Noch im Sommer ist es in dieser Werkstatt bald schon Advent. Mit einer kaum merklichen Bewegung seines Kopfes betätigt ein junger Mann im Rollstuhl einen grünen Knopf, löst so einen Stempeldrucker aus - und auf handgeschöpftem Papier hinterlässt der Druckstempel drei grüne Tannenbäume. Sie werden später die Grußkarten der Bonner Werkstätten für Menschen mit Behinderung zieren und auf den Märkten in der Region einen guten Preis erzielen. Sinnvoll ist das, weil es gute Arbeit ist, findet Werkstattrat Mario Assmann:
"Also das heißt: Dieser behinderte Mensch, der da liegt, kann diese Arbeit machen. Mit dem Kopf oder mit dem Fuß so praktisch diese Maschine dann betätigen. Und dieses Klack - darüber freuen sie sich auch, wenn sie das einmal so machen, sind sie auch ganz glücklich, diese Arbeit zu machen."
Jedes Klacken der Maschine begrüßt der schwer mehrfachbehinderte Mitarbeiter im Rollstuhl mit strahlendem Gesichtsausdruck. Arbeit ist Teilhabe - übersetzt Assmann. Er selbst ist 42 Jahre alt, kam vor 20 Jahren mit der Diagnose "lernbehindert" in die Bonner Werkstätten. Seine Meinung:
"Jeder behinderte Mensch hat ein Recht auf Arbeit. Und ich bin froh, dass es behinderte Menschen gibt und diese tolle Arbeit machen. Ssolche Arbeiten soll es immer geben, soll man nicht abschaffen. Bloß nicht."
Genau in diesem Punkt aber macht ihm und anderen das neue Bundesteilhabegesetz Sorge: Ab Januar 2017 sollen neue Regeln bundesweit schrittweise sicherstellen, dass Menschen mit Behinderung zum Beispiel am Arbeitsleben teilhaben können.
Doch im Gesetzentwurf der Koalition, über den diesen Donnerstag der Bundestag beraten wird, ist zugleich von einem "Mindestmaß an wirtschaftlicher Verwertbarkeit" die Rede. Nur dann sollen die nötigen Unterstützungsleistungen bewilligt werden. Genügt die Grußkartenproduktion vom Rollstuhl aus dieser Vorgabe?
Eine Kampagne der Lebenshilfe dazu haben 60.000 Menschen unterzeichnet: Das Recht auf Arbeit habe jeder - unabhängig vom wirtschaftlichen Ertrag. Unabhängig auch vom Grad der Behinderung, der künftig ebenfalls auf dem Prüfstand stehen soll. Das Stichwort "fünf von neun" sorgt für Kritik. Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, erläutert:
"Da gibt es eine Regelung, die sagt: Wir haben jetzt neun Lebensbereiche definiert. Nur Leute, die in fünf Lebensbereichen Unterstützung brauchen, um das vereinfacht zu sagen, werden zukünftig Eingliederungshilfe beziehen. Es wird einen Bestandsschutz geben, aber für Leute, die später Bedarfe haben, wird das gelten. Und das geht natürlich gar nicht. Weil Menschen, auch wenn sie nur in einem Bereich Unterstützungsbedarf haben, muss der Staat diesen dann auch gewährleisten, ansonsten würden ganz viele Gruppen rausfallen."
"Ich habe das Gefühl, dass dieses Bundesteilhabegesetz fast schon eine verpasste Chance ist."
Fasst Karl-Wilhelm Rößler, Jurist beim Kölner Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben, zusammen. Rößler ist körperbehindert und Rollstuhlfahrer. Er lebt mit 24-Stunden-Assistenz, ist somit Arbeitgeber für mindestens fünf Menschen, die ihn rund um die Uhr privat und am Arbeitsplatz unterstützen. Menschen wie er, die vor 20 Jahren noch im Rollstuhl manche Treppe an der Uni hochgetragen werden mussten, weil es keinen Aufzug gab, hatten sich volle Teilhabe und die dazu nötigen Unterstützungsleistungen erhofft. Jetzt entdeckt eine skeptische Szene von Experten in eigener Sache im neuen Gesetzentwurf vor allem alte Fürsorgegedanken:
"Man muss sich auch vor Augen halten, dass das jetzige System, was ja sozialhilfebasiert ist, bereits aus den 60er-Jahren stammt, Anfang der 60er-Jahre, natürlich eine ganz andere Denkweise und Herangehensweise an das Thema Behinderung / Menschen mit Behinderung beinhaltet. Damals eben ganz klar Fürsorge: Wir wissen, was gut für euch ist. Und wir wissen das vor allem besser als ihr selbst. Das ist natürlich überhaupt nicht mehr haltbar. Es gibt ein ganz anderes Selbstbild von Menschen mit Behinderung, die natürlich an allen Bereichen des Lebens mehr teilhaben wollen. Aus unserer Sicht ist notwendig, dass dieser Gedanke der Fremdbestimmung, der Fürsorge, aber auch der reinen Minimalversorgung hätte aufgegeben werden müssen."
