"Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht! Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht!"
Weimar 2002. Die Demonstration, auf der junge Männer mit kurzen Haaren und schweren Jacken "Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht" skandierten, war von der NPD angemeldet. Die Partei stand im Fokus des Medieninteresses. Seit einem Jahr lief damals das erste Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Heute geriert sich die Partei anders.
"Europa wählt rechts! Weltoffenheit bedeutet nicht, sich hundertausendfach von Scheinasylanten betrügen lassen zu müssen. Und Hilfsbereitschaft bedeutet auch nicht, sich von fremden Menschen dauernd ins eigene Portemonnaie greifen zu lassen."
Auch jetzt läuft ein Verbotsverfahren. Von den Inhalten, die die rechtsextremistische Partei vertritt, ist diesmal öffentlich wenig die Rede. Und das hat seinen Grund gerade in dem früheren Verfahren. Denn damals hatten die Richter klar gemacht: Ein Parteiverbot ist im demokratischen Rechtsstaat ein so sensibles Instrument, dass hohe Maßstäbe gelten müssen. Denen waren die Antragsteller - damals Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung - nicht gerecht geworden. Der Senatsvorsitzende Winfried Hassemer:
"Das verfassungsgerichtliche Parteiverbot, die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde, braucht ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des Verfahrens."
Führungsriegen waren durchsetzt mit V-Leuten
Und die gab es bekanntlich nicht. Die Führungsriegen der NPD in Bund und Ländern waren regelrecht durchsetzt mit V-Leuten. Zitate freiwilliger Zuträger der Verfassungsschutzämter sollten zum Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Partei dienen. Der bayerische Verfassungsschutz versuchte sogar noch nach Antragstellung, ein Vorstandsmitglied anzuwerben. Drei der sieben Verfassungsrichter glaubten damals nach immer neuen Pannen, die Verquickung von Staat und Partei sei in diesem Verfahren unentwirrbar. Aus prozessualen Gründen konnte sich die Minderheit der drei durchsetzen. Im März 2003 verkündete Winfried Hassemer die Einstellung des Verfahrens.
"Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren."
"Es hat natürlich alle belastet", sagt Christoph Möllers über das Scheitern des ersten NPD-Verbotsverfahrens.
Der Berliner Staatsrechtslehrer ist einer der beiden Prozessvertreter des Bundesrates. Nur dieser ist diesmal nach Karlsruhe gezogen. Bundestag und Bundesregierung, die 2001 bis 2003 noch mit dabei waren, konnten sich nach der Niederlage nicht zu einem neuen Versuch entschließen.
"Es schwebt über den Nachrichtendiensten, weil es natürlich schon eine nachhaltige Erfahrung des Scheiterns war, es schwebt über dem politischen Prozess. Auf der anderen Seite war die Art, wie es aufgelaufen ist, wahrscheinlich auch ein Punkt der Motivation, es nochmal zu versuchen."
Wenn auch in anderer Form. Nicht nur Christoph Möllers und der zweite Prozessvertreter Christian Waldhoff haben auf saubere Anträge gedrängt. Auch den Ministerpräsidenten und Innenministern ist diesmal klar: Entweder die Nachrichtendienste stellen die Zusammenarbeit mit den bezahlten Zuträgern rechtzeitig vor dem Gang nach Karlsruhe ein - oder es wird kein zweites Verbotsverfahren geben. Die Einschätzung ist gerechtfertigt. Denn obwohl diesmal die Innenminister schriftlich versichern, keine V-Leute mehr in Vorständen oder sonst auf höchster Ebene der NPD zu führen, obwohl sie beteuern, alle vor Gericht eingereichten NPD-Texte seien ohne Mitarbeit von Zuträgern des Staates zustande gekommen, zeigen sich die Richter skeptisch. Im März haben sie genauer nachgefragt, sehr viel genauer. Am Freitag endet die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist für die Antwort des Bundesrates. Viele erwarten, dass diese Antworten der Länderkammer nicht leicht fallen. Schließlich geben Nachrichtendienste nicht gern Details über ihre Quellen preis.
