Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein großer Dienst an der Demokratie in Deutschland. Es zollt dem Willen der Berliner Wählerinnen und Wähler vom 26. September 2021 Respekt und gibt dieses Wählervotum nicht leichtfertig auf. Es fordert keine komplette Neuwahl.
Zugleich hat sich das Gericht im Detail den Fehlern gewidmet, die bei der Wahl passiert sind. Wie keine andere Institution in den gut zwei Jahren seit der chaotisch verlaufenen Wahl hat sich das Bundesverfassungsgericht auf die Analyse der Wahlfehler im einzelnen in 2.257 Wahlbezirken eingelassen. Das verschafft dem Urteil besondere Legitimität und Bedeutung.
Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben nachgeholt, worum sich der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags in erster Instanz gedrückt hat. Sie haben die Niederschriften über das Wahlgeschehen aus den einzelnen Wahlbezirken genau gelesen und ausgewertet.
Dabei kamen sie zu einem Ergebnis, das den Untersuchungen des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags ähnelt. In 455 Wahlbezirken muss der Bundestag in Berlin neu gewählt werden. Der Bundestagsausschuss, die erste Instanz in dieser Wahlüberprüfung, war auf 431 Wahlbezirke gekommen, in denen es gravierende Wahlfehler gegeben hatte.
Parlamentsausschuss hatte auf Detailprüfung verzichtet
Auch weil der Parlamentsausschuss darauf verzichtet hatte, die Wahlniederschriften im einzelnen zu durchforsten, erschien der Bundestagsbeschluss am Ende, als sei er politischen Absichten entsprungen. Er sicherte die gegenwärtigen Machtverhältnisse und bedeutete Stabilität für die Ampelregierung.
Ebenso erschien die Anfechtung des Bundestagsbeschlusses vor dem Bundesverfassungsgericht nicht wirklich, als sei sie an der Sache orientiert. Vielmehr folgten CDU und CSU ihrem Interesse, mit der Wiederholungswahl möglichst große Verschiebungen zu ihren Gunsten herbeizuführen.
Jenseits der politischen Interessen haben die Karlsruher Richter eine objektivere Grundlage zur Beurteilung des Wahlgeschehens geschaffen. Zudem haben sich die Richterinnen und Richter mit der Frage beschäftigt, was eigentlich ein Wahlfehler ist.
Mit Blick auf die überlangen Wartezeiten statuierten die Verfassungsrichter, unzulässig sei eine Wartezeit von mehr als einer Stunde. An diesem Punkt allerdings zeigt sich, dass auch die hochgeachteten Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts an die Grenzen der Objektivierung des Geschehens geraten.
Insgesamt ist ihnen zu danken für dieses Urteil. Sie haben der Demokratie einen hoch zu schätzenden Dienst geleistet.