Warum prüft Karlsruhe Hartz-IV-Kürzungen?
Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Leistungskürzungen unter die Lupe, die im schlimmsten Fall so weit gehen können, dass jemand ohne Unterstützung dasteht. Zuvor hatte ein Arbeitsloser aus Ost-Deutschland das Job-Center Erfurt verklagt. Dieses hat ihm das Arbeitslosengeld II gekürzt. Zuerst um 30 Prozent, weil er eine Stelle als Lagerarbeiter abgelehnt hatte, da er lieber im Verkauf arbeiten wollte. Einen Gutschein über eine Art Probepraktikum in diesem Bereich ließ er später verfallen. Das Jobcenter kürzte ihm deshalb 2014 die monatliche Grundsicherung - erst um 30 Prozent, dann um 60 Prozent.
Das Sozialgericht in Gotha hält die Klage für berechtigt und hat den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung vorgelegt. Der Staat könne mit der Kürzung nicht mehr das im Grundgesetz verbürgte Existenzminimum wahren, so die Gothaer Richter.
Worüber entschiedet das Verfassungsgericht?
Ab Dienstag wird sich das Bundesverfassungsgericht intensiv mit der Rechtmäßigkeit von Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger auseinandersetzen. Dabei soll es unter anderem um die Fragen gehen, ob alle Mitwirkungspflichten von Arbeitslosen sinnvoll und auch zumutbar sind, welche Job-Angebote sie annehmen müssen und welche nicht und darum, wie sich die Leistungskürzungen auswirken.
Neben vielen Sachverständigen wird auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Karlsruhe anwesend sein. Er hat sich bereits dafür ausgesprochen, die Sanktionen zu entschärfen. Ein Urteil wird es frühesten in einigen Monaten geben.
Um welche Sanktionen geht es?
Hartz-IV-Empfänger sind gesetzlich verpflichtet, sich aktiv um ein Ende ihrer Bedürftigkeit zu bemühen. Kommen sie dem ohne wichtigen Grund nicht nach, drohen Leistungskürzungen in mehreren Stufen. Auch die Übernahme der Kosten für die Unterkunft kann gestrichen werden. Im äußersten Fall fallen sämtliche Leistungen weg. Junge Menschen unter 25 Jahren werden besonders scharf sanktioniert.
Positionen zur Hartz-IV-Debatte
Die SPD hat mit ihren Vorschlägen zu einer Reform von Hartz-IV in den vergangenen Wochen eine weite Debatte angestoßen. Die Sozialdemokraten hatten gefordert, ein Bürgergeld müsse die neue Grundsicherung sein, Sanktionen sollten weitgehend entfallen.
Der FDP-Politiker Michael Theurer forderte im Deutschlandfunk mehr Anreize zum Hinzuverdienst: "Wir brauchen Fördern und Fordern", sagte er im Interview.
Dagegen wandte Gerhard Bosch vom Institut für Arbeit und Qualifikation im Deutschlandfunk-Interview ein, die Anreize bei Hartz-IV seien völlig falsch gesetzt: "Das Versprechen der Hartz-Gesetze hat man nicht gehalten".
Die Zahl der Hartz-IV-Haushalte war zuletzt gesunken. Erstmals seit der Einführung vor 14 Jahren leben weniger als drei Millionen Haushalte von der Grundsicherung.