Kritik am Instrument V-Person
Diese Geheimhaltung ist einer der Gründe, warum manche das Instrument "V-Person" grundsätzlich ablehnen. Der Linkenpolitiker André Hahn, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, forderte kürzlich in der Debatte zur Reform des Verfassungsschutzes, in der erstmals Regeln für V-Leute aufgestellt werden sollen:
"Statt zu versuchen, den seit langem heftig umstrittenen Einsatz von V-Leuten oder von ihnen begangene Straftaten irgendwie auf rechtliche Grundlagen zu stellen, sollte der Bund vielmehr die derzeit noch aktiven V-Leute schnellstmöglich abschalten. Im Übrigen auch um das laufende NPD-Verbotsverfahren nicht weiter zu gefährden."
Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hält nichts von solchem Verzicht auf Zuträger. V-Personen sind keine Beamten, sie sind Teil der Szene, über die sie berichten. Und, so Maaßen, sie seien nötig:
"In allen unseren Phänomenbereichen. Ob es Linkextremismus ist, Spionageabwehr, islamistischer Extremismus, IS, Al Qaida. Aber denken Sie auch an die Polizei. Die wäre ohne V-Leute im Bereich organisierter Kriminalität und Rauschgiftkriminalität fast aufgeschmissen."
Vor allem gewaltbereite Extremisten schotten sich ab, sagt der Bundesverfassungsschutzpräsident.
"Um zu wissen, was sie vorhaben, oder um zumindest erahnen zu können, wer was vorhaben könnte, muss man Leute in der Szene haben. Wir werden schwer Leute an den harten Kern heranbringen, also an Personen, die zu allem entschlossen sind und Terroranschläge begehen wollen. Aber wir werden Personen - ich sag mal - in das Fruchtfleisch führen können, in das, was um den Kern herum ist."
Nach Enttarnung plauderte sich ehemaliger V-Mann durch die Medien der Republik
Soviel Zurückhaltung gegenüber dem Kern der Bewegung hatte man allerdings in der Vergangenheit bei der NPD oder rechtsextremistischen Bestrebungen nicht. Schließlich war da der Vorwurf gerade, dass der Staat mit den eigentlichen Entscheidungsträgern kooperierte. So wie mit Wolfgang Frenz, ehemals stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Nordrhein-Westfalen. Nach seiner Enttarnung plauderte er sich durch die Medien der Republik und berichtete über die Wünsche seines Auftraggebers, des Landesverfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen.
"Die wollten dann also schon wissen, wer ist im Vorstand gewählt worden, wie ist also die Stimmung im Vorstand und solche Sachen. Das habe ich also durchaus mit meinem Gewissen vereinbaren können, das zu sagen. Ich sehe da keinen Geheimnisverrat drin, weil es keine Geheimnisse waren."
Es habe überhaupt keine Sensibilität für das Problem gegeben, ist aus Sicherheitskreisen zu hören. Selbst Behördenleiter hätten keine Ahnung gehabt, dass unter den Zuträgern ein Vorstandsmitglied der NPD war, heißt es in den Kreisen. Nach dem gescheiterten Verbotsverfahren habe man die Verbindung zu allen Führungskadern gekappt, "abgeschaltet" nennen das Mitarbeiter der Nachrichtendienste. Allerdings: Zuträger aus dem rechtsextremistischen Milieu gab es nach wie vor zuhauf, wie wir heute wissen. Die Untersuchungen zum Staatsversagen bei Verhinderung und Aufklärung der NSU-Morde brachten eine ganze Reihe von V-Leuten zutage. Zum Teil standen sie auch Jahre nach dem ersten Verbotsverfahren noch auf staatlichen Lohnlisten. Und bei einigen von ihnen wiederholte sich die Problematik der Führungskader auf ganz andere Weise. Denn Spitzel wie Tarif, Piatto oder Corelli waren Führungsfiguren der sogenannten Kameradschaftsszene. Die ist durchaus nicht gleichbedeutend mit der NPD, in Einzelfällen gab es aber Überschneidungen. In der ARD-Dokumentation V-Mann-Land bekannte kürzlich Michael von Dolsperg alias V-Mann Tarif:
"Wenn ich ein Konzert organisiere, wo 600 Nazis mit erhobenem Arm dastehen, dann stimmt irgendwas nicht. Da habe ich im Prinzip als verlängerter Arm des Staates dafür gesorgt, dass 600 Leute diese Straftat verübt haben. Das zeigen des Hitlergrußes ist ja nun verboten. Ich habe im Prinzip im Auftrag des Staates Leute dazu gebracht, Straftaten zu begehen."
