
Union und SPD könnten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl zusammen regieren. CDU/CSU und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz kommen nach Auszählung aller Wahlkreise auf zusammen 28,6 Prozent. Die SPD bricht auf 16,4 Prozent und damit auf ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik ein.
In allen ostdeutschen Bundesländern kam die AfD als stärkste Kraft durchs Ziel, bundesweit kam sie auf 20,8 Prozent der Stimmen. Eine Koalition mit der AfD hat die Union ausgeschlossen. Die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ziehen nicht in den Bundestag ein.
CDU/CSU: Stärkste Partei
Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, bleibt unter 30 Prozent. Dieses eher schwache Wahlergebnis macht nicht nur die Regierungsbildung schwieriger, sondern dürfte auch zu parteiinternen Debatten führen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte Mitte Februar noch gesagt, die Union müsse „deutlich über 30 Prozent“ kommen.
Merz steht nun vor der schwierigen Aufgabe, angesichts des komplizierten Wahlergebnisses eine Koalition zu bilden. Es dürfte nicht einfach sein, die bei der Wahl abgestraften Sozialdemokraten als Juniorpartner zu gewinnen. Bürgergeld, Rente, Mindestlohn – gerade in der Sozialpolitik gibt es große Differenzen zwischen Union und SPD. Auch die Schuldenbremse ist ein kontroverses Thema. Mehrere CDU-Politiker erwarten aber, dass die SPD auf jeden Fall in eine Regierung mit der Union eintreten wird.
Einer Zusammenarbeit mit der AfD erteilte CDU-Chef Merz erneut eine klare Absage und warf der Partei eine zu große Russlandnähe vor. Deutlich machte Merz zugleich, dass Europa unabhängiger von den USA werden müsse. Merz will Mitte März mit Sondierungsgesprächen beginnen. Er betonte das Ziel, bis Ostern eine Regierung zu bilden.
Angesichts der Wirtschaftskrise forderten Vertreter der Wirtschaft Tempo bei den Gesprächen und schnelle Reformen.
AfD: Rekordergebnis ohne Koalitionsoption
Die AfD ist erstmals in ihrer Geschichte zweitstärkste Kraft bei einer Bundestagswahl geworden. Die Partei erreichte ein Rekordergebnis von 20,8 Prozent. In allen ostdeutschen Bundesländern kam sie als stärkste Kraft durchs Ziel. Kanzlerkandidatin Alice Weidel forderte sofort nach Schließung der Wahllokale zum wiederholten Male eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei. Auch wenn CDU-Chef Merz sein Versprechen einhält, auf keinen Fall mit der AfD zu koalieren, könnte der politische Einfluss der Rechtsaußen-Partei weiter steigen. Die AfD dürfte weiter versuchen, die Union unter Druck zu setzen.
Abzuwarten bleibt, ob Merz wie jüngst beim Thema Asyl und Migration erneut Anträge ins Parlament einbringt, die eine Mehrheit mit AfD-Stimmen im neuen Bundestag erzielen könnten. Die AfD wird erneut versuchen, einen Vizepräsidenten im Bundestag zu stellen - bisher ist sie damit immer an der Mehrheit im Parlament gescheitert. Die AfD ist laut Verfassungsschutz ein rechtsextremer Verdachtsfall. Mehr als 100 Abgeordnete der anderen Parteien wollen ein Verbotsverfahren gegen die AfD.
SPD: Historisch schlechtes Abschneiden
Für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik. Erstmals wurde mit Olaf Scholz ein SPD-Kanzler nach nur einer Amtszeit abgewählt.
Scholz hat angekündigt, bis zur Wahl eines neuen Kanzlers geschäftsführend im Amt bleiben zu wollen, wie im Grundgesetz vorgesehen. An Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung wolle er aber nicht teilnehmen Am Wahlabend hielt er eine Rede im Willy-Brandt-Haus, die nach Abschied klang. Er gratulierte CDU-Chef Merz und räumte die schwere Niederlage ein.

SPD-Co-Chef Lars Klingbeil dürfte der neue starke Mann der Sozialdemokraten werden. Er kündigte an, neben dem Parteivorsitz auch den Vorsitz der Bundestagsfraktion anzustreben. Der bisherige Amtsinhaber Rolf Mützenich kündigte seinen Rückzug an. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius könnte eine wichtige Rolle einnehmen.
Einfach dürften mögliche Koalitionsgespräche nicht werden, zumal die Distanz zwischen SPD und Merz seit der Debatte über die „Brandmauer“ zur AfD im Bundestag im Wahlkampf größer geworden ist. Außerdem ist denkbar, dass die SPD-Basis einem möglichen Koalitionsvertrag erst per Mitgliederentscheid zustimmen muss. Ein Machtfaktor sind die im Bundestag dezimierten Sozialdemokraten weiterhin, auch weil sie im Bundesrat stark vertreten sind. Die SPD ist an 12 von 16 Landesregierungen beteiligt.