Zustimmung zu diesem Gedanken auf einer Fachtagung Ende August: 500 Fachleute sind beim Landschaftsverband Rheinland in Köln zusammengekommen. Sie sind teils selbst betroffen von den neuen Regelungen oder haben beruflich mit Fragen von Behinderung und Inklusion zu tun. Dem zukünftigen Teilhaberecht schlägt auch hier viel Skepsis entgegen. Eindeutige Formulierungen mahnt etwa Norbert Böttges vom Schwerhörigenbund an, dessen Mitglieder vor allem Hilfe bei der Kommunikation brauchen:
"Es geht also ganz konkret um Gebärdensprachdolmetscher für etwa 80.000 Gehörlose und Schriftdolmetscher für 200.000 ertaubte Menschen in Deutschland, und was da eigentlich stört, ist dieser Satz, "es besteht der Anspruch aus besonderem Anlass". Das ist ein Schritt in Richtung Bürokratie, denn das heißt, es muss eine Einzelfallentscheidung her. Also Kommunikation ist für die betroffenen Menschen so etwas wie ein Lebensmittel. Das ist so, als würden Sie einem Blinden den Blindenstock immer nur aus besonderem Anlass zur Verfügung stellen, oder einen Rollstuhl."
Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller aus dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales verweist auf den Punkt "Assistenzleistungen" an anderer Stelle in dem 400-seitigen Gesetzentwurf. Darüber - verspricht sie - könne weiterhin auch Gebärdendolmetschen beantragt werden. Was wo im Gesetz genau steht – und hinterher auch genehmigt wird: Einige im Saal sind da aus Erfahrung skeptisch. So auch Andreas Langer, beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW zuständig für den Bereich Sozialpsychiatrie:
"Ich unterstelle da auf alle Fälle einen guten Willen, aber in der Praxis wird sich bei den vielen, vielen Personen und Sachbearbeitern, die die Fälle dann nach Gesetz auslegen, einiges an Reibungsverlust ergeben. Und bis sich das dann wiederum einspielt, muss vieles wahrscheinlich auch gerichtlich geklärt werden. Das ist die Sorge."
Eine andere betrifft Grundsätzliches. In Zukunft soll individuell für den einzelnen Menschen ermittelt und geplant werden, wie viel und welche Hilfe tatsächlich benötigt wird. Gerade bei den psychischen Behinderungen aber sei da viel Ermessen im Spiel, sagt Langer, denn die Erkrankungen verlaufen oft schwankend:
"Das heißt: Es gibt auch Phasen, wo es den Menschen so gut geht, dass die arbeiten gehen können, dass die am Leben teilhaben können. Aber sie sind trotzdem auf Dauer betrachtet von einer Behinderung betroffen. Und in diesen Phasen, wo es gut geht, stellt sich natürlich die Frage, wie viel Unterstützung oder Teilhabe brauchen sie eigentlich. Und da haben wir natürlich die Sorge, dass wenn sich die Bedingungen schwieriger werden, dass in diesen positiven Phasen die Unterstützungsangebote so stark eingeschränkt werden, dass es zu Schwierigkeiten führt in den Phasen, wo es wirklich Bedarf hat."
Uwe Schummer, Behinderten-Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wirbt für das neue Teilhaberecht. Es sei ein Fortschritt, dass das Antragstellen und -genehmigen vereinfacht werde. Das Bundesteilhabegesetz sieht Beratung und Begleitung aus einer Hand vor:
"Dass also die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht immer von Pontius nach Pilatus laufen müssen. Sondern dass, egal wer zuständig ist in der Rehabilitation beispielsweise, dass jemand die Koordination übernimmt, und dass so etwas wie eine Beratung und Begleitung für das Hilfeprogramm wie aus einer Hand organisiert wird. Bisher ist die gesamte Beratung eine rein freiwillige Aufgabe, und endlich wird sie zu einer Pflichtaufgabe und das ist mehr als überfällig."
