Die Hochwasserkatstrophe in Deutschland macht deutlich: Bei der Bewältigung der Klimakrise geht es inzwischen nicht mehr nur um Klimaschutz und die Begrenzung der globalen Erwärmung. In Zukunft wird der Umgang mit den Folgen des Klimawandels immer wichtiger werden und damit die Fragen: Welche Maßnahmen zur Anpassung an den klimatischen Wandel sind notwendig? Wie können Katastrophen wie die in der Eifel und im Rheinland mit mehr als 160 Toten und Schäden in Milliardenhöhe präventiv verhindert werden?
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) plädierte im Dlf dafür, die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen zu definieren. Die Kommunen seinen nicht in der Lage, die Anpassungen alleine finanziell zu stemmen. Momentan würden sie noch nicht ausreichend von den Ländern finanziert. "Deswegen muss das eine Aufgabe werden, bei der Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten – das geht nur über eine Veränderung des Grundgesetzes", betonte die SPD-Politikerin.
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Barbara Schmidt-Mattern:: Die zunehmende Versiegelung der Böden, sei es durch Schottergärten, zubetonierte Plätze oder auch Flächen verschlingende Ein-Familien-Häuser, all das ist ein Problem. Was konkret wollen Sie dagegen unternehmen?
Svenja Schulze: Man muss erst noch mal vorweg sagen, dass das eine wirkliche Tragödie ist, die wir da gerade erleben. So viele Tote, so viele Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben, das ist wirklich dramatisch. Das Allerwichtigste, was jetzt im Vordergrund stehen muss, ist erst mal Hilfe zu leisten, zu unterstützen. Ich hatte letzte Woche Gelegenheit, mir das vor Ort anzusehen, und mir steckt das immer noch sehr in den Knochen. Das ist wirklich dramatisch.
Und ja, der Klimawandel führt dazu, dass wir mehr solche extremen Ereignisse in der Zukunft haben werden, mehr Dürre, aber auch mehr solcher Flutkatastrophen. Das heißt, wir müssen noch besser werden auch in der Anpassung. Das ist vollkommen klar. Das ist eine Daueraufgabe, die wir jetzt in Deutschland haben, und deswegen habe ich ja auch schon vorgeschlagen, dass wir jetzt endlich rausgehen aus dem Stadium, wo wir Modelle haben, die dann immer gut funktionieren und die wir vorzeigen können, sondern das muss jetzt Daueraufgabe werden, auch in den Kommunen, die im Moment damit noch gar nicht rechnen.
Viel mehr Gemeinden müssen sich auf Wetterextreme einstellen
Schmidt-Mattern: Frau Schulze, bevor wir da in die Details einsteigen und über Modellprojekte sprechen, möchte ich gern noch mal auf Ihre These von eben zurückkommen. Sie sagen, das ist eindeutig eine Folge des Klimawandels, diese Überschwemmungen, die wir jetzt erleben. Die Fachleute sind sich aber gar nicht so einig. Es heißt zwar immer wieder, Wetterextreme werden zunehmen, aber eine direkte Herleitung, dass diese Unglücke durch den Klimawandel erzeugt wurden, da sind sich die Fachleute nicht ganz einig. Sie aber sagen, das ist eine direkte Folge des Klimawandels?
Schulze: Nein, ich höre da natürlich genauso auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie das alle tun sollten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen uns, es wird immer häufigere und immer heftigere Extrem-Wetterereignisse geben wie Starkregen, wie Dürre, und das sehen wir jetzt ja. Die Dürren der letzten Jahre und die Starkregen-Ereignisse jetzt, das sind sicherlich die ersten Vorboten dessen, was wir da noch vor uns haben. Deswegen ist Klimaschutz so wichtig.
Schmidt-Mattern: Und Klimaanpassung. Deswegen komme ich zurück zu meiner Ursprungsfrage. Nehmen wir uns ein Beispiel heraus. Brauchen wir ein Verbot von Schottergärten?
