Bundestagswahl 2025
Wahlprogramme: Pflege

Wer pflegt die immer mehr pflegebedürftigen Menschen in Deutschland und wie wird das finanziert? Zur Lösung der Pflegekrise setzen Parteien auf unterschiedliche Wege: Ein Überblick über die Vorschläge, die sie in ihren Wahlprogrammen machen.

    Eine ambulante Pflegefachkraft begleitet einen Bewohner des Betreuten Wohnens mit seiner Gehhilfe durch das Gebäude.
    Eine Pflegerin läuft mit einem Bewohner im Betreuten Wohnen durch das Gebäude. Fachkräfte wie sie fehlen schon heute in Deutschland. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Die deutsche Gesellschaft wird immer älter – und damit steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Schon jetzt sprechen manche von einem Pflegenotstand. Denn bereits heute herrscht Fachkräftemangel in der Pflege und die Pflegekosten steigen stark. In ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2025 setzen die Parteien auf unterschiedliche Strategien, der Pflegekrise zu begegnen: etwa Rückkehroffensiven, um Ex-Pflegekräfte zurückzugewinnen, Anwerbung von Fachkräften im Ausland oder Bürokratieabbau in der Pflege.

    Die Parteien

    SPD: Pflegekosten-Deckel

    Die SPD macht Wahlkampf mit einem Pflegekosten-Deckel: Die hohen Eigenanteile für die Pflegekosten bei der stationären Langzeitpflege sollen reduziert und auf maximal 1000 Euro pro Monat begrenzt werden. Auch die Kosten für die häusliche Pflege sollen entsprechend gedeckelt werden – einen genauen Wert nennt das Wahlprogramm hier aber nicht.
    Damit Pflegebedürftige möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können, will die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz die häusliche Pflege stärken und pflegende Angehörige durch verschiedene Maßnahmen entlasten, etwa eine Familienpflegezeit und ein Familienpflegegeld nach dem Vorbild des Elterngelds. Außerdem will sich die SPD für mehr Beratungs- und Vernetzungsangebote sowie Bürokratieabbau einsetzen, etwa einen vereinfachten Antrag auf Hilfe zur Pflege. Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen sollen ausgebaut werden.
    Die Sozialdemokraten streben an, das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung durch ein gemeinsames Pflegesystem für alle Versicherten zu ersetzen. Als erste Maßnahme auf diesem Weg sollen die privaten Pflegeversicherungen in den Risikostrukturausgleich der gesetzlichen Pflegekassen aufgenommen werden.
    Den Personalnotstand in der Pflege will die SPD durch bessere Arbeitsbedingungen, gute Bezahlung, KI-gestützte Dokumentationsprozesse und eine weltweite Anwerbung von Fachkräften bekämpfen.

    CDU/CSU: Finanzielle und gesundheitliche Vorsorge

    Damit die finanzielle Vorsorge für den Pflegefall bezahlbar bleibt, sprechen sich CDU und CSU für einen Finanzierungsmix aus: gesetzliche Pflegeversicherung, betriebliche Mitfinanzierung, Steuermittel und eigenverantwortliche Vorsorge durch Pflegezusatzversicherungen. Die Union will eine bessere steuerliche Absetzbarkeit der Ausgaben prüfen. Auch gesundheitliche Vorsorge gehört zur Strategie: Um das Pflegesystem zu entlasten, soll Pflegebedürftigkeit durch Prävention und Reha möglichst lange aufgeschoben werden.
    CDU und CSU wollen ein Konzept für eine stabile pflegerische Versorgung in einer alternden Gesellschaft erarbeiten, das die Pflegeversicherung gleichzeitig finanziell stabilisiert. Mittel der Pflegeversicherung sollen bedarfsgerechter eingesetzt werden.
    Die häusliche Pflege und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf soll gestärkt und mit einem Pflegebudget vereinfacht werden. Dieses Budget soll flexibel für pflegerische Leistungen eingesetzt werden können. In neuen Wohn- und Betreuungsformen sollen Pflege- und Betreuungskräfte sowie Angehörige die Versorgung der Pflegebedürftigen gemeinsam übernehmen. Um Doppelstrukturen zu vermeiden, will die Union Medizinischen Dienst und Heimaufsicht eng verzahnen und deren Zusammenlegung prüfen.
    Dem Fachkräftemangel wollen die Unionsparteien mit attraktiven Arbeitsbedingungen entgegenwirken, etwa planbaren Einsatzzeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und neuen Berufsbildern. Außerdem sollen Pflegekräfte im Ausland angeworben und Dokumentationsprozesse vereinfacht werden.

