Die Rentenpolitik betrifft junge Beitragszahler ebenso wie Rentner, die auf eine sichere Altersvorsorge angewiesen sind. Dennoch spielt sie im Wahlkampf eine überraschend geringe Rolle – obwohl fast jeder vierte Deutsche über 65 ist und viele Ältere unter Armut leiden.
Von „Rente mit Bürgerfonds“ (Grüne) über eine „Solidarische Mindestrente“ (Linke) bis hin zu kapitalgedeckten Modellen (FDP) und Österreich als Vorbild (BSW) – die Ansätze sind vielfältig. Doch ein gemeinsames Problem bei den großen Parteien bleibt: die Finanzierung, wie eine aktuelle Analyse des ifo-Instituts zeigt.
Inhalt
- SPD: „Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab“
- CDU/CSU: Rentenpläne auf Wachstum gebaut
- Bündnis 90/Die Grünen: Rente mit Bürgerfonds
- FDP: „Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente“
- AfD: 70 Prozent Rentenniveau – mit riskanter Finanzierung
- Die Linke: Solidarische Mindestrente
- BSW: Österreich als Vorbild
SPD: „Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab“
Die Partei von Olaf Scholz will das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft bei mindestens 48 Prozent sichern – ein Ziel, an dem bereits die Ampel scheiterte. Die SPD warnt vor einer Rentenkürzung, da die Stabilisierung des Rentenniveaus zum 1. Juli 2025 ausläuft. Doch das ifo-Institut kritisiert, dass die Kosten der Alterung so allein der erwerbstätigen Generation aufgebürdet werden.
Auch ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll weiterhin möglich bleiben, gerade für Menschen, die früh ins Berufsleben gestartet sind. „Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab“, heißt es im Wahlprogramm. Wie andere Parteien will die SPD die betriebliche und private Vorsorge stärken. Die private Vorsorge soll dabei nur staatlich gefördert werden, wenn sie transparent und kostengedeckelt ist – mit Fokus auf kleine und mittlere Einkommen.
Für Menschen, die nach dem Renteneintritt weiterarbeiten, soll mehr Flexibilität geschaffen werden. Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung sollen direkt an diese Beschäftigten ausgezahlt werden: Sie können zwischen monatlichen Rentenzuschlägen oder einer Einmalzahlung wählen. Außerdem sollen alle Erwerbstätigen, einschließlich Selbstständiger, in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.
CDU/CSU: Rentenpläne auf Wachstum gebaut
Am Renteneintrittsalter und der Rente nach 45 Versicherungsjahren soll laut Union nicht gerüttelt werden. Das Rentenniveau soll stabil bleiben - allerdings nicht gesetzlich fixiert, sondern „durch wirtschaftliches Wachstum garantiert“. Offen bleibt aber, wie das Rentenniveau bei wirtschaftlichen Krisen oder ausbleibendem Wachstum gesichert werden soll. Das ifo-Institut kritisiert die Rentenpläne der CDU/CSU außerdem als kurzfristig unzureichend, da Wirtschaftswachstum allein das Finanzierungsproblem nicht löse.
Mit einer sogenannten Aktivrente sollen Rentner freiwillig länger arbeiten können und bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen dürfen. Ein weiterer Punkt ist die "Frühstart-Rente": Für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren zahlt der Staat jeden Monat zehn Euro in eine private, kapitalgedeckte Altersvorsorge ein, damit früh ein Startkapital für die Rente entsteht.
Auch eine verbindliche Altersvorsorge für Selbstständige ist geplant. Und um den Aufbau von Vermögen zu erleichtern, will die Union die Altersvorsorge unterstützen, indem Freibeträge für die Grunderwerbsteuer, Erbschaftssteuer und für das Sparen erhöht werden.
Bündnis 90/Die Grünen: Rente mit Bürgerfonds
Auch die Grünen wollen das gesetzliche Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent halten. Grundlage dafür seien gute Löhne und eine breite Beitragsbasis, erklärt die Partei. Deshalb strebt sie die Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung an, insbesondere durch bessere Erwerbsmöglichkeiten für Frauen, etwa durch gleiche Löhne, gute Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten, ein Rückkehrrecht in Vollzeit und eine gerechte Verteilung von Sorgearbeit. Auch hier bleibt laut ifo-Institut unklar, wie die kurzfristige Finanzierung der Renten sichergestellt werden kann.
Die Partei plant – ähnlich wie die FDP – den Kapitalmarkt zu nutzen, um die Rentenkasse zu stabilisieren und den Anstieg der Beiträge zu bremsen. Ihr Konzept sieht einen sogenannten "Bürger*innenfonds" vor, der durch Darlehen und Eigenmittel des Bundes finanziert wird. Dieser Fonds soll das Alterssicherungssystem gerechter und zukunftsfähiger machen. Er orientiert sich an Nachhaltigkeitskriterien und dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Die Erträge sollen kleine und mittlere Renten stärken, besonders für Frauen und Menschen in Ostdeutschland.