Schulze: Entsiegelung von Flächen hilft auf jeden Fall. Aber ich glaube, das ist zu klein gedacht, jetzt einfach nur an die Gärten zu denken. Wir haben ein gutes Beispiel. Das Land Bremen hat sich zum Beispiel auf Starkregen eingerichtet. Das heißt, dass die gesamte Stadtplanung auf Starkregen ausgerichtet wurde, dass sie überall gesehen haben, wo kann Wasser gespeichert werden und dann wieder abgegeben werden, dieses Schwammstadt-Modell. Das heißt, das ging von der Verkehrsplanung, wo man mehr grüne Flächen entstehen lassen hat, wo Wasser versickern kann, bis hin zu grünen Dächern und was da noch alles dazugehört. Solche Beispiele, die haben wir heute schon. Die können auch Schlimmeres verhindern und davon muss es noch mehr geben. Deswegen sage ich ja, das muss eine Daueraufgabe werden. Wir haben heute eine Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz. Ich will, dass wir eine Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Klimaanpassung haben, weil noch viel mehr Gemeinden sich einstellen müssen auf die Extreme, die wir vor uns haben.
"Die einfachste Lösung wäre, mehr Klimaschutz zu machen"
Schmidt-Mattern: Aber es fängt ja auch buchstäblich vor der Haustür eines jeden einzelnen, einer jeden einzelnen von uns an. Deswegen noch einmal die Frage. Die Grünen argumentieren immer wieder, es brauche mehr Ordnungspolitik in der Klimaschutzpolitik, man kann da auch direkt von Verboten sprechen. Ein FCKW-Verbot in der Vergangenheit hat vielfach etwas bewirkt, hin zum Positiven für den Klimaschutz. Deswegen die Frage, ob wir jetzt die Schottergärten nehmen oder auch andere Vorgaben beim Bau von Ein-Familien-Häusern: Brauchen wir da deutlichere ordnungspolitische Vorgaben durch den Bund?
Schulze: Ich glaube, dass das zu klein gedacht ist.
Schmidt-Mattern: Was ist daran zu klein gedacht?
Schulze: Das Handy hat sich nicht deshalb durchgesetzt, weil wir Telefonzellen verboten haben, sondern weil es bessere Alternativen gab. Das, was wir jetzt brauchen: Die Kommunen müssen sich beraten lassen, da wo sie es noch nicht getan haben. Es gibt zum Beispiel Hochwasser-Audits, die heute von den Ländern schon bezahlt werden, wo man sehr schnell Schwachstellen aufdecken kann. Wo sind Bachläufe zu eng, wo sind zu wenig Überflutungsräume. Davon sind heute viel mehr Flüsse betroffen, als wir das früher gedacht haben, und deswegen müssen sich die gesamten Konzepte in den Kommunen verändern.
Jetzt mit einer einfachen Lösung zu sagen, das ist es – nein, die einfachste Lösung wäre, mehr Klimaschutz zu machen. Das heißt, erneuerbare Energien stärker auszubauen. Das ist das, was die SPD, was ich auch schon sehr lange fordere und wo wir auch schon eine Menge durchgesetzt haben. Aber nur alleine zu sagen, wir fangen jetzt bei den Gärten an, das wird nicht reichen.
Klimaanpassung muss Gemeinschaftsaufgabe werden
Schmidt-Mattern: Aber offenbar hat auch das, was die Bundesregierung, Ihre schwarz-rote Koalition in den letzten Jahren versucht hat umzusetzen, nicht gereicht. Sonst hätten Sie ja nicht diese, salopp gesagt, Klatsche vom Bundesverfassungsgericht im Frühjahr kassiert, die gesagt haben, das reicht nicht, um zukünftige Generationen zu schützen. Jetzt sind aktuell Generationen betroffen in den Hochwassergebieten, die ihr Leben verloren haben. Deswegen noch einmal die Frage: Modellprojekte und Anhörungen gibt es seit Jahren. Was konkret tun Sie jetzt als Reaktion auf diese Katastrophe?
Schulze: Erst mal hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass das Klimaschutzgesetz, was ich vorgelegt habe, genau richtig ist und dass wir nur mehr nach 2030 tun müssen, so wie es in meinem ersten Entwurf drin war. Das ist erst mal gut, dass das jetzt passiert.