    Bündnis 90/Die Grünen: Rückkehroffensive für mehr Pflegekräfte

    Wer auf Pflege angewiesen ist, soll nach Vorstellung der Grünen Pflege, therapeutische Leistungen oder Unterstützung im Haushalt flexibler nutzen können, etwa durch ein Pflegebudget. Menschen, die Angehörige oder nahestehende Personen pflegen und deshalb weniger arbeiten, sollen eine zeitlich begrenzte finanzielle Unterstützung erhalten. Diese Lohnersatzleistung soll so ausgestaltet sein, dass mehrere Menschen sich die Pflege teilen können. Berufliche Freistellungen sollen vereinfacht werden. Außerdem setzt die Partei auf mehr Angebote zur Tagespflege. Die Bedürfnisse von älteren lesbischen, schwulen, bi, trans, inter und queeren Personen in der Pflege sollen besser berücksichtigt werden.
    Die Grünen streben eine Pflegebürgerversicherung an. Auf diesem Weg soll zunächst ein Ausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung dafür sorgen, dass finanziell besser gestellte Versicherte stärker zur Finanzierung der Pflege beitragen als solche, die nur wenig Einkommen haben. Auch Kapitaleinnahmen sollen zur Finanzierung des Pflegesystems herangezogen werden. So sollen höhere Pflegeversicherungsbeiträge auf Löhne und Gehälter vermieden werden. Die Partei will öffentliche und gemeinnützige Träger in der Pflege stärken und so den Einfluss von Finanzinvestoren auf die Pflegeversorgung begrenzen.
    Ehemalige Pflegekräfte, die den Job wegen Überlastung aufgegeben haben, wollen die Grünen zurückgewinnen: Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, höhere Personalschlüssel, mehr Kompetenzen für den Pflegeberuf und bessere Aufstiegschancen sollen Hunderttausende zur Rückkehr bewegen. Dokumentationspflichten und Bürokratie sollen so weit wie möglich reduziert werden, damit Pflegekräfte mehr Zeit für die zu versorgenden Menschen haben.

    FDP: Weniger Bürokratie, mehr Robotik

    Die FDP will die Finanzierung der Pflege breiter aufstellen. Das System der Pflegeversicherung soll durch eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt werden. Das soll die Beitragssätze für die Pflegeversicherung stabilisieren. Die Partei will mehr Anreize für private Pflegevorsorge setzen sowie und wirbt dafür, betriebliche Pflegevorsorge und Betriebsrente gleich zu behandeln.
    Pflegeanbieter sollen nach Willen der FDP weniger Bürokratie leisten müssen: Sie sollen von doppelten Prüfungen, bestimmten Nachweis- und Dokumentationspflichten sowie übermäßigen Vorgaben befreit werden. Pflegende Angehörige sollen durch eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf entlastet werden. Konkret soll dazu die Kurz- und Tagespflege für pflegebedürftige Menschen ausgebaut werden. Zudem wollen die Freien Demokraten die Situation und besonderen Bedürfnisse pflegender Kinder und Jugendlicher berücksichtigen und mehr niedrigschwellige Beratungsangebote schaffen. Die Partei erwähnt in ihrem Wahlprogramm außerdem, dass Sport Pflegebedürftigkeit vorbeugt.
    Gegen den Fachkräftemangel wollen die Liberalen vorgehen, indem auch aus dem Ausland mehr Pflegefachkräfte gewonnen werden. Dazu sollen die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegekräfte stark vereinfacht werden. Durch digitale Anwendungen, Automatisierung und Robotik soll das Pflegepersonal außerdem entlastet werden.

