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Bundesverfassungsgericht
Harbarth zum Verfassungsrichter gewählt

Als profilierter CDU-Politiker im Bundestag hat Stephan Harbarth über viele Gesetze entschieden. Zuletzt in seiner Funktion als Fraktionsvize. Jetzt wird er Verfassungsrichter und bald vielleicht schon Gerichtspräsident. Das eckt auch an.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth wird Verfassungsrichter (dpa / Soeren Stache)
    In Fachkreisen und im Berliner Regierungsviertel ist er längst bekannt und hoch geschätzt – nun wird der CDU-Politiker Stephan Harbarth aus dem Wahlkreis Rhein-Neckar neuer Richter am Bundesverfassungsgericht und Nachfolger des scheidenden Vize-Präsidenten Ferdinand Kirchhof. In der breiten Öffentlichkeit ist Harbarth bisher jedoch eher unbekannt - auch wenn er als Bundestagsabgeordneter gerne seine Volksnähe betont:
    "Mir ist der Kontakt zu den Menschen im Wahlkreis sehr wichtig, weil ein Abgeordneter nach meiner Überzeugung nur dann eine gute Arbeit verrichten kann, wenn er in Berlin nicht in einem Raumschiff lebt"
    Bundestagsmandat erregt Anstoß
    Sein bisheriges Mandat als Parlamentarier erregt bei Kritikern jedoch Anstoß. Aktive Berufs-Politiker gehören nicht ans Verfassungsgericht, meint etwa Niema Movassat, Abgeordneter der Linkspartei am Morgen im Deutschlandfunk: "Das Bundesverfassungsgericht entscheidet ja über die Verfassungsmäßigkeit von Bundesgesetzen. Das sind meistens Gesetze, die Politiker mitentworfen haben, vor allem jemand wie Stephan Harbarth, der auch im Rechtsausschuss war. Und um solche Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es bessern, wenn aktive Politiker nicht an das Bundesverfassungsgericht kommen."
    Ausgebildet in Heidelberg und Yale steht Harbarths Qualifikation außer Zweifel und einen Interessenkonflikt mag Verbandspräsidentin Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenbund im Gespräch mit NDR Info auch nicht erkennen: "Es gab auch in der Vergangenheit schon Beispiele des Wechsels von der Politik auf die Richterbank."
    Zum Beispiel die frühere Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach, der ehemalige Landesinnenminister Roman Herzog oder der frühere saarländische Regierungschef Peter Müller. Sie alle wechselten direkt an das höchste deutsche Gericht:
    Unterschiedliche Berufserfahrung hilfreich
    "Und das Bundesverfassungsgericht lebt davon , dass in jedem Senat acht Richterinnen und Richter ganz unterschiedlicher Herkunft und politischer Auffassung zusammen die Auslegung der Verfassung betreiben. Und ich denke, unterschiedliche Berufserfahrungen können da auch hilfreich sein."
    Doch auch die Grünen hatten zunächst Bedenken gehabt, zumal Stephan Harbarth in zwei Jahren voraussichtlich den scheidenden Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts, Andreas Voßkuhle, ablösen wird. Der erbitterte Streit in den USA und in Polen um die Besetzung höchster Richterstellen hinterlässt nun Spuren auch in der deutschen Debatte. Gefragt zu den großen gesellschaftlichen Themen tritt der 46-jährige Harbarth meinungsstark auf. Entschieden verteidigt er zum Beispiel den UN-Migrationspakt:
    "Deutschland hat ein Interesse daran, dass in anderen Ländern auf der Welt Mindeststandards im Umgang mit Flüchtlingen etabliert werden. Warum? Wenn Flüchtlinge in anderen Ländern Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten, dann ist ihr Anreiz geringer nach Deutschland zu kommen. Das ist unser zentrales Anliegen, dass wir den Migrationsdruck auf Deutschland nicht erhöhen, sondern reduzieren."
    Scharf verteidigt Harbarth seine Sichtweise auch gegenüber der AfD. Als Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch kürzlich im Bundestag den Migrationspakt verurteilte, konterte der Christdemokrat und warf der Juristin Storch fehlende Sachkenntnis vor: "Ich kann mir die eigentlich nur so erklären, dass das Völkerrecht heute in vielen Bundesländern nicht mehr zum Kernbereich der juristischen Ausbildung gehört."
    Durchaus konservativ
    In der Gesellschaftspolitik denkt der dreifache Familienvater hingegen durchaus konservativ. Er stimmte gegen die Ehe für alle. Und auch bei der Frage, ob Ärzte über Abtreibungen informieren dürfen, äußert sich Harbarth restriktiv. Dass er in einer der größten deutschen Kanzleien für Wirtschaftsrecht arbeitet, und zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften zählt, erregt hingegen keine Kritik. Verbandspräsidentin Maria Wersig vom Juristinnenbund moniert allerdings, dass wieder keine Frau nach Karlsruhe entsandt wird.