Bundestagswahl
Wie die Parteien den CO2-Preis fairer machen wollen

Mit dem Anfang 2021 eingeführten CO2-Preis sollen Anreize zu umweltfreundlicherem Handeln geschaffen werden. Klimaschutz ist im aktuellen Bundestagswahlkampf ein zentrales Thema. Aber was planen die Parteien mit dem CO2-Preis? Wie wollen sie einer unausgeglichenen Belastung entgegenwirken?

Von Ann-Kathrin Büüsker |
Heizungsthermostat mit CO2-Preisschild
Seit Januar 2021 sind Benzin, Diesel, Heizöl und Gas teurer geworden - wegen des eingeführten CO2-Preises (picture alliance / dpa - Christian Ohde)
Eine Verbesserung des Klimaschutzes versprechen - abgesehen von der AFD - alle im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen. Ein zentrales Element für mehr Klimaschutz: der CO2-Preis. Im Januar 2021 wurde in Deutschland der nationale CO2-Preis auf Wärme und Verkehr eingeführt. Er verteuert beispielsweise Sprit um etwa acht Cent pro Liter und soll bis 2025 jährlich steigen.
Warum ist der CO2-Preis ein zentrales Element beim Klimaschutz?
Das liegt an der Lenkungswirkungen: Durch Teuerung fossiler Energieträger soll Bürgerinnen und Bürgern ein Anreiz zum Umsteigen auf umweltfreundlichere Alternativen gegeben werden. Der EU-Emissionshandel im Bereich Energie zeigt zum Beispiel, dass das funktioniert: Da liegt der Preis in den letzten Monaten stabil bei um die 50 Euro pro Tonne - mit der Wirkung, dass Kohlestrom zunehmend unrentabel ist. Außerdem sehen die Klimapläne der EU-Kommission entsprechend vor, ab 2026 einen Europäischen Handel für die Sektoren Wärme und Verkehr einzuführen, was derzeit national geregelt wird.
Problematisch ist aber, dass der nationale Preis derzeit vor allem von Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Unternehmen können sich aufgrund der Carbon-Leakage-Verordnung die Kosten teilweise vom Staat erstatten lassen, bekommen also Kompensation zum Schutz ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
DIW-Ökonomin Claudia Kemfert: "Der CO2-Preis ist kein Allheilmittel", im Dlf-Interview vom 2.9.21.
Wie soll sich der CO2-Preis künftig entwickeln?
Das Brennstoffemissionshandelsgesetz sieht einen Steigerungspfad des CO2-Preises bis 2025 vor. Dann soll der Preis pro Tonne CO2 bei 55 Euro liegen. Das heißt: Fossile Brennstoffe werden ab jetzt jedes Jahr teurer. Wer sich ein neues Auto oder eine neue Heizung zulegen möchte, sollte dies in die Überlegung miteinbeziehen. Ab 2026 ist geplant, dass sich der CO2-Preis dann am Markt bildet. Das könnte zu erheblichen Preissteigerungen führen.
Die Grünen wollen den Preisanstieg beschleunigen – und eher auf 60 Euro pro Tonne erhöhen. Auch die Union will die Bepreisung straffen, wie es im Wahlprogramm heißt, ohne dass die CDU/CSU konkrete Zahlen nennt. Die FDP wiederum will einen CO2-Limit einführen und einen Preis für CO2, der sich am Markt bildet. Die Partei sagt aber nicht, wo das Limit liegen soll, definiert also kein Restbudget. Ein strenges CO2-Limit würde kurzfristig wohl erhebliche Preissteigerungen und dann auch entsprechende Belastungen mit sich bringen. Diese Belastungen sind auch ein Grund, warum die SPD bei Preissteigerungen zurückhaltend ist, den bisher vorgesehenen Preispfad beibehalten will. Die Linke wiederum lehnt das Konzept ab, will Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Die Partei kritisiert, dass vor allem Menschen dadurch belastet würden und nicht Unternehmen, die für einen großen Teil des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind.
Der Präsident des Bundesumweltamtes, Dirk Messner, am 21.4.2021 in Berlin
Umweltbundesamt: Ohne höheren CO2-Preis wird Klimaschutz noch teurer
Nach Ansicht des Präsidenten des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, muss der CO2-Aufschlag auf Kohle, Öl und Gas deutlich steigen, um eine Lenkungswirkung in Richtung Klimaschutz zu entfalten.
Welche sozialen Folgen hat der CO2-Preis?
Eine Belastung durch den CO2-Preis für Bürgerinnen und Bürger lässt sich nur bedingt vermeiden. Es ist gewollt, dass fossile Energieträger teurer werden, damit die Menschen auf andere Technologien umsteigen. Aber gerade in dieser Übergangsphase, wo umweltfreundlichere Alternativen noch rar und vor allem teuer sind, kommt es zu sozialen Härten. Wer wenig Geld zur Verfügung hat, der gibt seine finanziellen Mittel für grundlegende Dinge wie zum Beispiel Strom und Mobilität aus. Wenn diese Dinge teurer werden, dann macht sich die Preissteigerung verhältnismäßig stark bemerkbar und es bleibt weniger Geld im Portemonnaie.