    AfD: Mehr zu Hause pflegen

    Um weitere Erhöhungen der Pflegeversicherungsbeiträge zu verhindern, will die AfD die beitragsfreie Mitversicherung von Bürgergeldempfängern in Zukunft vollständig aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Durch eine Zusammenführung von Kranken- und Pflegeversicherung, sowie die Vereinfachung der Selbstverwaltungsstrukturen bei Kassenärzten, Krankenhaus-, Rehabilitations- und Pflegedienstleistungen sollen Verwaltungskosten deutlich gesenkt werden. Die AfD spricht sich außerdem gegen Pflegekammern aus.
    Die Partei setzt einen Fokus auf die häusliche Pflege durch Angehörige. Diese soll nach Willen der AfD deutlich höher finanziell honoriert werden. Mehr Familien sollen es sich leisten können, ihre pflegebedürftigen Angehörigen im vertrauten Umfeld zu versorgen. Wenn pflegende Angehörige erkranken oder in den Urlaub fahren, sollen sie durch verbesserte ambulante und befristete stationäre Angebote im Pflegeheim unterstützt werden. Wenn so insgesamt weniger und kürzere Heimbetreuungen anfallen, soll dies die Pflegekassen zusätzlich entlasten.
    Um die pflegerische Versorgung zu garantieren, will die AfD eine bundeseinheitliche, gesetzliche Personalbemessung für alle pflegesensitiven Bereiche einführen. Für die benötigten zusätzlichen Pflegekräfte soll eine angemessene Finanzierung sichergestellt werden.

    Die Linke: Schluss mit Eigenanteilen und Konzern-Pflege

    Die Linke will, dass private Pflegeeinrichtungen in öffentliche Hand überführt werden. Pflegekonzerne sollen aus der stationären Pflege in Heimen herausgedrängt werden.
    Finanziert werden soll die Pflege im Solidarsystem. Die Linke will auf alle Einkommen Beiträge erheben, auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten. Die Beitragsbemessungsgrenze soll wegfallen. Die bisherigen Eigenanteile sollen kurzfristig gesenkt und gedeckelt und langfristig durch eine Pflegevollversicherung abgeschafft werden. Diese soll sämtliche pflegerische Leistungen abdecken.
    Für die häusliche Pflege fordert die Linke mehr finanzielle Unterstützung und Entlastungsangebote. Beim ersten familiären Pflegefall sollen alle Beschäftigten Anspruch auf sechs Wochen Freistellung bei vollem Lohnausgleich haben. Weiterhin sollen alle pflegenden Angehörigen Geldleistungen und Rentenpunkte erhalten. Zusätzlich sollen eine wohnortnahe, professionelle Tages- und Kurzzeitpflege sowie unbürokratisch zugängliche Entlastungsangebote zur Verfügung stehen.
    Für die Beschäftigten in der Pflege streben die Linken flächendeckende Entlastungstarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen an. Dem Fachkräftemangel wollen sie mit der Rückanwerbung von ausgeschiedenen Pflegekräften und einer Ausbildungsoffensive begegnen. Die Partei spricht sich für eine gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung aus. Die prekären Arbeitsverhältnisse der „24-Stunden-Betreuung“ in Privathaushalten durch ausländische Pflegekräfte will sie regulieren: Auch für diese Beschäftigten sollen Sozialversicherungsschutz, gesetzliche Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und Mindestlohn gelten.

    BSW: Pflegevollversicherung und das Comeback der Kinderkrankenpflege

    Das BSW betont, dass es in der Pflege vor allem um die Sicherung einer guten Versorgung gehen sollte – und spricht sich gegen eine Pflegepolitik aus, die Pflegeheime betreibenden Finanzinvestoren hohe Gewinne beschert. Die Partei will sich für bezahlbare, deutlich sinkende Eigenanteile für Pflegeheimbewohner einsetzen. Sie fordert eine Pflegevollversicherung, die überwiegend aus Steuermitteln finanziert werden soll.
    Dem Fachkräftemangel will das Bündnis Sahra Wagenknecht mit der Ausbildung von mehr Pflegepersonal und einer besseren Bezahlung in der Pflege entgegenwirken. Die abgeschaffte Ausbildung zur Kinderkrankenpflege soll nach Plänen der Partei wieder aufgenommen werden. Außerdem möchte sie die stationäre Pflege so fördern, dass Pflegeheimbewohner diese Lebensphase in Würde verbringen können.

    jfr