Louisa Dellert ist eine Influencerin, die einen Podcast betreibt, einen Instragram-Kanal und einen Youtube-Kanal hat. In ihren Videos und Posts geht es um Nachhaltigkeit, umweltbewusstes Leben, um Feminismus und um Queer-Feindlichkeit. Darüber spricht sie auch mit Politikern und Politikerinnen, wie etwa Claudia Roth von den Grünen. Dellert sagt, dass sie erst im Laufe der Zeit zu politischen Themen gekommen ist und mit ihrer Community diskutiert hat. "Und halt gemerkt habe: Krass, denen geht es so wie mir, viele haben gar keine Ahnung, andere trauen sich nicht, Fragen zu stellen, weil sie Angst haben, dafür ausgelacht zu werden, und deswegen ist es so, dass ich politischer geworden bin und viel darüber spreche."
Und dennoch: Richtige Wahlempfehlungen und regelmäßig auftauchende harte Politikthemen findet man bei deutschen Influencern und Influencerinnen nur selten: Marvin Neumann ist einer von ihnen. Er betreibt einen Youtube-Kanal mit über 60.000 Abonnenten: "Für Euch sind die großen Parteien nichts oder ihr wollt Euch mal informieren, welche Parteien es sonst noch auf dem Parteienmarkt gibt? Dann seid ihr hier genau richtig. In diesem Video stelle ich Euch vier kleine Parteien vor." (O-Ton aus seinem Youtube-Kanal)
Parteien: Keine bezahlten Partnerschaften
Der Politberater Martin Fuchs, der im aktuellen Bundestagswahlkampf keine Partei berät, sagt, dass die Influencer durchaus zur politischen Meinungsbildung von jungen Menschen beitragen können: "Es hat einen Einfluss, wenn man politisch interessiert ist. Das heißt also, diese Multiplikator*innen sind schon nicht uninteressant für Parteien. Man muss aber das Big Picture sehen: Und da sind die jungen Wähler*innen eine vernachlässigbare kleine Gruppe, die nicht ganz entscheidend im Fokus der Parteien steht."
Alle Parteien, die der Deutschlandfunk kontaktiert hat, haben geantwortet, dass sie keinerlei bezahlte Partnerschaften mit Influencern und Influencerinnen haben, wohl aber gab und gibt es Kooperationen bei bestimmten Themen, erzählt die Wahlleiterin der Grünen, Anna Schäfer: "Wir haben schon manchmal Menschen mit höherer Reichweite in unseren Stories Raum gegeben, zum Beispiel bei den Frauentagsvideos oder beim Transsexuellengesetz, das waren aber immer freiwillige Koops, bei denen kein Geld geflossen ist, und die immer thematische Gründe hatten."
Globale Themen im Blick
Martin Fuchs beobachtet ebenfalls, dass Influencer sich selten parteipolitisch positionieren – über allgemeine Einschätzungen gehe es meist nicht hinaus. Es gehe eher um politisch gefärbte Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz, die Rechte von Migranten oder queeren Personen. Für die Zurückhaltung gebe es Gründe: "Es spiegelt aber so ein bisschen die Realität von jungen Menschen wieder, die sich sehr wohl politisch engagieren, auch aktiv sind, die sich aber nicht einer Partei zugehörig fühlen, sondern große globale Themen wie BlackLivesMatter oder den Klimawandel behandeln, von daher ist es eher ein Spiegel der jungen Generation, wie Influencer über Politik reden."
Markus Liedtke, Soziologe und Co-Autor einer Studie zu linken Influencern hierzulande und international, sagt, dass politische Inhalte auf Youtube, Instagram und Co. ohnehin schwierig sind. Als Grund dafür sieht Liedtke, dass die großen Plattformen politische Inhalte weniger vermarkten, es komme also schlicht weniger Geld in die Kassen der Influencer und Influencerinnen, wenn die Inhalte zu politisch seien.
"Das Interessante ist, dass die linken politischen Influencer, die wir in den USA identifiziert haben, häufig dieses Modell umgehen, in dem Sinne auch nicht abhängig sind von Mediennetzwerken, sondern dass sie primär auf Spendenbasis agieren, die werden von ihrer eigenen Community kriegen die halt monatliche Spenden, und das gibt natürlich den Youtubern eine Planungssicherheit, ihre Inhalte fertigzustellen." In Deutschland arbeitet etwa der politische Youtuber Tilo Jung auf Spendenbasis.
Noch mehr Wahlkampf? Beispiel USA
Politberater Martin Fuchs sagt, dass es durchaus sein könnte, dass manche Influencer und Influencerinnen sich im laufenden Wahlkampf doch noch stärker auch parteipolitisch positionieren. In den USA gab es im letzten Jahr ein Beispiel von einer Reihe von Influencern, die sich unter dem Gruppennamen "The House of Us" für Joe Biden engagiert haben und so mehr junge Wähler und Wählerinnen an die Urnen bringen sollten. Ähnliches könne er sich auch in Deutschland vorstellen, sagt Politberater Fuchs. "Dass sich da Menschen quasi positionieren und in einer virtuellen Gemeinschaft zusammenfinden, um für eine Partei die Stimme zu erheben. So etwas nehme ich an, dass wir das auch im deutschen Wahlkampf sehen werden."
Und neben den Influencerinnen sind auch viele Politiker selbst auf den Social-Media-Plattformen engagiert und haben zum Teil auch viele Follower: Philipp Amthor von der CDU etwa, Kevin Kühnert von der SPD oder Lilly Blaudszun, ebenfalls SPD. Aber diese erreichen, so ist sich Martin Fuchs sicher, nur wenig Menschen außerhalb jener Gruppe, die sowieso die jeweilige Partei wählen.