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Bundesverfassungsgericht
Union kritisiert "Gestaltungsanspruch"

Politiker aus der Union sind mit vielen Urteilen des Bundesverfassungsgericht unzufrieden und kritisieren einen "Gestaltungsanspruch" der Richter. Bundestagspräsident Norbert Lammert will den Einfluss aus Karlsruhe eindämmen - doch die Kritik erntet Widerspruch.

    Die Richterbank am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
    Die Richterbank am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (imago/Stockhoff)
    Lammert (CDU) hatte sich in seiner Kritik vor allem auf die Entscheidung bezogen, die Fünfprozenthürde bei Kommunalwahlen aufzuheben. Das Urteil habe "ruinöse Folgen" für die Entscheidungsfindung auf kommunaler Ebene, sagte Lammert der "Welt am Sonntag" und plädierte für eine Grundgesetzänderung, um den Einfluss der Richter einzudämmen. Lammert hatte einen "deutlich erkennbaren Gestaltungsanspruch" der Karlsruher Richter in "hoch politischen Fragen" kritisiert.
    Brok: Richter haben "Verachtung für Politik"
    "Wir haben hier eine der wenigen wirklichen Lücken in der Verfassung", sagte Lammert. Das Grundgesetz schweige "zu den Grundsätzen des Wahlsystems, zur Frage nach Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht, nach Sperrklauseln oder dem Ausgleich von Überhangmandaten". Diese Lücke verleite das Gericht dazu, in den Spielraum des Gesetzgebers einzugreifen.
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU), griff das Gericht wegen der Abschaffung der Dreiprozenthürde bei Europawahlen an. "Mit dem Urteil schwächt Deutschland sich selbst", sagte er der "Welt am Sonntag". Einerseits klage das Verfassungsgericht über zu wenig Demokratie in der Europäischen Union, andererseits hindere es das Parlament daran, "vernünftige demokratische Kontrolle auszuüben". In dem Urteil komme "die Verachtung einiger Richter für Politik zum Ausdruck", sagte Brok.
    Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, unterstellte dem Gericht den Versuch, "relativ stark" in die politische Entscheidungsfreiheit einzugreifen. "Zugleich setzt das Verfassungsgericht fast unlösbare Aufgaben für den Gesetzgeber, das sehe ich kritisch", sagte Hasselfeldt und nannte als Beispiel konkrete Vorschriften des Gerichts für die Gesetzgebung. "Karlsruhe ist nicht der bessere Gesetzgeber", sagte Hasselfeldt.
    Justizminister Maas lehnt die Kritik ab
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nahm das Bundesverfassungsgericht gegen diese Kritik in Schutz. "Das Gericht ist ein Garant für Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte", sagte Maas der Onlineausgabe der "Welt" vom Sonntag.
    Das Ansehen des Gerichts sei in der Bevölkerung "völlig zu Recht sehr hoch". Zwar würden die Urteile aus Karlsruhe möglicherweise nicht immer jedem Politiker gefallen, fügte der Justizminister hinzu. "Das darf doch aber kein Grund sein, nun eine Verringerung seiner Kompetenzen zu fordern." Maas wollte die Kritik nicht gelten lassen. "Wenn viele grundsätzliche politische Fragen in Karlsruhe geklärt werden müssen, hat sich die Politik das am Ende auch selbst zuzuschreiben", sagte der Minister.
    Unterstützung bekam der SPD-Politiker von FDP-Chef Christian Lindner. "Der großen Koalition ist die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts ein Dorn im Auge", sagte Lindner der "Welt". Das Gericht stehe der ungehemmten Machtausübung der Politik entgegen.
    (nch/cc)