"Der Verfassungsschutz half, Verfassungsfeinde aufzubauen, anstatt die Verfassung zu schützen", so fasst es Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau von der Linkspartei zusammen.
"Klarer kann sich das Amt nicht delegitimieren."
Auch der V-Mann Corelli organisierte Veranstaltungen. Er wurde vom Bundesamt geführt. Dessen Präsident Hans-Georg Maaßen sagt auch heute noch:
"Corelli war für uns eine Hochwertquelle, weil er in der Lage war, aus allen Phänomenbereichen des Rechtsextremismus zu berichten. Ob das jetzt nun die Musikszene war, die Hooliganszene war, die Skinheadszene war. Oder denken Sie an Ku-Klux-Klan."
Der Fall Piatto
Auch wenn sich das, was über V-Leute in der Kameradschaftsszene bekannt geworden ist, nicht eins zu eins auf die NPD übertragen lässt - Überschneidungen gibt es. Der V-Mann Piatto ist so ein Fall. Er hatte sich im Auftrag des Brandenburger Verfassungsschutzes in der Partei engagiert, als Organisationsleiter im Landesvorstand. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags kritisierte das in der vergangenen Legislaturperiode scharf. Vor allem, sagt der Grüne Obmann Wolfgang Wieland, weil das Landesamt so auf Entscheidungsstrukturen der NPD Einfluss nahm.
"Insbesondere, indem sie einen Mann mit vielfältigen Kontakten in die militante Neonaziszene in ein Entscheidungsgremium der NPD lotste, in dem dieser dann quasi das Zusammenwachsen von NPD und militanter Naziszene noch weiter forcieren konnte. Also, den Endpunkt der Entwicklung: NPD und Neonazis Arm in Arm hat der Verfassungsschutz hier mit vorangetrieben."
Das war im Jahr 2000, andere problematische Verbindungen gab es auch später noch. Der Fall Piatto zeigt daneben auf ganz besondere Weise, wie sehr die Zusammenarbeit mit Extremisten aus dem Ruder laufen konnte: Der Landesverfassungsschutz Brandenburg führte und unterstützte ihn, obwohl er wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war.
Piatto bot sich dem Verfassungsschutz selbst aus der Untersuchungshaft an. Andere erzählen andere Geschichten. Tarif sagt, er habe eigentlich aussteigen wollen aus der Szene, der Verfassungsschutz habe ihn überredet, weiterzumachen. Es ist eine Version, die andere stark in Zweifel ziehen. In Zukunft soll das Verfassungsschutzgesetz zum Einsatz von V-Leuten festschreiben: Wer an Aussteigerprogrammen teilnimmt, darf nicht angeworben werden, die Bezahlung soll nicht zu hoch sein, Zuträger mit einer bestimmten Höhe der Vorstrafen sollen tabu sein. Noch vor der Sommerpause will der Bundestag die Änderungen beschließen. All die hochproblematischen Fälle der Zusammenarbeit, die durch die Untersuchungsausschüsse und Gerichtsverfahren bekannt wurden, stammen aus den 90er- und frühen 2000er-Jahren. Verfassungsschutzpräsident Maaßen sagt: Mit der heutigen Praxis habe das nichts zu tun.
"Da muss man ehrlich sagen, die Situation Ende der 90er-Jahre in den Neuen Bundesländern, vor allem beim Verfassungsschutz, war eine andere als die heute ist. Was auch daran liegt, dass die Behörden im Grunde genommen völlig neu damals aufgestellt wurden, keine Vorgänger hatten. Wir im Bundesamt hatten schon sehr früh einheitliche Quellenstandards eingeführt. Was wir jetzt gemacht haben ist, dass wir diesen Standard mit den Ländern vereinheitlicht haben."
Ob das so ist? Wie viele Spitzel es in einflussreichen Positionen der NPD selbst gab, werden wir vermutlich erfahren, wenn der Schriftsatz des Bundesrates bekannt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat Auskunft über die Zahl verlangt. Klar ist: In irgendwelchen hohen Positionen - seien es Vorstände oder andere einflussreiche Kreise - müssen die deutschen Nachrichtendienste Zuträger gehabt haben. Denn während die SPD-geführten Länder nach einigem Hin und Her beschlossen, ihre einflussreichen V-Leute abzuschalten, konnten sich die meisten Innenminister der Union erst 2012 dazu entschließen. Bundesverfassungsschutzpräsident Maaßen betont, die Entscheidung über ein Verbotsverfahren sei eine rein politische. Aber auch:
"Ich möchte jetzt zu Details natürlich nichts sagen. Ich möchte nur deutlich machen: Wenn eine Quelle in einer derartigen Organisation abgeschaltet wird, handelt es sich nicht um eine Nur-Quelle für diese Organisation, sondern regelmäßig wird sie auch aus anderen Bereichen berichten. Und das ist für uns dann schon in Teilen ein deutlicher Informationsverlust. Bei der Frage, ob ein Verbotsverfahren eingeleitet wird oder nicht, musste man auch immer abwägen."
