Mario Dobovisek: Die Verfassungsbeschwerden gegen die Euro-Rettung, das Bundesverfassungsgericht hat sie also abgewiesen mit einem Ja zum Euro und dessen Rettung, allerdings mit einem "Ja, aber". Am Telefon in Karlsruhe begrüße ich nun einen der Kläger, den Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty. Guten Tag, Herr Starbatty.
Joachim Starbatty: Guten Tag nach Köln!
Dobovisek: Ihre Klage wurde abgewiesen. Sind Sie enttäuscht?
Starbatty: Man konnte nicht erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Klage recht gibt. Wenn man gesagt hätte seitens des Gerichtes, der Rettungsschirm verstößt gegen das Grundgesetz, das wäre natürlich ein Einschnitt in die europäische Politik gewesen, die Märkte hätten da sofort drauf reagiert. Da hätten lauter Helden drinsitzen müssen, wenn sie uns da recht gegeben hätten. Insofern hat das Gericht, wenn ich so sagen darf, salomonisch entschieden. Es hat gesagt, wir lehnen jetzt die Klage ab, aber hat dann in der Begründung nachgeschoben, was wir auch eben gesagt haben, das parlamentarische Budgetrecht darf nicht beschnitten werden, es darf keine Entmachtung durch das Parlaments selbst geben, die Parlamentarier sind ihren Wählern gegenüber verpflichtet und keiner abstrakten europäischen Idee, und das Gericht hat auch gesagt, es darf keinen finanzpolitischen Automatismus geben, der nicht mehr steuerbar ist. Also eine Haftungsgemeinschaft, über die der Bundestag nicht mehr richtig entscheiden kann, das darf es nicht geben.
Dobovisek: Ist das dann also – Sie sagen, Herr Starbatty, ein salomonisches Urteil – gleichzeitig auch gut für die Zukunft Europas, so wie es heute gesprochen wurde?
Starbatty: Das Bundesverfassungsgericht hat eben da sozusagen eine Gratwanderung vollzogen. Es hat gesagt, die jetzigen Summen, die da im Spiel stehen, die sind noch verkraftbar, aber ob jetzt zukünftige Aufstockungen, die dann nicht nur Griechenland und Irland sozusagen umfassen, sondern Spanien und Italien, dann ist natürlich die Haushaltsautonomie ausgehöhlt und dann wird es wieder kritisch werden. Dann kann man gegen solche Sachen wirklich klagen, beziehungsweise dann ist der Bundestag gehalten, dann nicht zuzustimmen.
Dobovisek: Dennoch: Sie sehen eine düstere Zukunft für den Euro voraus. Das haben Sie auch gerade mit Ihrem jüngsten Buch dargestellt, das Sie gemeinsam mit weiteren Kollegen vorgestellt haben.
Starbatty: Ja.
Dobovisek: Wann wird der Euro Ihrer Meinung nach kollabieren?
Starbatty: Es ist so: Die jetzige Politik hilft ja den Ländern nicht, sondern hilft den Banken, die den Ländern Kredite gegeben haben. Diese Länder werden immer stärker in die Rezession hineingestoßen. Einen heißen Herbst kann es sehr gut in Spanien geben, auch in anderen Staaten, und wenn die EZB Staatsanleihen aufkauft, italienische und spanische Staatsanleihen, dann ist zu erwarten, dass irgendwann natürlich auch diese Länder unter den Rettungsschirm schlüpfen müssen, sich da retten müssen, und dann wird das schwächste Glied in der Kette einknicken, und das sehe ich in Frankreich. Die Franzosen haben jetzt schon Schwierigkeiten, ihr Triple A zu halten. Wenn die Franzosen einknicken, knicken auch wir ein, und das kann relativ rasch sein. Ich würde sagen, in zwei Jahren kann das zu Ende sein.
Dobovisek: Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat heute in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag gesagt, scheitert der Euro, scheitert Europa. Sehen Sie das genauso? Scheitert Europa, wenn es den Euro nicht mehr gäbe?
Starbatty: Nein. Wir haben ja Polen, die den Euro nicht haben, wir haben die Engländer, die haben den Euro nicht, die Schweden haben ihn nicht. Also dann ist natürlich jetzt eine neue Situation gegeben, die schwierig ist. Aber dass gesagt wird, wenn der Euro scheitert, scheitert ganz Europa, das ist reiner Alarmismus.
Dobovisek: Das heißt aber auch, wenn ich das so ein bisschen heraushöre, dass der Euro gar nicht so wichtig ist für Europa, obwohl es eine gemeinsame Wirtschaftskraft darstellt.
Starbatty: Wir haben ja in der Europäischen Union Subventionszahler und Subventionsempfänger, und eine Mischung von Subventionszahlern und Subventionsempfängern ist nie stabil, sondern dann wird Europa geschwächt, und dass man so in der Welt ein gewichtiges Wort mitreden kann, wenn man diese Mischung hat, diesen Glauben kann man sich wirklich abschminken.