Uwe Schummer ist in diesen Wochen in schwieriger Doppelmission unterwegs: Als Vorsitzender der Lebenshilfe in NRW kennt und teilt er die Kritik. Er weiß, dass dieses Gesetz einen schwierigen Praxistest vor sich hat. Als Koalitionspartner in Berlin wirbt er dennoch für das Mammutvorhaben: Aus dem alten Fürsorgerecht soll ein modernes Teilhaberecht werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention gibt eine Richtung vor. Doch die andere Zielvorgabe setzt das Finanzministerium, das Sozialministerium hat sie geschluckt: Zusätzliche Kosten darf das neue Teilhaberecht nämlich nicht verursachen, es gilt die "schwarze Null".
Der Handel lautet: Der Bund nimmt den Kommunen fünf Milliarden Euro an Kosten für die Behinderten ab. Das neue Gesetz verspricht aber Verbesserungen, also teurere Leistungen für viele. Die Kommunen werden also die gesetzlich vorgesehenen Mehrausgaben durch Einsparungen an anderer Stelle ausgleichen. Für die Behinderten bedeutet das: Was der eine mehr kostet, wird beim anderen abgezogen. Unterm Strich werden die fünf Milliarden Euro vom Bund nicht ausreichen, ist Dirk Lewandrowski, Sozialdezernent beim Landschaftsverband Rheinland sicher:
"Die Mehrkosten können eben kommunale Eingliederungshilfeträger, so wie wir es sind, schlichtweg nicht mehr in dieser Dynamik wuppen. Und insofern ist es sehr bedauerlich, dass der Konsens, wie er sich im Koalitionsvertrag in Berlin niedergeschlagen hat - zu sagen: wir entlasten bei der Eingliederungshilfe -, dass dieser Konsens aufgebrochen wurde. Und wir somit keine unmittelbare Beteiligung des Bundes haben an den Kosten."
Über 800.000 Personen in Deutschland erhalten Eingliederungshilfe, das sind im Prinzip Leistungen für Behinderte. Es geht um Rehaleistungen, um Fahrtkosten zu den Werkstattarbeitsplätzen, um Versorgung in betreuten Wohneinrichtungen. Eingliederungshilfe soll so drohende Behinderung abwenden oder eine Behinderung oder ihre Folgen beseitigen oder mildern. Mehr als die Hälfte der Sozialhilfekosten werden in den Kommunen in Deutschland dafür in Deutschland aufgewendet: 2013 ein Betrag von 14 Milliarden Euro. Seit Jahren steigen die Ausgaben bei den Eingliederungshilfen kontinuierlich.
"Und diese fünf Milliarden, die da jetzt im Kontext der Entlastung der Kommunen gezahlt werden, das entspricht eigentlich der dynamischen Entwicklung der Eingliederungshilfekosten innerhalb der letzten vier, fünf Jahre."
Mehr Beteiligung im Bund fordern beispielsweise 70 finanzschwache Kommunen im ganzen Bundesgebiet. Sie haben sich im "Bündnis für die Würde unserer Städte" zusammengeschlossen. Die Reform der Eingliederungshilfe sei richtig, doch die Rechnung des Bundes – Mehrausgaben, die durch das Gesetz entstehen, würden durch Einsparungen in anderen Bereichen der Eingliederungshilfe ausgeglichen – sei fragwürdig. Dirk Lewandrowski vom Landschaftsverband Rheinland teilt die Einschätzung.
"Ich kann das nicht glauben. Nach dem Kabinettsentwurf ist ja ein Kostentableau aufgestellt, wo die zusätzlichen Kosten durch das Gesetz ja auch beziffert werden. Also es ist schlichtweg amtlich anhand der Drucksache, die Behauptung ist nicht mehr aufrecht zu erhalten, es würde nicht zu neuen Kosten führen. Der Gesetzentwurf sagt ja, dass er Leistungsverbesserungen wünscht und herbeiführt: Zum Beispiel die bessere Einkommens- und Vermögensanrechung ist genau in diesem Umfange, wie die Leistungsberechtigten bessergestellt sind, eine Belastung, finanzielle Belastung für die Kostenträger der Eingliederungshilfe."
Denn mehr Menschen als bisher könnten berechtigt sein, Eingliederungshilfe zu beantragen. Ab Januar 2017 nämlich werden Menschen mit Behinderung beim Thema Sparen besser gestellt. Bislang durfte, wer Eingliederungshilfe beantragte, nur 2.600 Euro Sparvermögen besitzen. Wer mehr besaß, musste aus eigener Tasche für die Assistenzleistungen zahlen. In Zukunft dürfen bis zu 52.000 Euro angespart werden. So steht es im Entwurf zum Bundesteilhabegesetz.
