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Bundesverteidigungsministerin von der Leyen
Deutscher Bundeswehrverband: "In Afghanistan kam sie gut an"

Mit ihrem Besuch in Afghanistan habe Verteidigungsministerin von der Leyen alles richtig gemacht, sagt André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands. Nun müsse sie schnell im Amt ankommen. Dass sie "mit den Menschen im Fokus" beginne, sei "eine klasse Sache".

André Wüstner im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) spricht am 22.12.2013 in Masar-i-Scharif bei einem Frühstück mit Bundeswehrsoldaten.
    2014 wird es für die neue Bundesverteidigungsministerin um das Bundeswehrmandat in Afghanistan gehen. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Bettina Klein: Sie könne ja wohl nun ganz besonders ihre mütterlichen Eigenschaften zur Geltung bringen. So wurde bereits geunkt, angesichts des Besuches der neuen Verteidigungsministerin kurz vor Weihnachten bei der Truppe in Afghanistan. Während eine Frau in einem solchen Amt in anderen europäischen Ländern längst nichts Besonderes mehr ist, fand und findet die Geschlechterfrage in Deutschland in dieser Hinsicht noch immer viel Aufmerksamkeit.
    – Am Telefon ist André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Guten Morgen, Herr Wüstner.
    André Wüstner: Guten Morgen, Frau Klein!
    Klein: Beginnen wir mit dem Besuch in Afghanistan. Hat sie da schon alles richtig gemacht?
    Wüstner: Ja, definitiv. Wenn sie sagt, sie möchte die Lebenswirklichkeit im Einsatz kennenlernen, dann ist das gut. Sie zeigt eine hohe Einsatzbereitschaft dadurch. Und es ist für uns auch immer besonders wichtig, dass Menschen mit Führungsverantwortung, gerade politischer Verantwortlichkeit, die sogenannte Einsatzrealität mal erfühlen. Das ist etwas anderes, als davon zu lesen am Schreibtisch, und deswegen ist das sicherlich eine gute Sache gewesen.
    Klein: Wie groß sind denn die Bedenken unter den Soldaten insgesamt noch, angesichts der neuen Ministerin?
    "Es entscheidet die Person und weniger das Geschlecht"
    Wüstner: Innerhalb der Truppe ist das gar nicht so extrem, weil eine Ministerin nur bedingt direkt in die Truppe wirkt. Sie wirkt sich im Schwerpunkt im Ministerium und in der Öffentlichkeit aus. Als Politikerin, da weiß man: Sie ist Profi. Sie muss ja nicht, wie ich zuletzt gesagt habe, tarnen und täuschen, vergleichbar der Truppe, beherrschen, wenn, dann vielleicht in der Politik. Das tut sie.
    Und mittlerweile sind wir auf jeden Fall intern so weit, dass wir sagen, es entscheidet die Person und weniger das Geschlecht. In der Öffentlichkeit wird es eher ein bisschen diskutiert, aber in der Truppe selbst, muss ich sagen, da sehe ich keine Schwierigkeiten.
    Klein: Die Skepsis, Herr Wüstner, äußert sich ja auch eher als so eine Art Raunen. Es traut sich ja heute kaum noch jemand, offen in Zweifel zu ziehen, dass auch eine Frau geeignet sein könnte für einen solchen Posten. Aber die unterschwellige Skepsis ist doch nicht zu überhören.
    Wüstner: Na ja, noch mal: Wir haben das vergangenen Samstag ja erfahren, es ist ja durchgesickert, und seitdem liefen schon die Drähte heiß, man hat viel gemailt. Aber jeder hat gesagt: Mein Gott, man muss sie an den Taten messen. Sie hat selbst gesagt, ähnlich wie Thomas de Maizière vorweg, Respekt verschafft man sich durch gute Arbeit. Das ist es, was im Endeffekt zählt, und wir hoffen, dass Frau von der Leyen auch sich dementsprechenden Respekt verschafft.
    Klein: Man konnte sogar Fragen lesen und hören, ob denn ihre Kinder tatsächlich mit Gewehren spielen durften. Das sind Fragen, die ihren Vorgängern nicht unbedingt gestellt wurden. Da macht man doch schon noch mal einen Unterschied, ob eine Mutter in diesem Amt fungiert.