Was wir jetzt ganz konkret tun ist: Wir überarbeiten die Hochwasser-Schutzprogramme, die gemacht wurden, weil da sind wir ein Stück weiter gekommen. Wir arbeiten jetzt über die Kommunengrenzen hinweg an Hochwasser-Schutzprojekten. Aber das, was wir gerade in den Mittelgebirgen erlebt haben, das muss dazu führen, dass wir das noch mal überarbeiten. Dann das zweite: Dieses Hochwasser-Audit, was ich eben gesagt habe. Das muss viel stärker genutzt werden.
Das dritte ist: Wir werden die Kommunen befähigen müssen, dass sie sich an Klimaveränderungen anpassen. Das ist jetzt eine Daueraufgabe. Das wird im Moment von den Ländern noch nicht ausreichend genug finanziert. Deswegen sage ich, das muss eine Aufgabe werden, wo Bund, Länder und Gemeinden zusammenarbeiten. Das geht nur über eine Veränderung des Grundgesetzes. Nach dem, was wir jetzt erlebt haben, hoffe ich aber sehr, dass es für so was auch Mehrheiten gibt.
Schmidt-Mattern: Ich wollte Sie gerade fragen. Gäbe es denn Mehrheiten für eine Grundgesetzänderung, um Klimaanpassung im Grundgesetz zu verankern?
Schulze: Wir müssen jetzt überlegen, wie kriegen wir diese Daueraufgabe, dass Kommunen sich fit machen für die Veränderungen, die da anstehen, wie kriegen wir die finanziert. Das wird ja nicht mit einmaligen Nothilfen sein. Die Schäden, die jetzt an der Infrastruktur entstanden sind, die sind gigantisch. Das werden die Kommunen nicht alleine bezahlen können und die Anpassungen werden sie auch auf Dauer nicht alleine finanzieren können. Deswegen muss jetzt auch darüber gesprochen werden, wie das in Zukunft geht. Ich halte es für sehr gut, so was als Gemeinschaftsaufgabe zu definieren. Das hat beim Küstenschutz gut funktioniert und das müssen wir jetzt auch bei den weiteren Klimaanpassungen tun.
Klimaschutz lokal weiter voranbringen
Schmidt-Mattern: Sicherlich eine Mammutaufgabe für die nächste Bundesregierung. Was Ihre amtierende Regierung jetzt noch leisten kann, soll morgen im Bundeskabinett beschlossen werden, nämlich schnelle Fluthilfen unter anderem. Müssen die jetzt an Klimaschutzauflagen geknüpft werden, Frau Schulze?
Schulze: Die Nothilfen, die wir jetzt beschließen, sind erste Nothilfen. Was wir zusätzlich gemacht haben ist, dass wir Kommunen bei der Klimaanpassung unterstützen. Wir haben ein bundesweites Zentrum Klimaanpassung, was ganz konkrete Beratung für die Kommunen gibt. Wir finanzieren vom Bundesumweltministerium lokale Anpassungsmanager vor Ort, die ganz gezielt unterstützen, auch Schwachstellen zu finden und da Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen. Das ist sicherlich der richtige Weg und dann Klimaschutz weiter voranbringen. Das sind die Punkte, die am meisten helfen.
Schmidt-Mattern: Dazu noch kurz die Nachfrage, weil uns die Zeit davonläuft. Muss auch der Braunkohle-Ausstieg jetzt schneller erfolgen als im Jahr 2035?
Schulze: Der Ausstieg aus der Kohle kann ja so schnell erfolgen, wie wir Alternativen haben. Deswegen ist es so wichtig, den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben, weil je schneller und je mehr wir Alternativen ausbauen, desto schneller kann man auch aus Kohle aussteigen. Das ist das, wo Bund und Länder, wo wir noch mehr miteinander verhandeln und mehr tun müssen, weil in den Ländern wird zurzeit stärker darüber diskutiert, wie man den Ausbau der Windkraft verhindert, und nicht, wie man mehr erneuerbare Energien schafft.
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