"Das ist erwiesenermaßen durchaus ein Fortschritt", bestätigt Karl-Wilhelm Rößler vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt leben. Ein Fortschritt sei auch, dass zukünftig die Partner nicht länger mit ihren Einkünften zu den Leistungen beitragen müssen. Das und die neuen Vermögensgrenzen waren überfällig. Doch es bleibt dabei: Hier gibt es Sondergrenzen für Menschen mit Behinderungen. Und: 52.000 Euro als Schonvermögen reichen am Ende nicht aus für eine gute Altersvorsorge. Unverändert gilt: Auch in Zukunft werden sich viele weiterhin an den Hilfen, auf die sie angewiesen sind, finanziell beteiligen müssen. Für Rößler etwa wird sich die Nutzung von Fahrdiensten empfindlich verteuern. Höhere Belastungen drohen auch bei der Miete:
"Wenn ich beispielsweise eine kostenaufwendige Wohnung haben, weil ich einen höheren Standard brauche, zum Beispiel einen Aufzug, dann kann ich das in der alten Einkommensprüfung darstellen. Das ist dann nicht mehr so. Und wenn ich eine Wohnung habe, die drei-, vierhundert Euro mehr kostet, weil sie sie behinderungsbedingt einen höheren Standard aufweisen muss, dann werde ich damit allein gelassen."
Der Teufel verbirgt sich in vielen solcher Details des Entwurfs zum Bundesteilhabegesetz. Die Idee "mehr Selbstbestimmung und Teilhabe" ist gut. Doch das Wunsch- und Wahlrecht, welche Teilhabe ein Mensch für sich wünscht, wird in Wirklichkeit eingeschränkt, wenn der Regierungsentwurf so, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, Bundestag und Bundesrat passiert. Künftig könnten Hilfen demnach nur dann genehmigt werden, wenn sie gemeinschaftlich genutzt werden:
"Wir nennen das Zwangspoolen. Das heißt gemeinsame Leistungserbringung. Das bedeutet, dass eine bestimmte Teilhabeleistung, also eine Assistenz oder eine Begleitperson, wenn es aus Sicht des Kostenträgers, oder Leistungsträgers, wie es jetzt heißt, zumutbar ist, dann sollen mehrere behinderte Menschen angehalten oder dazu verpflichtet werden, sich eine solche Unterstützungsleistung zu teilen. Das heißt, da muss man sich überlegen, da quasi abstimmen: Geht man gemeinsam ins Kino, oder geht man gemeinsam zum Fußball."
Verständliche Kostenerwägungen? Oder unzumutbare Einschränkung des Rechts auf Selbstbestimmung? In mindestens sechs Punkten fordern Sozialrechtsexperten aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Fachverbänden Nachbesserung. So sollen etwa Miet- oder Wohnkosten neu gedeckelt werden. Nur noch "ortsüblich angemessen plus 25 Prozent" sollen sie in Zukunft genehmigt werden. Dazu steht das Urteil dieser Fachleute fest: Hier werden am Ende die behinderten Menschen selbst ausbaden, dass eine "schwarze Null", ein kostenneutrales Teilhabegesetz, versprochen wurde. Das befürchtet auch Corinna Rüffer von Bündis90/Die Grünen:
"Je weiter man in dieses Gesetz einsteigt, umso klarer wird einem, dass es durchaus ein Gesetz ist, das von dem Vorhaben getrieben ist, Kosten einzusparen. Nehmen wir mal die Frage des Wohnens. In der UN-Behindertenrechtskonvention steht drin, dass Menschen entscheiden können sollen, wie und mit wem sie zusammen wohnen wollen. So, jetzt hat man eine Regelung gefunden, die dazu führt, dass unter Umständen, wenn das Wohnen in einem Heim günstiger ist, die Leute aus einem ambulanten Setting ins Heim hinein gedrängt werden. Dahinter steht eine Kostenerwägung, anders kann man das nicht erklären."
Dorothea Welsch packt Päckchen in den Bonner Werkstätten. Gewissenhaft hält sie nach, wie viele Schrauben und Abstandhalter in ein Tütchen gehören. Später werden diese Tütchen im Baumarkt in Bausätzen zu finden sein.