Dobovisek: Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, dessen Einwände das Bundesverfassungsgericht heute abgewiesen hat. Vielen Dank für das Gespräch.
Starbatty: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Joachim Starbatty: Guten Tag nach Köln!
Dobovisek: Ihre Klage wurde abgewiesen. Sind Sie enttäuscht?
Starbatty: Man konnte nicht erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht unserer Klage recht gibt. Wenn man gesagt hätte seitens des Gerichtes, der Rettungsschirm verstößt gegen das Grundgesetz, das wäre natürlich ein Einschnitt in die europäische Politik gewesen, die Märkte hätten da sofort drauf reagiert. Da hätten lauter Helden drinsitzen müssen, wenn sie uns da recht gegeben hätten. Insofern hat das Gericht, wenn ich so sagen darf, salomonisch entschieden. Es hat gesagt, wir lehnen jetzt die Klage ab, aber hat dann in der Begründung nachgeschoben, was wir auch eben gesagt haben, das parlamentarische Budgetrecht darf nicht beschnitten werden, es darf keine Entmachtung durch das Parlaments selbst geben, die Parlamentarier sind ihren Wählern gegenüber verpflichtet und keiner abstrakten europäischen Idee, und das Gericht hat auch gesagt, es darf keinen finanzpolitischen Automatismus geben, der nicht mehr steuerbar ist. Also eine Haftungsgemeinschaft, über die der Bundestag nicht mehr richtig entscheiden kann, das darf es nicht geben.
Dobovisek: Ist das dann also – Sie sagen, Herr Starbatty, ein salomonisches Urteil – gleichzeitig auch gut für die Zukunft Europas, so wie es heute gesprochen wurde?
Starbatty: Das Bundesverfassungsgericht hat eben da sozusagen eine Gratwanderung vollzogen. Es hat gesagt, die jetzigen Summen, die da im Spiel stehen, die sind noch verkraftbar, aber ob jetzt zukünftige Aufstockungen, die dann nicht nur Griechenland und Irland sozusagen umfassen, sondern Spanien und Italien, dann ist natürlich die Haushaltsautonomie ausgehöhlt und dann wird es wieder kritisch werden. Dann kann man gegen solche Sachen wirklich klagen, beziehungsweise dann ist der Bundestag gehalten, dann nicht zuzustimmen.
Dobovisek: Dennoch: Sie sehen eine düstere Zukunft für den Euro voraus. Das haben Sie auch gerade mit Ihrem jüngsten Buch dargestellt, das Sie gemeinsam mit weiteren Kollegen vorgestellt haben.
Starbatty: Ja.
Dobovisek: Wann wird der Euro Ihrer Meinung nach kollabieren?
Starbatty: Es ist so: Die jetzige Politik hilft ja den Ländern nicht, sondern hilft den Banken, die den Ländern Kredite gegeben haben. Diese Länder werden immer stärker in die Rezession hineingestoßen. Einen heißen Herbst kann es sehr gut in Spanien geben, auch in anderen Staaten, und wenn die EZB Staatsanleihen aufkauft, italienische und spanische Staatsanleihen, dann ist zu erwarten, dass irgendwann natürlich auch diese Länder unter den Rettungsschirm schlüpfen müssen, sich da retten müssen, und dann wird das schwächste Glied in der Kette einknicken, und das sehe ich in Frankreich. Die Franzosen haben jetzt schon Schwierigkeiten, ihr Triple A zu halten. Wenn die Franzosen einknicken, knicken auch wir ein, und das kann relativ rasch sein. Ich würde sagen, in zwei Jahren kann das zu Ende sein.
Dobovisek: Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat heute in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag gesagt, scheitert der Euro, scheitert Europa. Sehen Sie das genauso? Scheitert Europa, wenn es den Euro nicht mehr gäbe?
Starbatty: Nein. Wir haben ja Polen, die den Euro nicht haben, wir haben die Engländer, die haben den Euro nicht, die Schweden haben ihn nicht. Also dann ist natürlich jetzt eine neue Situation gegeben, die schwierig ist. Aber dass gesagt wird, wenn der Euro scheitert, scheitert ganz Europa, das ist reiner Alarmismus.
Dobovisek: Das heißt aber auch, wenn ich das so ein bisschen heraushöre, dass der Euro gar nicht so wichtig ist für Europa, obwohl es eine gemeinsame Wirtschaftskraft darstellt.
Starbatty: Wir haben ja in der Europäischen Union Subventionszahler und Subventionsempfänger, und eine Mischung von Subventionszahlern und Subventionsempfängern ist nie stabil, sondern dann wird Europa geschwächt, und dass man so in der Welt ein gewichtiges Wort mitreden kann, wenn man diese Mischung hat, diesen Glauben kann man sich wirklich abschminken.
Dobovisek: Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, dessen Einwände das Bundesverfassungsgericht heute abgewiesen hat. Vielen Dank für das Gespräch.
Starbatty: Bitte sehr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.