Die Grünen setzen außerdem auf flexible Übergänge in den Ruhestand und Anreize für längeres Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus. Und: Sie wollen Abgeordnete, Beamte und nicht abgesicherte Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Dieser Vorschlag gilt „als ersten Schritt auf dem Weg zu einer Bürgerversicherung.“
FDP: „Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente“
Der Abschnitt zur Rente ist im Vergleich zu den Wahlprogrammen anderer Parteien kürzer gefasst. Die FDP setzt in ihrem Programmentwurf stark auf Aktien. Eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild soll so funktionieren, dass ein kleiner Teil der Rentenbeiträge in einen unabhängigen Fonds fließt. „Eine echte individuelle Aktienrente sorgt sogar wieder für ein steigendes Rentenniveau“, schreibt die FDP.
Die FDP plant außerdem ein Altersvorsorgedepot für die private Altersvorsorge. Dieses Depot wird steuerlich gefördert und soll den langfristigen Vermögensaufbau unterstützen. Auch Selbstständige könnten davon profitieren. Jeder soll selbst entscheiden, wann der Ruhestand beginnt, solange keine Sozialleistungen beantragt werden müssen. „Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente – wer früher geht, bekommt eine niedrigere Rente“, so die FDP.
AfD: 70 Prozent Rentenniveau – mit riskanter Finanzierung
Die AfD will das Rentenniveau dauerhaft auf gut 70 Prozent des Nettoeinkommens anheben. Um die Rentenkasse zu stabilisieren, sollen Politiker und die meisten Staatsbediensteten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Verbeamtungen will die AfD auf Personen mit hoheitlichen Aufgaben beschränken. Außerdem plant sie, alle nicht durch Beiträge gedeckten Leistungen aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren und höhere Rentenbeiträge durch Steuersenkungen für Beschäftigte und Unternehmen auszugleichen.
Die Partei schlägt ein flexibles Renteneintrittsalter vor und fordert eine abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. Weitere Maßnahmen umfassen steuerliche Anreize für Rentner und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Das ifo-Institut sieht die Rentenpläne der AfD kritisch. Allein die Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 Prozent würde eine Umschichtung der Rentenfinanzierung bewirken und das bestehende Finanzierungsproblem verschärfen. Auch die geplante Finanzierung über einen höheren steuerfinanzierten Bundeszuschuss gilt als kritisch. Das Fazit des ifo-Instituts: Die AfD-Pläne belasten die Rentenkasse, ohne eine nachhaltige Lösung zu liefern.
Linke: Solidarische Mindestrente
Die Linke will das Rentenniveau auf 53 Prozent anheben und die Beitragsbemessungsgrenze verdoppeln. Menschen mit bestehenden Riester-Verträgen und ähnlichen Zusatzrenten sollen diese in die gesetzliche Rente überführen können. Außerdem sollen Betriebsrenten eingeführt werden, die mindestens zur Hälfte von den Arbeitgebern finanziert werden.
Alle Erwerbstätigen, einschließlich Beamte, Selbstständige, Freiberufler, Manager und Abgeordnete sollen in eine einheitliche Erwerbstätigenversicherung einzahlen.
Die niedrigen Rentenansprüche von Niedrig- und Geringverdienenden, Erwerbslosen, Erziehenden und Pflegenden sollen aufgewertet, und die Renten in Ostdeutschland sollen bis 2030 an das Niveau in Westdeutschland angeglichen werden. Die Linke lehnt die Rente mit 67 ab und fordert stattdessen eine Regelaltersgrenze von 65 Jahren, wobei Menschen nach 40 Jahren Arbeit und Beitragszahlung bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können.
Die Partei fordert eine „Solidarische Mindestrente“ - für Menschen, die aufgrund von Erwerbslosigkeit, Teilzeit oder niedrigen Löhnen keine auskömmliche Rente erhalten. Die Mindestrente soll mindestens die Armutsrisikogrenze von derzeit etwa 1.400 Euro erreichen und durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie einen Mietzuschuss in teuren Wohnregionen ergänzt werden.
BSW: Österreich als Vorbild
Ähnlich wie die Linke fordert das BSW eine Mindestrente: von 1.500 Euro nach 40 Versicherungsjahren. Nach 30 Versicherungsjahren soll die Mindestrente bei 1.300 Euro und nach 15 Jahren bei 1.200 Euro liegen. Die Partei will außerdem die Rentenversicherung nach österreichischem Vorbild reformieren: Alle Berufstätigen, einschließlich Politiker, sollen demnach verpflichtend in die gesetzliche Rente einzahlen.
Die Rente soll mindestens 75 Prozent des Nettoeinkommens aus dem Arbeitsleben betragen. Da Deutschland heute weniger Geld für Renten ausgibt als vor zehn Jahren, obwohl es mehr Rentner gibt, sollen die Renten zunächst um 120 Euro im Monat erhöht werden, um die Inflation auszugleichen. Die gesetzliche Rente soll gestärkt und private Vorsorge nicht weiter gefördert werden, da sie sich viele nicht leisten können. Kürzungen wie der Riester-Faktor sollen abgeschafft werden.
Wer 45 Jahre gearbeitet hat, soll mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Ein höheres Rentenalter lehnt die Partei ab, ebenso wie Spekulationen mit Renten an der Börse oder unbezahlte Karenztage bei Krankheit.
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