    Wüstner: Ja doch, das merke ich. Das merke ich auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Aber noch mal: weniger unter den Soldaten selbst. Es ist eher eine gesellschaftliche Frage. Und egal wer das im Bekanntenkreis ist: Diese Fragen sind da, ja. Aber noch mal: Ob sie gut ist oder nicht, entscheidet sie selbst mit Blick auf ihre Leistung, die sie erbringt.
    Klein: Was halten Sie denn inhaltlich für die größte Hürde für die neue Ministerin im Amt?
    Von der Leyens Aufgaben: Afghanistanmandat und Neuausrichtung der Bundeswehr
    Wüstner: Sie muss jetzt erst mal schnell ankommen. Eigentlich hat sie kaum 100 Tage Zeit. Das ist auch der Grund, weshalb sie schnell nach Afghanistan geflogen ist. Wir haben ziemlich früh im Jahr die Debatte um das Mandat in Afghanistan. Es geht um den Abzug. Gleichzeitig hat sie die Neuausrichtung als komplexeste Neuausrichtung in der Geschichte der Bundeswehr. Auch da gibt es noch einiges zu tun.
    Und dahin gehend wird es nicht einfach werden, denn sie hat einiges an Führungspersonal ausgetauscht, nahezu die gesamte politische Leitung ist neu, und das macht es für sie nicht einfach, den Ball aufzunehmen.
    Klein: Und da wurde von Kommentatoren auch schon festgestellt, dass eine solche Entscheidung sich auch als sehr schwierig bei ihren Vorgängern herausgestellt hat, nämlich die Leitungsgremien fast komplett auszuwechseln. Welche Art von Schwierigkeiten wären denn möglicherweise zu erwarten?
    Wüstner: Man kann von einem gewissen Zeitverlust eigentlich ausgehen, und Zeit haben wir in der aktuellen Phase der Neuausrichtung und mit Blick auf das internationale Engagement Deutschlands eigentlich weniger. Der eine oder andere Staatssekretär – ich nehme mal den erfahrenen Staatssekretär Wolf, den sie jetzt in den Ruhestand entlassen hat -, der war Profi in Sachen Haushalt, in Sachen Einsätze und vieles mehr, und bis sich ein neuer jetzt entsprechend einarbeitet, das wird seine Zeit dauern.
    Aber nichtsdestotrotz: Sie hat sich so entschieden, sie weiß, was es heißt, Managementaufgaben auf dieser Ebene zu übernehmen, und ich hoffe, dass sie auch weiß, was es bedeutet, im Verteidigungsministerium neu zu starten. Das ist eine besondere Herausforderung.
    Klein: Viele haben sich gefragt, völlig unabhängig von der Frage Mann oder Frau, weshalb die nicht ganz einfache Reform der Streitkräfte nicht von dem zu Ende geführt werden konnte, der sie zuletzt unter seinen Fittichen hatte, nämlich von Thomas de Maizière. Es ist seit 2000, wenn wir richtig gerechnet haben, die sechste Person in diesem Amt. Wie problematisch ist das?
    Wüstner: Eigentlich ist Kontinuität nie verkehrt, und wenn man 2009 als Ausgangspunkt nimmt, dann haben wir jetzt den/die vierte Ministerin. Das ist natürlich schon eine Herausforderung für die Bundeswehr selbst. Aber über Ressortverteilung und Zuschnitte entscheiden Koalitionen, über die Besetzung in personeller Hinsicht Parteien. Wir müssen damit umgehen, wir werden das als Berufsverband, aber die Truppe auch selbst. Klar: Es ist, wie es ist.
    Klein: Bei den Vorgängern von Frau von der Leyen, vor allen Dingen bei Thomas de Maizière, gab es durchaus auch Fälle, bei denen Soldaten sich offenbar nicht so richtig getraut haben, Probleme offen anzusprechen, auch bei Besuchen zum Beispiel. Wie viel Vorsprung verschafft ihr da möglicherweise die Fähigkeit, oder zumindest der Ruf, sich auch um die Nöte und Sorgen der ihr Anvertrauten zu kümmern?
    Wüstner: Das ist eine Frage, wie sie ihre Kommunikation beginnt, und ich muss sagen, in Afghanistan kam sie gut an. Sie hat sich ja mehrfach vor die Soldaten gestellt und gesagt, ihr könnt mir vertrauen, ich bin für euch da. Ich meine, das sorgt erst mal für ein gutes Gefühl. Aber auch da müssen Worten Taten folgen, denn natürlich wird es dann so sein, dass der eine oder andere sich an sie wendet mit der Hoffnung, dass sie auch Probleme löst.
