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Bundesumweltministerin Steffi Lemke
„Wir wollen den Ausstieg aus dem Verbrennermotor“

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) setzt im Koalitions-Streit um das EU-weite Verbrenner-Aus auf eine Einigung mit der FDP. Sie sei optimistisch, dass die Koalition bei der bisher beschlossenen Linie bleiben werde, sagte Lemke im Dlf. Zuvor hatte FDP-Chef Lindner eine Zustimmung Deutschlands im Rat der EU ausgeschlossen.

Steffi Lemke im Gespräch mit Thielko Grieß | 23.06.2022
Steffi Lemke (Bündnis90/Die Grünen), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, spricht während einer Pressekonferenz zum Abschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder zu den Ergebnissen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke spricht sich für ein Verbot von Verbrennungsmotoren für Pkw aus: "Wo wir die Alternative E-Mobilität haben, preiswerter, sauberer und billiger, dort sollten wir die einsetzen, weil wir ansonsten unsere Klimaziele als Koalition, aber auch als Europäische Union nicht umsetzen können." (picture alliance/dpa)
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) geht davon aus, sich im Koalitions-Streit um das EU-weite Verbrenner-Aus mit der FDP und deren Parteivorsitzenden Christian Lindner noch einigen zu können. „Wir haben ja eine Linie, auf der wir gemeinsam gearbeitet haben, wir werden das jetzt nachsteuern“, sagte sie im Deutschlandfunk.
Für Pkws sei die Elektromobilität die bessere, weil energieeffizientere Variante, so Lemke: „Wo wir die Alternative E-Mobilität haben, preiswerter, sauberer und billiger, dort sollten wir die einsetzen, weil wir ansonsten unsere Klimaziele als Koalition, aber auch als EU nicht umsetzen können.“
E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, müsse man in den Bereichen einsetzen, für die es keine andere Alternative gebe: „Das betrifft beispielsweise landwirtschaftliche Fahrzeuge, könnte aber auch Flugzeuge meinen, wo wir ja bisher keine elektrische Alternative haben.“ Dort werde es eine relevante Nachfrage nach E-Fuels geben. „Deshalb brauchen wir diese Technologie tatsächlich für den Bereich außerhalb der Pkw-Flotte“, so Lemke.

