengrenzen und eine zuverlässige Registrierung der Menschen geben. Mithilfe von „menschenrechtsbasierten Migrationsabkommen“ soll Einwanderung besser geordnet und geregelt werden, so die Grünen.

    FDP: Mehr Einwanderung in den Arbeitsmarkt

    Die FDP will ein „Einwanderungsgesetzbuch aus einem Guss, in dem alle gesetzlichen Grundlagen für Einwanderung und Asyl gebündelt werden“. Grundsätzlich soll Einwanderung in den Arbeitsmarkt leichter werden, auch für „nicht akademische Fachkräfte.“ Schutzsuchende mit Bleiberecht sollen „so schnell wie möglich“ arbeiten dürfen.
    Für anerkannte Flüchtlinge fordert die FDP einen neuen sozialrechtlichen Status mit mehr Arbeitsanreizen und geringeren Sozialleistungen. Statt Geld soll es mehr Sachleistungen geben. Wer ausreisepflichtig ist oder die Feststellung seiner Identität behindert, soll keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. Für gut integrierte Schutzsuchende befürwortet die FDP einen Wechsel in den Arbeitsmarkt.
    Rückführungen sollen auf Bundesebene zentralisiert und beschleunigt werden. Auch Asylverfahren sollen schneller durchgeführt und ebenso in Drittstaaten ermöglicht werden. Zurückweisungen an den deutschen Grenzen will die FDP „modellhaft“ erproben.
    Die Liberalen fordern stärkere EU-Grenzschutzmaßnahmen und mehr Migrationsabkommen. Den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte will die Partei aussetzen. Integration soll durch Wohnsitzauflagen und effektivere Sprachkurse erleichtert werden. Einbürgerungen knüpft die FDP an strenge Bedingungen.

    Linke: Keinerlei Abschiebungen

    Die Linke hat als Leitbild eine Einwanderungsgesellschaft, die Migranten ein gutes Ankommen ermöglichen soll. Abschiebungen, auch von Straftätern, lehnt die Partei ab. Sachleistungen nennt sie „diskriminierend“.
    Geflüchtete sollen ab Tag eins arbeiten dürfen. Nach fünf Jahren soll jeder einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben. Bei unsicherem Aufenthaltsstatus fordert Die Linke effektive Bleiberechtsregelungen.
    Ein Bundesministerium für Migration und Partizipation soll Integration stärken. Das Einwanderungsrecht soll sich nicht mehr an Herkunft und „ökonomischer Verwertbarkeit“ orientieren. Die Linke setzt auf legale Einreisewege. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll nach ihren Vorstellungen aufgelöst und durch ein „ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm“ ersetzt werden.
    Asylverfahren in Drittstaaten lehnt Die Linke ab. Sie betont, dass der Zugang zu Asyl ein Menschenrecht ist und Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen stattfinden müssen. Systematische Binnengrenzkontrollen und Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen sind aus Sicht der Linken „unzulässig“.

    BSW: „Unkontrollierte Migration“ beenden

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert, „unkontrollierte Migration“ zu beenden. Aus Sicht des BSW überfordert diese die Gesellschaft und die Sozialsysteme, zudem sei Migration ein Sicherheitsrisiko. Für Ukrainer und andere Flüchtlingsgruppen mit Schutzstatus müsse der versprochene „Jobturbo“ umgesetzt werden.
    Deutschland brauche bei der Migration für die kommenden Jahre eine „Atempause“, so das BSW. Wer aus einem sicheren Drittstaat einreise, habe kein Recht auf Aufenthalt und damit auch keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und soziale Leistungen.
    Menschen ohne Schutzstatus müssen Deutschland nach Auffassung des BSW „schnell“ verlassen. Recht und Gesetz müssten bei Abschiebungen „endlich wieder“ durchgesetzt werden.
    Für Kriminelle soll es nach dem Willen des BSW keinen Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland geben. Wer „in schwerer Weise“ mit dem Gesetz in Konflikt komme, müsse ausgewiesen oder abgeschoben werden. Ausnahmen bei der Abschiebung will die Partei nur machen, wenn im Herkunftsstaat die Todesstrafe droht.
    Das BSW plädiert dafür, Asylverfahren „nach Möglichkeit“ außerhalb der EU in sicheren Drittstaaten durchzuführen. Mit einer „Neuausrichtung“ der EU-Außen- und Handelspolitik sollen Lebensbedingungen in Herkunftsländern verbessert und damit Fluchtursachen reduziert werden. Dazu zählt das BSW, Wirtschaftssanktionen gegen Länder mit „politisch missliebigen Regierungen“ aufzuheben. Denn vor allem die Bevölkerung vor Ort leide unter Sanktionen.

    AfD: „Gewahrsamszentren“ an der Grenze

    Die AfD will die Migrationspolitik verschärfen und „die unkontrollierte, millionenfache Zuwanderung“ beenden. Die Partei fordert, Kontrollen und Zurückweisungen an der Grenze als „selbstverständliches Recht“ zu etablieren. Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, darf der AfD zufolge in Deutschland kein Asyl beantragen. Flüchtlinge sollen an der Grenze in „Gewahrsamszentren“ gestoppt werden.
    Menschen ohne Bleiberecht will die AfD abschieben. Sie kündigt eine „umfassende Rückführungsoffensive“ an und will insbesondere „ausländische Gefährder, Extremisten und Schwerkriminelle“ in ihre Herkunftsländer oder in aufnahmebereite Drittstaaten „unverzüglich“ abschieben. In Grenznähe und an Flughäfen sollen „Haft- und Gewahrsamsplätze“ ausgebaut werden. Das ursprünglich im Leitantrag noch nicht enthaltene Wort „Remigration“ wurde auf dem AfD-Parteitag in Riesa im Januar 2025 noch ins Programm aufgenommen.
    Asylanträge will die AfD außerhalb Deutschlands stellen und bearbeiten lassen. Asylantragsteller und abgelehnte Asylbewerber sollen gemeinnützig arbeiten, darüber hinaus aber keine Arbeitserlaubnis erhalten. Sozialleistungen für Asylbewerber will die AfD „nach Möglichkeit“ in Sachleistungen umwandeln. Wer ausreisen muss, dessen Unterstützung soll auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ abgesenkt werden.
    Für Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten soll es keinen Anspruch auf Nachzug geben. Dauerhaftes Bleiberecht für anerkannte Asylbewerber will die AfD erst nach zehn Jahren erteilen. Die „qualifizierte Zuwanderung“ von Fachkräften aus Berufsfeldern, in denen in Deutschland ein Mangel herrscht, befürwortet die AfD, will sie aber an strenge Kriterien knüpfen.

    bth