    De Maizière pflegte einen anderen Kommunikationsstil, er hat die Organisation im Schwerpunkt gehabt, und sie beginnt jetzt mit den Menschen im Fokus. Aus Sicht des Berufsverbandes ist das eine klasse Sache.
    "Von der Leyen wird es leichter haben als de Maizière"
    Klein: Und Sie waren, bevor Sie Vorsitzender waren, ja auch schon aktiv im Bundeswehrverband. Das heißt, Sie haben da mögliche Spannungen, die sich immer mal wieder aufgebaut haben, durchaus auch mitverfolgt und begleitet. Insofern halten Sie es jetzt für einen Fortschritt, verstehe ich Sie richtig?
    Wüstner: Ja. Ich muss sagen, eigentlich kann man die unterschiedlichen Phasen nicht vergleichen. Wenn man von dieser komplexen Reform ausgeht, dann gibt es verschiedene Phasen. Dann haben wir eine Art Schockphase durchlebt, das war noch unter zu Guttenberg, der unter der Überschrift "designed cost" die Bundeswehr sozusagen darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass man massiv einschneiden wird.
    Dann kam die emotionale und Wutphase nach den ersten Entscheidungen, und die hat der Thomas de Maizière abbekommen, natürlich, und es ist auch unwahrscheinlich schwierig, in so einer Art Trauerprozess dann die richtigen Worte zu finden. Und Frau von der Leyen hat es da eigentlich jetzt etwas leichter, wenn es um die Regression und Adaption geht.
    Wir sind jetzt in einer Phase, wo man mit den richtigen Worten die sogenannte Phase der Akzeptanz und des Neuanfangs beschleunigen kann, und deswegen wird sie es auch dahin gehend etwas leichter haben.
    Klein: Sie selbst, Herr Wüstner, waren in Afghanistan stationiert. Die Frage, wie jetzt der ganze Abzug geregelt werden kann, auch in Gemeinschaft mit den anderen Staaten, wird jetzt auch im Vordergrund stehen, abgesehen von der Bundeswehrreform. Was sind da die größten Probleme aus Ihrer Sicht, die jetzt bewältigt werden müssen?
    Wüstner: Zu Beginn steht jetzt erst mal die politische Frage, wie äußert sich Karzai in den nächsten hoffentlich Tagen oder Wochen. Es hängt alles von der Unterschrift ab seiner Person. Er muss ein binationales Abkommen mit den USA unterschreiben, gleichzeitig ein NATO-Truppenstatut. Da geht es um die Rahmenbedingungen für eine zukünftige Stationierung ab 2015.
    Das ist noch nicht erfolgt, und das wird erst mal die wesentliche politische Herausforderung sein für Frau von der Leyen, für Herrn Frank-Walter Steinmeier, diese Dinge zu regeln, sodass erst mal die Grundlage für alles weitere, insbesondere was die Folgemission betrifft, anbelangt. Das ist eine wesentliche Herausforderung, um so eine Art Übergang zu regeln.
    Folgekontingente für Afghanistan könnten noch mehrere Jahre bleiben
    Klein: Und wenn die Unterschrift da ist, was dann?
    Wüstner: Dann gilt es, diesen Übergang zu organisieren. Das wird ungefähr schon fünf, sechs Monate dauern, auf NATO-Ebene, dann runtergebrochen auf deutscher Ebene. Man wird dieses Narbe-Speiche-Modell, das schon mal öffentlich diskutiert wurde, versuchen, auszuplanen, um dann mit Folgekontingenten in Afghanistan noch ein, zwei Jahre zu bleiben. Deutschland hat sich ja bereit erklärt, frühzeitig sechs bis 800 Soldaten für den Norden zur Verfügung zu stellen. Dafür hat man internationales Lob erhalten, das ist auch ein mutiger Schritt gewesen.
    Aber noch mal: Alles ist davon abhängig, wie jetzt die Abkommen oder wann die Abkommen unterschrieben werden, und zweitens aber auch – und das wird oft vergessen -, mit wie vielen Soldaten die US-Amerikaner präsent bleiben.
    Klein: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Ich danke Ihnen für das Interview!
    Wüstner: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.