FDP setzt auf Verbrenner-Autos mit E-Fuels

Die FDP dagegen will E-Fuels in Pkw-Verbrennern weiterhin ermöglichen, statt ausschließlich auf Elektromobilität zu setzen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte Deutschlandfunk: „Ich bin sicher, dass die Elektromobilität unseren Alltag wesentlich bestimmen wird, aber wir können heute nicht sagen, ob ein Verbrennungsmotor, der mit synthetischen Kraftstoffen fährt, nicht auch gebraucht wird, um klimaneutrale Mobilität sicherzustellen.“
Laut FDP-Chef Lindner wird die FDP deshalb das geplante Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor auf EU-Ebene nicht mittragen. Elektromobilität könne in den nächsten Jahrzehnten nicht überall eingeführt werden und ein Verbot des Verbrennungsmotors werde auch dessen Weiterentwicklung verhindern. Technologie-Offenheit sei ein wesentlicher Bestandteil der Marktwirtschaft, so Lindner. Bei den anstehenden Verhandlungen der Staat- und Regierungschefs der EU könne Deutschland daher nicht zustimmen.
Das EU-Parlament hatte kürzlich einem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, der die CO2-Flottengrenzwerte ab 2035 auf null beschränken will. Neu zugelassene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge dürften ab dann keinerlei CO2 mehr ausstoßen - was einem Verbot des Verbrennungsmotors für diese Fahrzeugarten gleichkäme. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium hatte den Vorschlag unterstützt. Der Europäische Rat, in dem Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sitzen, muss aber noch zustimmen.
Das Interview im Wortlaut:
Thielko Grieß: Es gibt in der Ampelkoalition sehr unterschiedliche Haltungen zum Verbot von Verbrennermotoren, die FDP, Christian Lindner zum Beispiel, lehnt es ab, diese Vebrenner zu verbieten. Frau Lemke, stimmen Sie Herrn Lindner zu?
Steffi Lemke: Wir haben als Bundesregierung in den letzten Monaten immer wieder deutlich gemacht, dass wir das sogenannte Fit-for-55-Paket, wovon die Flottengrenzwerte ein Bestandteil sind, unterstützen. Das heißt, dort geht es um verschiedene Klimaschutzaspekte auf europäischer Ebene – und unsere Bundesregierung ist ja angetreten als Klimaschutzpartei. Wir haben deutlich gemacht, dass Fit-for-55 dafür ein wesentlicher Bestandteil ist – und eben auch diese sogenannten Flottengrenzwerte.
Grieß: Also das Fit-for-55 ist das Programm der EU-Kommission, das muss ich kurz dazusagen, weil das vielleicht nicht allen klar ist, um den Ausstoß von CO2 in Europa zu senken. Anders und konkreter gefragt: Sie setzen darauf, dass Autos, Neuwagen ab 2035 in Europa mit Batterien – und zwar ausschließlich – herumfahren?
Lemke: Wir haben eine etwas kompliziertere Lage, dass die sogenannten Flottengrenzwerte, die jetzt im Umweltrat am kommenden Dienstag verhandelt sind, die beziehen sich auf den Pkw-Bereich, also das, was Sie, was wir alle auf der Straße im Zweifelsfall nutzen. Und da wollen wir den Umstieg auf Elektromobilität, den Ausstieg aus dem Verbrennermotor.
Darüber hinaus gibt es aber eine ganze Reihe von Fahrzeugbereichen, wo elektrischer Antrieb bisher nicht möglich ist. Das ist das, was Kollege Wissing mir gegenüber ja auch immer vertreten hat, dass wir da Technologieoffenheit brauchen, das teile ich vollständig. Das heißt, außerhalb dieser sogenannten Flottengrenzwerte werden wir in Zukunft definitiv noch E-Fuels brauchen, sind wir noch darauf angewiesen, die werden eher zu wenig vorhanden sein als zu viel. Das ist die Schnittmenge, die ich mit meinem Kollegen Wissing – und ich denke auch mit der FDP und Herrn Lindner – habe.

"Sie können da ja nicht mit Batterien in einem Flugzeug losfliegen"

Grieß: Herr Wissing ist ja auch von der FDP?
Lemke: Genau.
Grieß: Welche Fahrzeuge, welche Verbrennermotoren könnte das betreffen?
Lemke: Das betrifft beispielsweise landwirtschaftliche Fahrzeuge, könnte aber auch Flugzeuge meinen, wo wir ja bisher keine elektrische Alternative haben. Sie können da ja nicht mit Batterien in einem Flugzeug losfliegen. Das heißt, dort wird es eine relevante Nachfrage nach E-Fuels geben, deshalb brauchen wir diese Technologie tatsächlich für den Bereich außerhalb der Pkw-Flotte, da gibt es überhaupt gar keinen Dissens. Und die Regelung, die jetzt zur Abstimmung steht am Dienstag, regelt aber diesen Bereich auch gar nicht, sondern bezieht sich auf den Pkw-Bereich. Für die anderen ist es jetzt möglich und wird es auch in Zukunft möglich sein.

