Wenige dürften zweifeln, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer, so wie sie derzeit erhoben wird, für verfassungswidrig erklären wird. Am Rand der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im Januar erklärte Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus und Grund, warum.
"In der Tat haben wir derzeit eine Einheitsbewertung, basierend auf Werten von 1964, in den neuen Bundesländern sogar auf Werten von 1935. Und das führt dazu, dass die Werte nicht mehr zu den heutigen passen und Gebäude, die gleich sind, nicht mehr gleich behandelt werden. Wir haben also Steuerungerechtigkeit in Deutschland."
Dabei geht es nicht darum, dass die Werte damals geringer waren, das ließe sich ausgleichen. Ungleichheit ist das maßgebliche Stichwort – nicht nur zwischen Ost und West. Aus 1964 wenig begehrten Zonenrandlagen können nun Hotspots geworden sein, das Agrarland Bayern hat sich zum Industrie- und Wirtschaftsstandort entwickelt. Und ein Haus aus den Sechzigerjahren, egal wo, ist vielleicht inzwischen durch Verfall wenig wert. In der frühen Bundesrepublik hatte allein die Erhebung der Daten zehn Jahre gedauert, danach hatte man von ursprünglich vorgesehenen Aktualisierungen abgesehen - zu viel Aufwand, lautete die Begründung.
Keine Einigkeit für ein neues Konzept
Die Signale von der Richterbank bei der Verhandlung waren ungewöhnlich deutlich: Wir bemühen uns um Verständnis, aber es gelingt nicht, sagte etwa die Richterin Susanne Baer. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, versuchte zwar, die Art der Erhebung zu rechtfertigen, überwiegend mit dem Argument, die Steuer sei ja nicht besonders hoch, die Ungleichheit falle da nicht ins Gewicht. Bei den Richtern allerdings erntete er dafür verhaltenes Kopfschütteln. Die Frage ist also weniger, ob die Steuer verfassungswidrig ist, als was an ihre Stelle treten kann – und wie viel die Verfassungsrichter dazu sagen. Die Kommunen könnten nicht auf die Einnahmen verzichten, so Stephan Weinberg, Finanzstaatssekretär in Rheinland-Pfalz.
"Bundesweit sind das 13,7 Milliarden Euro, die dann letztlich in den Kassen der Kommunen fehlen würden. Angesichts des Investitionsbedarfs in den Kommunen, den wir überall sehen, wäre das natürlich ein Steuerausfall, den die Kommunen bundesweit nicht verkraften könnten."
Das wissen auch die Bundesländer. Trotzdem konnten sie sich in den vergangenen Jahren auf kein neues Konzept einigen. Der in diesem Fall für die Gesetzgebung zuständige Bundestag ließ den Entwurf deshalb liegen. Die Mehrzahl der Länder – alle außer Hamburg und Bayern - wollten, dass Grund und Boden mit dem Richtwert, Gebäude mit den Herstellungskosten unter Berücksichtigung des Alters veranschlagt werden. Sollte es so kommen, würde die Umsetzung dauern, sagt der Staatssekretär im Bundesministerium, Meister.
"Wenn ein neues Bewertungsgesetz in Kraft getreten ist, muss man, glaube ich, einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren mindestens ansetzen, um das neue Gesetz zu implementieren und die Bewertung durchzuführen."
Sorge vor Explosion der Grundsteuer
Andere sprachen von zehn Jahren. Eine Zumutung nannte ein Verfassungsrichter angesichts der Vorgeschichte die Bitten um eine solche Übergangsfrist. Und tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber noch nie so viel Zeit gelassen. Ohnehin wollen nach wie vor nicht alle Länder einem solchen Modell folgen. Der neue Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher war in Karlsruhe noch als Finanzsenator aufgetreten:
"Es geht darum, dass wir es vermeiden, dass Personen mit geringem Einkommen aus ihren angestammten Quartieren, da, wo sie vielleicht seit 20, 30 Jahren wohnen, vertrieben werden, weil wir eine Grundsteuer sozusagen nach den aktuellen, zum Teil auch durch Spekulation geprägten Immobilienpreisen bemessen."
Der Vertreter der teuren Hansestadt plädiert für eine Berechnung rein nach Boden- und Gebäudeflächen. Der mögliche Charme aus Karlsruher Sicht: Ein solches Modell könnte viel schneller umgesetzt werden. Tschentschers Sorge, die Grundsteuer könne explodieren, ist politisch mindestens von Bund und Ländern nicht gewollt, Verschiebungen aber muss es geben - sonst hätte eine Reform keinen Sinn. So oder so kann jeder betroffen sein, der in Deutschland wohnt. Denn nicht nur Eigentümer zahlen die Steuer. Sie kann auch auf den Mieter umgelegt werden.