Grüne: Habeck zieht sich zurück
Robert Habeck ist als Kanzlerkandidat gescheitert. Die Grünen rutschten auf 11,6 Prozent ab und verfehlten damit ihre Wahlziele weit - verloren von den ehemaligen Ampel-Parteien aber am wenigsten. Robert Habeck kündigte an, keine führende Rolle in den Personaltableaus der Partei mehr anzustreben.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, will dagegen auch künftig in der Spitze ihrer Fraktion mitwirken. „Ich werde für den Fraktionsvorstand zur Verfügung stehen“, sagte Haßelmann. Erfahrung werde jetzt gebraucht. Sie betonte, Habeck habe einen guten Wahlkampf gemacht und sei mit dafür verantwortlich, dass die Grünen seit dem Bruch der Ampel-Koalition rund 42.000 neue Mitglieder gewonnen hätten. Am 26. Februar kommen die neu gewählten Grünen-Abgeordneten erstmals zusammen.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will nach dem Ende seiner Amtszeit nach Baden-Württemberg zurückkehren. Özdemir, der im schwäbischen Bad Urach geboren wurde, ist designierter Spitzenkandidat der Grünen für die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg.
Linke: Erfolgreiches Comeback
Die Linke legte deutlich zu und erreichte 8,8 Prozent. Damit schafft die Partei, die Ende 2024 in Umfragen noch bei drei bis vier Prozent gelegen hatte, ein bemerkenswertes Comeback. Gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern schnitt die Partei stark ab.
Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, die im Wahlkampf zum Social-Media-Star geworden war, zeigte sich „unfassbar glücklich“. Es sei richtig gewesen, sich auf das Thema Soziales zu konzentrieren. Man werde auch künftig für bezahlbaren Wohnraum und ein gerechtes Steuersystem eintreten.
Bei der Regierungsbildung spielt die Linke aber keine Rolle. Reichinnek hatte auch immer wieder erklärt, dass man eine starke Opposition sein wolle.
FDP: Desaster für die Liberalen und Lindner
Zum zweiten Mal nach 2013 scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Ex-Finanzminister Christian Lindner kündigte am Wahlabend an, „aus der aktiven Politik“ auszuscheiden. Nun muss sich die FDP einen neuen Vorsitzenden suchen. Zwei Namen, die immer wieder gehandelt werden: Konstantin Kuhle und Johannes Vogel, beides bisherige Bundestagsabgeordnete vom eher sozialliberalen Flügel.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki erwägt, für den Chefposten seiner Partei zu kandidieren. Auch die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann steht bereit, wie sie eine großen deutschen Tageszeitung sagte.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki erwägt, für den Chefposten seiner Partei zu kandidieren. Auch die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann steht bereit, wie sie eine großen deutschen Tageszeitung sagte.
In jedem Fall muss sich die FDP nun in der außerparlamentarischen Opposition neu aufstellen. Die Partei muss über Länder und Kommunen neu aufgebaut werden, falls die Liberalen nicht von der politischen Bühne verschwinden wollen. Im Mai kommt die FDP zu ihrem nächsten Bundesparteitag zusammen.
Zunächst jedoch dürfte es bei den Liberalen harte innerparteiliche Debatten über die Ursachen des Absturzes geben. Lag es am Ampel-Aus, das die Freien Demokraten mit einem umstrittenen „D-Day“-Papier angeblich gezielt vorbereitet hatten? Oder war es ein Fehler, überhaupt gemeinsam mit SPD und Grünen zu regieren und dabei viele Kompromisse (Bürgergeld, Mindestlohn) zu machen, die FDP-Stammwähler verschreckten?
BSW: Durchstarten oder Karriere-Aus für Wagenknecht?
Ganz knapp verpasste das BSW mit 4,972 Prozent den Einzug in den Bundestag. Die neue Partei hatte bei der Europawahl 2024 und bei drei ostdeutschen Landtagswahlen Erfolge feiern können.
Parteigründerin Wagenknecht kündigt nun eine juristische Prüfung des Ergebnisses der Bundestagswahl an. Sie verwies auf Probleme bei der Briefwahl für im Ausland lebende Deutsche. Nur ein Bruchteil von ihnen habe an der Abstimmung teilnehmen können. Zu ihren persönlichen Plänen äußerte sich Wagenknecht nicht. Vor der Wahl hatte sie gesagt, diese sei auch eine Abstimmung über ihre politische Zukunft.
Völlig offen ist nun, wie es mit der nach Wagenknecht benannten Partei weitergeht, die nur eine kleine Anzahl von handverlesenen Mitgliedern aufgenommen hatte. Das BSW ist in Brandenburg und in Thüringen an den Landesregierungen beteiligt. Parteichefin Mohamed Ali sagte am Wahlabend: „Wir machen in jedem Fall weiter.“
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