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Bundesverfassungsgericht
Enttäuschung über Scheitern des NPD-Verbotsantrags

Das Scheitern des NPD-Verbotsantrags vor dem Bundesverfassungsgericht ist in der Politik, aber auch von den Kirchen und Verbänden mit großer Enttäuschung aufgenommen worden. Die NPD selbst hingegen spricht von einem "Sieg".

    Die drei Richter stehen nebeneinander; Voßkuhle verliest gerade das Urteil, das er in den Händen hält.
    Der Vorsitzende Richter Andreas Voßkuhle verkündet neben seinen Kollegen Peter Müller (l) und Peter M. Huber das Urteil. (Kai Pfaffenbach / REUTERS POOL / dpa)
    Der Zweite Senat in Karlsruhe unter dem Vorsitzenden Richter Andreas Voßkuhle hatte den Verbotsantrag abgelehnt. Zur Begründung hieß es, die Partei verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, habe aber nicht das Potenzial, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen.
    In den Ländern, die den Verbotsantrag über den Bundesrat gestellt hatten, ist die Enttäuschung groß. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer nannte die Entscheidung "bedauerlich". "Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stellt sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar", hieß es in einer Mitteilung. Seehofer konnte dem Urteil aber auch Positives abgewinnen: Das Bundesverfassungsgericht habe bestätigt, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sei. "Das ist erfreulich".
    Die Plakate hängen an Straßenlaternen; ein Fahrradfahrer ist im Vordergrund zu sehen.
    Die Partei kann auch weiterhin gewählt werden: Wahlplakate der NPD (und der Linken) in Berlin. (pa/dpa/Pedersen)
    Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte, man werde die NPD auch nach dem Scheitern des Verbotsantrags bekämpfen. Und: Er könne verstehen, dass es Menschen wütend mache, wenn die NPD weiterhin Anrecht auf staatliche Finanzierung habe.
    "Politische Dummheit lässt sich nicht verbieten."
    Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger erklärte, die NPD habe nicht mehr denselben Stellenwert und sei ins politische Abseits geraten. "Politik und Gesellschaft müssen jetzt dafür sorgen, dass das so bleibt." Der rheinland-pfälzische Ressortchef Herbert Mertin sagte: "Politische Dummheit lässt sich nicht verbieten." Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte, das Gericht habe so entschieden, weil sich die NPD in einem desolaten Zustand befinde. Andere Organisationen hätten ihr den Rang abgelaufen.
    "Kein Verbot allein beseitigt Ausländerfeindlichkeit und Rassismus."
    Die Bundesregierung nahm das Urteil zurückhaltend auf. Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte, man nehme das Urteil mit Respekt zur Kenntnis. Zugleich rief er dazu auf, sich weiter gegen Rechtsextremismus einzusetzen. "Unabhängig vom konkreten Ausgang des Verfahrens bleibt es dabei: Kein Verbot allein beseitigt Ausländerfeindlichkeit und Rassismus." Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka meinte: "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist wichtig, denn nach 60 Jahren haben wir nun endlich eine klare rechtliche Handhabe". Auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Lau von der Linken und der Grünen-Politiker Beck riefen dazu auf, den Kampf gegen den Rechtsextremismus nun erst recht geschlossen zu führen.
    Der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach von einer "vertanen Chance". In einer Erklärung von Präsident Schuster hieß es, für die jüdische Gemeinschaft und andere Minderheiten wäre ein Verbot wichtig und ermutigend gewesen. Zudem hätte es all jene gestärkt, die sich gegen die NPD engagierten. Zugleich äußerte Schuster die Hoffnung, dass die Verfassungsrichter recht behielten mit ihrer Argumentation, die NPD sei keine politisch schlagkräftige Partei. Auf großes Bedauern stießt die Entscheidung der Verfassungsrichter bei der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. "Das Verbot einer offen rechtsextremen Partei wäre wichtig für die politische Hygiene in unserem Land gewesen." Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sprach in der "Bild"-Zeitung von einem "tragischen Tag für die wehrhafte Demokratie".
    Der Mann im schwarzen Kapuzenpulli schwenkt eine NPD-Fahne. Er ist von hinten zu sehen.
    Ein Anhänger der rechtsextremen NPD. (picture alliance / dpa / Stephan Scheuer)
    Der Bischof der größten Evangelischen Landeskirche Deutschlands, der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, sagte, seine Sorge gelte jedem Einzelnen, der sich von menschenverachtenden, ausgrenzenden, rassistischen, antijudaistischen oder islamfeindlichen Positionen verführen lasse.
    "Unsere Demokratie ist stark genug"
    Keine Stärkung der rechten Kräfte sieht in dem Urteil der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu: "Ich kann mit dem Ergebnis leben", sagte Sofuoglu der "Heilbronner Stimme". "Unsere Demokratie ist stark genug, um gegen rechtsextremistische Kräfte vorzugehen."
    Im Ausland löste das Urteil ebenfalls Enttäuschung aus - so etwa beim Jüdischen Weltkongress. Dessen Präsident Ronald Stephen Lauder erklärte in New York, leider hätten die Richter nicht die seines Erachtens begründete Einschätzung der Antragsteller geteilt, dass die NPD möglicherweise irgendwann erfolgreich sein könnte.
    Franz mit nachdenklichem Blick im Gerichtssal.
    Der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz vor der Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht. (Uli Deck / dpa )
    Groß der Jubel dagegen bei der NPD selbst. Im Internet twitterte sie: "Sieg!"Ihr Bundesvorsitzender Frank Frantz sagte, man sei glücklich, dass die Partei nicht verboten worden sei. Jahrelang sei erklärt worden, die NPD brauche man nicht zu wählen, weil sie verboten würde. Dieses Argument verfange nun nicht mehr.
    Kann das Scheitern des Verbotsantrags der NPD zu neuem Aufschaung verhelfen? Der Politologe Matthias Micus vom Göttinger Institut für Demokratieforschung glaubt dies nicht: "Die Partei wird sich jetzt nicht revitalisieren. Das zeigen die Erfahrungen aus dem letzten gescheiterten Verbotsverfahren." Die NPD werde auch in Zukunft bei Wahlen keine Rolle spielen und auf keiner Ebene über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. "Das Wählerklientel, das die Nationaldemokraten früher erreicht haben, ist jetzt von der AfD absorbiert worden".
    (mg/)