![Eine Person hält mehrere 50 Euro Scheine in der Hand Eine Person hält mehrere 50 Euro Scheine in der Hand](https://bilder.deutschlandfunk.de/fa/e0/21/ee/fae021ee-6650-4d30-8f97-7c078b6e3d2f/steuern-steuerplaene-finanzen-100-1920x1080.jpg)
Schaut man sich die steuerpolitischen Verheißungen der Parteien für die bevorstehenden Bundestagswahlen an, werden sich viele erst einmal die Augen reiben. Noch im November zerbrach die Ampelkoalition am Streit um die Finanzierung des Haushalts 2025. Gleichzeitig herrscht breiter Konsens über einen gigantischen Investitionsstau: Brücken, Schulen, Straßen, die schleppende Digitalisierung der Behörden oder eine chronisch unterfinanzierte Bundeswehr – überall besteht dringender Handlungsbedarf.
Doch in den steuerpolitischen Programmen spiegelt sich das nicht unbedingt wider. Stattdessen überbieten sich die Parteien mit Versprechen, wie die Steuerzahler zusätzlich entlastet werden sollen. Dabei unterscheiden sich die Konzepte von Union, SPD, Grünen, AfD, Linkspartei und BSW teils erheblich – auch in der Frage, wer am Ende am meisten profitiert. Nicht jede Partei hat ihre Vorschläge bis ins Detail ausgearbeitet, was die Vergleichbarkeit erschwert. An einen Grundsatz aber halten sich alle Parteien: drastische Einschnitte in der Steuerpolitik. Gleichzeitig, so sagt der Ökonom Achim Truger vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gelte auch: „Union und besonders AFD und FDP wollen vor allem höhere und höchste Einkommen stark entlasten und Bezieher unterer und mittlerer Einkommen wenig bis gar nicht“.
Inhalt
- SPD: Höherer Grundfreibetrag, steigende Spitzensteuersätze
- CDU/CSU: Entlastungen für alle - aber mit hohen Kosten
- Bündnis 90/Die Grünen: Vage steuerpolitische Forderungen
- FDP: "Mittelstandsbauch" weg, Soli auch
- AfD: Weniger Steuerstufen und niedrigere Sätze
- Die Linke: Höhere Steuern für Reiche
- BSW: Steuerfreie Basisrente bis 2000 Euro
- Wer profitiert von den Steuerplänen?
- Großzügige Versprechen trotz leerer Kassen
SPD: Höherer Grundfreibetrag, steigende Spitzensteuersätze
Den Grundfreibetrag von derzeit 12.096 Euro, also jene Grenze, ab der überhaupt erst Steuern bezahlt werden müssen, will die SPD (wie übrigens auch die Union) anheben. Grundsätzlich heißt es bei den Sozialdemokraten: „Wir wollen die große Mehrheit der Steuerpflichtigen (über 95 Prozent) entlasten und für mehr Netto vom Brutto sorgen.“ Dazu soll auch der Spitzensteuersatz verschoben werden, den die SPD aber anheben will – von derzeit 42 auf 45 Prozent. Auch der sogenannte Reichensteuersatz soll von derzeit 45 auf 47 Prozent steigen.
CDU/CSU: Entlastungen für alle – aber mit hohen Kosten
Grundsätzlich wollen CDU und CSU alle Einkommensgruppen entlasten. Um die Einnahmeausfälle für den Haushalt in Grenzen zu halten, soll die vorgeschlagene Reform über vier Jahre gestreckt werden. Der Spitzensteuersatz soll erst später bei 80.000 Euro greifen, bislang sind es 68.430 Euro. Den Solidaritätszuschlag, der derzeit nur noch von Spitzenverdienern und Unternehmen gezahlt werden muss, will die Union komplett streichen. Zudem soll der sogenannte Mittelstandsbauch beseitigt werden – also jenes Phänomen, bei dem besonders untere und mittlere Einkommen mit jedem zusätzlich verdienten Euro überproportional steuerlich belastet werden. Beide Maßnahmen wären jedoch extrem teuer.
Bündnis 90/ Die Grünen: Vage steuerpolitische Forderungen
Die Grünen bleiben bei ihren steuerpolitischen Forderungen überraschend vage. Die Stoßrichtung ist jedoch klar: Vor allem untere Einkommen sollen entlastet werden, etwa durch eine Anhebung des Grundfreibetrags. Den Soli will die Partei in den Einkommensteuertarif „integrieren“ – was hohe Einkommen stärker belasten würde. Darüber hinaus sollen niedrige Einkommen von Steuergutschriften profitieren, auch für Alleinerziehende sind gezielte Steuerentlastungen geplant. Spitzenkandidat Robert Habeck hat zudem vorgeschlagen, Kapitaleinkünfte mit Sozialabgaben zu belegen. Dafür gab es scharfe Kritik, zumal die Grünen für diese Idee bislang kein ausgereiftes Konzept vorgelegt haben.
FDP: "Mittelstandsbauch" weg, Soli auch
Auch die Liberalen wollen den sogenannten „Mittelstandsbauch“ durch eine Abflachung des Steuertarifs beseitigen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll zudem später greifen – erst ab einem Einkommen von 96.600 Euro. Außerdem soll der Soli vollständig abgeschafft werden. Den Grundfreibetrag will die FDP um mindestens 1000 Euro anheben, ebenso den Sparerpauschbetrag für Kapitaleinkünfte.