Zentrale Datei soll Informationen bündeln
Trotzdem entschieden sich schließlich alle Landes-Innenminister dafür, das Verbotsverfahren zu betreiben. Bund und Länder sagten sich dabei offenbar gegenseitig nicht, welche V-Leute sie führten, aber wo sie welche führten. In Zukunft sollen solche vagen Angaben für die Verfassungsschutzämter auch dauerhaft in einer Datei zu finden sein. Einige Landesminister waren anfangs nicht bereit, selbst dafür einzustehen, dass konkret diese NPD-V-Leute wirklich abgeschaltet worden waren, wollten nur auf Aussagen ihrer Verfassungsschutzämter verweisen. Der Prozessvertreter Christoph Möllers sagt: Nach den Erfahrungen 2003, als V-Leute angeblich überraschend aufgetaucht waren, hätte ein solcher Antrag wenig Chancen in Karlsruhe gehabt. Letztlich unterschrieben alle Minister die sogenannten Testate. Die Verfassungsschutzämter prüften das gesamte Beweismaterial - Flugblätter, Reden, Beschlüsse - auf sogenannte Quellenfreiheit, nach zwei Kategorien. Christoph Möllers:
"Auf der einen Seite haben wir gesagt, wir präsentieren sowieso nur Dokumente, die öffentlich zugänglich sind. Also Dinge, die die NPD selbst veröffentlicht hat oder in öffentlichen Reden geäußert hat. Aber dann muss natürlich auch klar sein, dass die Leute, die da reden, sozusagen nicht irgendwie mit dem Staat verbandelt sind. Und Kategorie 1 sind Äußerungen, die einer Person zurechenbar sind, bei der wir dann sozusagen testieren, dass diese Person nicht irgendwie für als V-Person die Nachrichtendienste agiert hat und irgendwie ein Zusammenhang besteht. Und Kategorie 2 sind Dokumente, die wir nicht einer Person eindeutig zurechnen können, weil sie einer Gruppe, einem Vorstand oder so zugewiesen werden können. Und wo wir dann nur sagen können: Diese Gruppe, das Umfeld der Gruppe ist auch quellenfrei."
Der NPD allerdings genügt das nicht. Bis jetzt hat sich die Partei in dem Verfahren nicht auf die eigentlichen Inhalte eingelassen. In dem Hin und Her der Schriftsätze geht es vor allem um mögliche Staatsspitzel oder sonstige angebliche Beobachtung durch die Nachrichtendienste. Die so genannten Testate, die Zusicherungen der Minister über die Quellenfreiheit, nennt der NPD-Anwalt Peter Richter:
"Bloße Behauptungen des Antragstellers ohne beweisrechtlichen Mehrwert."
Immer wieder schreibt der Anwalt an das Gericht:
An der Vorlage der zugrundeliegenden Akten der bundesdeutschen Geheimdienste führt daher kein Weg vorbei.
"Das ist das Szenario, das Skeptiker von Anfang an befürchtet haben. Es ist mit ein Grund, warum Bundestag und Bundesregierung sich nicht entschließen konnten, mitzumachen beim erneuten Verbotsantrag. Denn das würde die Enttarnung aller V-Leute bedeuten. Lange Zeit war nicht klar, wie ernst die Verfassungsrichter diesmal die V-Leute-Problematik nehmen würden. Immerhin haben sie bisher keinen Grund, sich getäuscht zu fühlen - anders als 2003. Seit dem Beschluss im März ist klar: Sie nehmen die Problematik sehr ernst. Die bloßen Versicherungen genügen ihnen nicht. Sie verlangen vom Bund und den einzelnen Ländern zu belegen, wie viele V-Leute sie mit welchem Ablauf abgeschaltet haben. Normalerweise wird bei V-Leuten eine so genannte Nachsorge betrieben. Das bedeutet: Sie haben noch einen Ansprechpartner. Meist bedeutet es auch: Sie bekommen noch Geld. All das, sagt der Bundesrat, finde hier nicht mehr statt. Auch hier fordert der Senat Belege. Was die Richter genau sehen wollen, ist nicht bekannt. Der Prozessvertreter Möllers glaubt - anders als die NPD - dafür müsse man keinen V-Mann enttarnen. Es müsse genügen, die Verwaltungsvorgänge, die hinter solchen Beschlüssen stehen, plausibel zu machen."