"Die gemeinsame Linie weiterhin vertreten"

Grieß: Sie machen also dieses Kompromissangebot an den Koalitionspartner, an die FDP. Nun hat sich Christian Lindner ja schon sehr kategorisch ausgedrückt. Glauben Sie, dass da noch Kompromiss drin ist?
Lemke: Das ist eigentlich gar kein aktuelles Kompromissangebot, sondern die Linie, die wir seit Wochen und seit Monaten auf Brüsseler Ebene schon gemeinsam vertreten haben. Ich glaube, es geht jetzt darum, das noch mal explizit zu betonen – das ist ja eine komplizierte Materie – jetzt auch noch mal nach draußen deutlich zu machen, dass es diese Zulassung weiterhin geben soll – halt nicht in der Pkw-Flotte, aber darüber hinaus. Und wie das in einer vertrauensvollen Koalition üblich ist, streitet man sich auch mal. Aber wir werden das gemeinsam beraten. Und ich bin sehr optimistisch, dass wir eine Möglichkeit finden, diesen Aspekt auch noch mal deutlicher herauszuarbeiten und damit dann die gemeinsame Linie auch weiterhin vertreten können.

"Optimistisch, dass wir bei Unterstützung des Fit-for-55-Pakets bleiben"

Grieß: Das heißt, über das Wochenende sprechen Sie noch mal mit Christian Lindner zum Beispiel?
Lemke: Wir werden verschiedene Gespräche führen, wir sind da ja auch immer wieder in Gesprächen in den letzten Monaten gewesen, auch in den letzten Tagen. Und ich bleibe dabei, dass ich optimistisch bin, dass wir eine gute Regelung finden und bei der bisher beschlossenen Linie der Unterstützung des Fit-for-55-Pakets bleiben werden.
Grieß: Aber wenn man sowieso Motoren entwickelt, die mit alternativen Kraftstoffen laufen können, zum Beispiel in Traktoren, wie Sie das genannt haben, in der Landwirtschaft, warum sollte man die nicht auch in kleinerer Form zum Beispiel auch in Pkws nutzen können?
Lemke: Für Pkws ist die Elektromobilität die bessere Variante, sie ist einfach energieeffizienter. Das heißt, das ist mehr dort, wo wir keine Alternative haben, die Notwendigkeit, dass man dort die ja nicht CO2-neutralen E-Fuels weiter einsetzt in den Bereichen, wo es einfach keine Alternative gibt. Aber dort, wo wir die Alternative E-Mobilität haben, preiswerter, sauberer und billiger, dort sollten wir die einsetzen, weil wir ansonsten unsere Klimaziele als Koalition, aber auch als Europäische Union nicht umsetzen können.
Grieß: Gesetzt den Fall, dass Sie sich nicht einigen können mit dem FDP-Koalitionspartner, dann käme es in Brüssel ja zum sogenannten German Vote, also die Koalition ist sich uneinig, es gibt keine klare deutsche Haltung. Kann sich das größte Land Europas in der Europäischen Union so eine Haltung erlauben?
Lemke: Das hat es unter der Großen Koalition ja bedauerlicherweise in der Tat öfter gegeben. Und unserer Regierung ist auch gemeinsam angetreten, da Vertrauen und auch Kontinuität auf europäischer Ebene zu präsentieren. Ich bleibe und bin Optimistin und gehe davon aus, dass wir das hinbekommen.

"Wir hatten es im Koalitionsvertrag so festgelegt"

Grieß: Sie haben vorhin abgelehnt, von einem Kompromiss zu sprechen sozusagen, aber Sie werden ja trotzdem aufeinander zugehen müssen, der Konflikt ist ja da. Was könnten Sie anbieten?
Lemke: Es ist ein Kompromiss, das ist richtig, aber wir haben den seit Wochen und seit Monaten schon immer wieder vertreten. Wir haben das ja im März schon mal in Brüssel vertreten, wir hatten es im Koalitionsvertrag so festgelegt. Ich glaube, es geht jetzt darum, auch öffentlich noch mal deutlicher zu machen, dass es Einsatzbereiche geben wird, wo die E-Fuels auch in Zukunft gebraucht werden, für den Pkw-Bereich aber der Umstieg einfach der bessere und aus Klimaschutzgründen notwendige Weg ist. Von daher haben wir ja eine Linie, auf der wir gemeinsam gearbeitet haben in den vergangenen Wochen und Monaten, wir werden das jetzt nachsteuern.
//Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.//