Bundestagswahl 2021 - zum Dossier
Das Wichtigste zur Bundestagswahl im Überblick (Deutschlandradio / imago images / Alexander Limbach)
Wie versucht die Politik ungerechte Belastungen auszugleichen?
Stromkosten
Beispielsweise über die Stromkosten versucht die Politik, der Belastung durch den CO2-Preis entgegenzuwirken. So wurde die EEG-Umlage 2021 gesenkt. Davon profitieren auch Niedrigverdienende, bei denen die Stromkosten einen hohen Teil der Ausgaben ausmachen. In den aktuellen Wahlprogrammen wollen die Grünen die Umlage weiter senken, die SPD, die Union, die FDP und die AfD die Umlage streichen. Finanziert wird dies zum Teil aus den Einnahmen aus dem CO2-Preis.
Heizkosten
Die SPD hat zudem gefordert, die CO2-Kosten von Heizkosten zwischen Mietern und Vermietern aufzuteilen, um Mieter zu entlasten. In der aktuellen Legislaturperiode konnte sich die SPD mit ihrem Koalitionspartner Union nicht darauf einigen. Im Wahlprogramm hält sie aber an diesem Vorhaben fest und verspricht gesetzliche Regelungen, sodass der CO2-Preis von den Vermietern getragen werde.
Aktuell verpufft bei den Heizkosten die gewünschte Lenkungswirkung des CO2-Preises völlig, weil Vermieter keinen zusätzlichen Anreiz haben, ihre Heizungen umzustellen. Sie geben die Kosten einfach an die Mieter weiter. Auch das fördert soziale Härten.
Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
"Der Union ist die Immobilienlobby an dieser Stelle wichtiger"
Für mehr Klimaschutz sei es wichtig, dass der CO2-Preis langsam verlässlich steige, sagte Bundesumweltministerin Schulze im Dlf. Die SPD-Politikerin kritisierte das Verhalten der Union im Streit um die Heizkosten.
Pendlerpauschale
Aus der Union kommt immer wieder die Forderung, die Pendlerpauschale zu erhöhen und damit Kosten des CO2-Preises abzufedern. Hiervon profitieren Personen mit einem weiten Fahrtweg zur Arbeit, also tendenziell auf dem Land lebende Menschen.
Rückerstattung des CO2-Preis durch Klimaprämie
Durch eine Pro-Kopf-Klimaprämie für alle würde jeder Bürger und jede Bürgerin einen Beitrag aus den Einnahmen des CO2-Preises zurückbekommen. 2019 hat das Umweltministerium beim Beschluss des Gesetzes ein Gutachten erarbeiten lassen, dies beurteilt eine solche Prämie als eine sehr gute Entlastung. Denn durch diese Rückerstattung merken die Menschen, dass sich CO2 sparen auch finanziell lohnt.
Alle bekommen aus dem Klimatopf die gleiche Prämie, wer aber viel CO2 ausstößt, zahlt mehr in diesen ein. Wer CO2 einspart, zahlt wenig und erhält so am Ende über die Pro-Kopf-Prämie ein Plus – quasi eine ökologische Umverteilungsmaßnahme.
Auch dazu steht etwas in den aktuellen Wahlprogrammen: Die Grünen wollen eine solche Pro-Kopf-Prämie als Energiegeld einführen, die SPD will diese prüfen und die FDP hat unter dem Begriff "Klimadividende" auch solch eine Idee aufgenommen. Das Problem dabei ist aber: Wie zahlt man das aus? Dazu gibt es weder Vorschläge in den Wahlprogrammen noch eine Grundstruktur. Letztere müsste erst aufgebaut werden und könnte unter Umständen zusätzliche Bürokratie erfordern.

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Können durch den CO2-Preis Bürger tatsächlich zu mehr Klimaschutz bewegt werden?
Unterm Strich führt der CO2-Preis zu Belastungen. Soll er aber auch, denn fossile Energieträger sollen so teuer werden, dass sie sich nicht mehr lohnen.
Die Politik muss sich allerdings etwas einfallen lassen, um die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zum Klimaschutz durch zu hohe Belastungen nicht aufs Spiel zu setzen. Dazu muss sie auch vermitteln, wozu der CO2-Preis dient und wie er funktioniert. Derzeit scheint das vielen Menschen noch gar nicht so bewusst. Damit der Preis auch tatsächlich wirken kann, müssen außerdem umweltfreundlichere Alternativen entwickelt werden, auf die die Menschen umsteigen können – damit der CO2-Preis seine geplante Lenkungswirkung entfalten kann. Ob man Klimaschutz alleine über den CO2-Preis erreichen kann, so wie es die FDP sagt, ist politisch umstritten, die Grünen etwa sind davon überzeugt, dass es auch ordnungspolitische Maßnahmen braucht, etwa ein Verbot für Verbrennungsmotoren.
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(Quellen: Constanze Pilaski, AFP, dpa)