"Also zu zeigen: Hier ist eine Entscheidung politisch getroffen worden, etwa von der Innenministerkonferenz, die ist über die Minister weitergeleitet worden, die ist an die Polizeidienststellen gegangen und an die Dienste vor allem. Und dann haben wir hier vielleicht jemanden. Und dieser jemand ist tatsächlich mit einem Protokoll abgeschaltet worden, der hat eine Erklärung unterschrieben und so weiter. Das kann man natürlich nicht so wie es ist geben, jedenfalls nicht, wenn es an die Antragsgegnerin weitergegeben wird. Sondern da muss man Namen schwärzen, Daten schwärzen. Aber ich glaube, das ist dann schon etwas anderes als eine bloße Behauptung."
Ob das genügt? Und wie Umgehen mit dem Parteiprogramm? Es wurde 2010, also vor dem Beschluss, die V-Leute in den Führungsgremien abzuschalten, geschrieben. Das zentrale Dokument im Verbotsverfahren hinterfragen die Verfassungsrichter. Auch hier, sagt der Staatsrechtler Möllers, könne man nur versuchen, plausibel zu machen, dass keine V-Leute bei der Abfassung die Fäden gezogen hätten.
In Medienberichten heißt es, den Richtern würde weitere Akteneinsicht "in camera" angeboten, also hinter verschlossen Türen; verschlossen vor allem für die NPD. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sich die Richter darauf einlassen werden.
Enttarnen und für Leben der V-Leute gefährden
Oder doch enttarnen? Dafür müsste das Innenministerium die Gefahr für Leib und Leben der V-Leute gegen den Erkenntnisgewinn vor Gericht abwägen. All den V-Leuten, die im Zuge der NSU-Ermittlungen enttarnt worden sind, sei nichts Schlimmes passiert, sagt der ehemalige Obmann der Grünen, Wolfgang Wieland und hält es deshalb für möglich, die Akten zu öffnen. Allerdings, warnt der Verfassungsschützer Maaßen, gehe es bei solchen Entscheidungen auch um das Instrument des V-Manns als solchem. Mit Diensten, die ihre V-Leute letztendlich verraten, wolle keiner zusammenarbeiten. Christoph Möllers kann der Nachfrage der Richter sogar Positives abgewinnen. Man könne Nachrichtendienste durchaus hinterfragen, sagt er.
"Aber es ist schon ein bemerkenswerter Kulturwandel und fast schon Kulturbruch auch durch die Verwirklichung des Hinweisbeschlusses auch innerhalb der Dienste geschehen. Die Dienste werden sich auch durch diese Dokumentation in einer Weise öffnen und auch etwas von ihrer Arbeit preisgeben und vielleicht auch manchmal das Risiko eingehen, dass die Anonymität der V-Leute nicht in der Weise gesichert ist, wie sie sich das wünschen würden, die sie sich selbst nicht hätten vorstellen können. Also das ändert auch die Dienste, was da passiert. Und das ist ja vielleicht auch gar nicht mal schlecht."
Anderen geht die Öffnung nicht weit genug. Grüne und Linke kritisieren das neue Verfassungsschutzgesetz, sie hätten sich strengere Regeln für V-Leute gewünscht, wehren sich etwa dagegen, dass die V-Personen manche Straftaten straflos begehen können sollen. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium, der Ausschuss des Bundestages, dem die Nachrichtendienste Rede und Antwort stehen müssen, nimmt das V-Mann-Wesen gerade im Rechtsextremismus unter die Lupe. Voraussichtlich noch in diesem Monat will ein Sonderermittler Ergebnisse präsentieren. Wie immer die Verfassungsrichter mit den Angaben des Bundesrates im NPD-Verfahren umgehen werden - die Diskussion über die V-Leute ist in vollem Gang.