"Zwei Gummibänder, einmal grau, eines schwarz..."
Für Dorothea Welsch wird sich durch das Bundesteilhabegesetz erstmal nicht viel verändern. Es bleibt bei 150 bis 300 Euro Verdienst pro Monat. Selbstbestimmt wohnen, neue Vermögensgrenzen - das alles betrifft sie nicht. Mario Assmann dagegen, der Vorsitzende im Werkstattrat, ist ein so genannter Grenzgänger. Er lebt in einer betreuten Wohneinrichtung und hat sich bereits an einem so genannten ausgelagerten Arbeitsplatz bewährt:
"Mir macht das tierisch Spaß. Immer mal wieder neue Erfahrung auch mit Außenarbeitsplätzen zu machen, und ich muss ehrlich sagen: Ja, auch lernbehinderte Menschen können draußen arbeiten."
"Draußen" - das ist der erste, aus Sicht der meisten Menschen der "richtige" Arbeitsmarkt. Nahezu unerreichbar ist er bislang für die große Mehrzahl der Beschäftigten in den Bonner Werkstätten. Gerade 3 von 1.100 schaffen es pro Jahr, weitere 60 nur mit Hilfe umfangreicher Begleitung. Doch es könnten mehr werden. Das kommende "Budget für Arbeit" wird Menschen wie Assmann auf ihrem Weg unterstützen. Das Budget für Arbeit gilt als Highlight im Entwurf zum Bundesteilhaberecht. CDU-Mann Uwe Schummer:
"Dass ein unbefristeter Lohnkostenzuschuss eingebaut ist für Arbeitgeber, mit dem Menschen mit Behinderung dauerhaft beschäftigt werden können. Das heißt, dann sind auch die Arbeitgeber dran, mal zu überlegen, wie sie die Arbeitswelt so gestalten können, dass sie auch Menschen mit Handicap einstellen können. Es gibt dann eben diesen Lohnkostenzuschuss, sowas wie Minderproduktivitätsausgleich wird finanziell bereitgestellt. Und unser Ziel ist, mit dem Teilhabegesetz dann auch mehr Menschen aus der Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Da ist das Budget für Arbeit ein ganz wichtiger Punkt."
Es geht um viele Wege raus aus der alten Fürsorge, die bislang noch Teil der Sozialhilfe ist, hin zu einem selbstbestimmten Leben auch für Menschen mit Behinderung und gemäß ihrem eigenen Wunsch und Willen. Und so steht diesen Donnerstag in erster Lesung im Bundestag ein Bundesteilhabegesetz zur Diskussion, das viele im Prinzip für richtig halten. Uwe Schummer wirbt für die Reform der Eingliederungshilfe - gegen die Skepsis vieler verspricht er "ein lernendes Gesetz":
"Ich muss das Bundesteilhabegesetz doch danach bewerten, ob nach dem jetzigen Recht für die jetzt existierenden Menschen eine Verbesserung der Situation - und zwar maßgeblich - eintritt oder nicht. Das ist die maßgebliche Entscheidung. Und dann wird das ein Prozess. Natürlich werden wir in der nächsten Legislaturperiode an diesem Prozess weiter anknüpfen, und diesen Prozess fortsetzen, um die UN-Behindertenrechtskonvention mit mehr Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung dann auch zu erreichen. Und deshalb muss man das eben nicht als eine Endstufe betrachten, sondern als ein Prozess, der startet. Der aber in die richtige Richtung geführt werden muss."
Die Betroffenen werden sich für ein Gesetz bedanken, dass für die nächsten vier Jahre Unsicherheit bei vielen Entscheidungen zu den Hilfeleistungen verspricht. Die Einwände, Kritikpunkte und Ungereimtheiten im Gesetzentwurf sind zahlreich. Und so fragen sich einige: Lieber gar kein Teilhabegesetz als dieses?
"Ganz schwer zu beantworten! Rein pragmatisch gedacht muss man sich sagen: Der Gesetzgebungsprozess ist jetzt in Gang, und wir wollen mit Sachargumenten natürlich weiter dran arbeiten. Ja, vielleicht kriegt man noch die oder andere positive Veränderung - was nicht zwangsläufig Verbesserung heißt, sondern vielleicht die Abmilderung von Verschlechterungen – noch mit rein. Aber auch dann muss man sagen, wird es kein gutes Gesetz. Kein Betroffener wird an dem Tag, wenn es denn dann kommt, tatsächlich eine Flasche Sekt aufmachen. Mit Sicherheit nicht."