AfD: Weniger Steuerstufen und niedrigere Sätze
Die Alternative für Deutschland verfolgt eine gänzlich andere steuerpolitische Richtung. Wie die Union will auch die AfD den Soli komplett abschaffen. Zudem fordert die Partei einen überarbeiteten Einkommensteuertarif mit weniger Stufen und niedrigeren Steuersätzen. Der Sparerpauschbetrag für Ledige soll von derzeit 1000 Euro auf 6672 Euro deutlich erhöht werden, das bisherige Ehegattensplitting will die AfD in ein Familiensplitting überführen. Gleichzeitig soll es jedoch auch weniger Abschreibungsmöglichkeiten geben.
Die Linke: Höhere Steuern für Reiche
Die Linke will hohe Einkommen steuerlich stärker belasten. Ab einem zu versteuernden Einkommen von 85.000 Euro soll der Steuersatz auf 53 Prozent steigen. Zudem plant die Partei eine „Reichensteuer“ mit zwei Stufen: 60 Prozent für Einkommen über 250.000 Euro und 75 Prozent für Einkommen über 1 Million Euro. Geringere Einkommen sollen hingegen entlastet werden: Wer weniger als 7000 Euro brutto im Monat verdient, soll weniger Steuern zahlen. Zudem soll der steuerfreie Grundfreibetrag auf 16.800 Euro pro Jahr steigen.
BSW: Steuerfreie Basisrente bis 2000 Euro
Auch das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) will den Grundfreibetrag deutlich anheben, orientiert an der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle. Diese lag laut Statistischem Bundesamt 2023 bei knapp 16.000 Euro. Einkommen bis zu 7500 Euro brutto sollen steuerlich entlastet werden – im Gegensatz zu großen Vermögen. Das BSW fordert die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Für Vermögen ab 25 Millionen Euro soll ein Steuersatz von einem Prozent gelten, ab 100 Millionen zwei Prozent und ab 1 Milliarde drei Prozent. Rentner sollen deutlich besser gestellt werden: Eine Basisrente von bis zu 2000 Euro im Monat soll ohne weitere Einkünfte steuerfrei bleiben. Als Inflationsausgleich sollen zudem alle Renten in einem ersten Schritt um 120 Euro pro Monat steigen.
Wer profitiert von den Steuerplänen?
Längst haben Wirtschaftsforschungsinstitute die verschiedenen steuerpolitischen Vorschläge analysiert, darunter das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Beide kommen in der Tendenz zu übereinstimmenden Ergebnissen.
So würde die FDP die Bürger am stärksten entlasten – ausgerechnet jene Partei, die sich vehement für solide Staatsfinanzen und die strikte Einhaltung der Schuldenbremse einsetzt. Das ZEW beziffert die Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen auf rund 116 Milliarden Euro, das DIW auf fast 98 Milliarden Euro allein bei der Einkommenssteuer. Unter dem Strich profitieren vor allem Besser- und Spitzenverdiener von den steuerpolitischen Vorschlägen – nicht zuletzt durch die Streichung des Soli. Dieser Effekt zeigt sich auch bei der AfD sowie der Union. Das ZEW taxiert die Steuerausfälle durch die AfD-Vorschläge auf fast 97 Milliarden Euro, bei der Union wären es immerhin noch knapp 47 Milliarden Euro.
FDP und Union argumentieren, dass ihre Entlastungspläne das Wirtschaftswachstum ankurbeln würden. Der Einwand ist berechtigt, jedoch zeigen die Berechnungen der Wirtschaftsexperten, dass die zusätzlichen Wachstumsimpulse die Steuerausfälle bei weitem nicht kompensieren könnten. Deutlich geringer wären die Einnahmeverluste bei SPD, Grünen, Linkspartei und BSW. Dies liegt vor allem daran, dass diese Parteien große Vermögen stärker besteuern und Entlastungen auf mittlere und kleine Einkommen begrenzen wollen. Allerdings variiert die Definition von „reich“ je nach Partei erheblich.
Letztlich könnte der Staat nach Berechnungen des ZEW bei den Steuerkonzepten von SPD, Grünen, BSW und Linkspartei sogar auf Mehreinnahmen hoffen – etwa eine Milliarde Euro mehr bei den Sozialdemokraten, bei den Linken sogar rund 46 Milliarden Euro.
Großzügige Versprechen trotz leerer Kassen
Wahlkampfprogramme sind keine Koalitionsvereinbarungen. Stattdessen geht es den Parteien zunächst darum, mit attraktiven Angeboten um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler zu werben. Dass diese nicht auf den letzten Euro und Cent durchgerechnet sind, ist nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort im internationalen Vergleich erheblich unter Druck geraten ist.
Eine Studie der Industrieländerorganisation OECD aus dem vergangenen Jahr nennt dabei auch die vergleichsweise hohen Steuern und Sozialabgaben als Belastungsfaktoren. Dennoch fallen einige steuerpolitische Wahlprogramme überraschend großzügig aus – trotz knapper Kassen, die maßgeblich zum Sturz der letzten Regierung beigetragen haben, und eines enormen öffentlichen Investitionsbedarfs. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob gerade Gut- und Spitzenverdiener angesichts des ohnehin schon hohen Einkommensgefälles in Deutschland zusätzlich entlastet werden müssen. Die Antwort darauf wird – nach dem Wählervotum am 23. Februar – die nächste Koalitionsregierung geben müssen. Eines aber zeichnet sich bereits ab: Auch in der Steuerpolitik wird am Ende ein Kompromiss stehen.