Zwei riesige Transportmaschinen dröhnen kurz hintereinander bedrohlich tief über den Pfälzerwald heran. Munition, Kriegsgerät, Soldaten und Verletzte transportieren die Galaxy und Globemaster über den größten US-Militär-Flughafen außerhalb der Staaten. Unten auf dem vierspurigen Zubringer donnert der Autoverkehr zur Air Base. In einigen hundert Metern Entfernung davon hat ein Dutzend Radler zwischen Verkehrskreisel und Waldstück ein Kurzeit-Protest-Camp errichtet. Vom Fliegerhorst Büchel in der Eifel sind sie über Cochem, Koblenz, Mainz und Kaiserslautern durch Wind und Regen nach Ramstein gefahren. Hier treten Heinz Bächer aus Jena, Herbert Kühnle aus Unna und andere zumeist grauhaarige Friedensbewegte weiter in die Pedale – jetzt aber, ohne sich fortzubewegen.
"Wir laden schon etwas Strom auf den Akku."
"Damit der Film überhaupt starten kann, und während des Films erzeugen wir ständig Strom."
Der Film wird auf ein Betttuch projiziert, das zwischen Kiefernzweigen flattert. "How to breed terrorists and refugees", heißt die 20-minütige Dokumentation über den US-Drohnenkrieg als Brutstätte für Terroristen, aber auch für Flüchtlinge.
"Na ja, das ist ja der Grund, warum wir hier sind, weil: Die Drohnen können von den USA aus zwar gesteuert werden, aber es ist nicht möglich, die über Satellit zu bedienen, deshalb gibt es eine Standleitung nach Ramstein, also so ein Direktkabel. Also, hier ist ein Umschaltplatz oder eine Relaisstation, ohne die der Drohnenkrieg im Nahen Osten nicht möglich wäre, und das ist eine Sache, die unserem Grundgesetz widerspricht. Also, wir dürfen weder selber einen Angriffskrieg führen, noch dürfen wir andern Ländern erlauben, von unserem Territorium einen Angriffskrieg zu führen, sozusagen."
Deshalb treten Heinz Bächer und Herbert Kühnle nicht nur vor der Air Base in die Pedale, sondern direkt auch vor Prozessbeginn in Leipzig. Über die Betttuch-Leinwand flimmern Bilder aus Afghanistan, von Angst und Traumata ist die Rede.
"Die Drohne speziell - das ist eine besonders menschenfeindliche Waffe, die schwebt über ihnen und kann ständig explodieren, und das macht ein derartiges Bedrohungsgefühl, dass sie aus dem Grund - auch wenn sie noch gar nicht angegriffen sind –weggehen, weil sie fürchten, dass ihnen die Bombe auf den Kopf fällt."
US-Militärgemeinde gilt als Wirtschaftsfaktor
Nur vier Einheimische beteiligen sich am Ramsteiner Protestcamp. Der jüngste ist Cornelius Stubbe. Rund 50.000 Menschen gehören zur US-Militärgemeinde Kaiserslautern. Sie gelten in der Region als Wirtschaftsfaktor, begründet der 30-jährige Informatiker die dürftige Resonanz.
"Ich denke, sie bringen immer noch Geld. Nicht mehr so viel wie früher. Aber Kaiserslautern wäre deutlich leerer ohne sie. Einzelhandel, Gastronomie und so weiter. Da müsste wahrscheinlich Einiges zumachen."
Aus einem Kleinwagen steigen Wolfgang Jung und seine Frau. Der 78-Jährige im dunkelblauen Mantel verteilt Wasser in Plastikbechern an die Radler in Anoraks, hilft dann, die improvisierte Betttuch-Leinwand mit einer Plane zu verschatten.
"Alles, was aufklärt über die Air Base Ramstein, unterstütze ich", erklärt der Kläger im Drohnenprozess.
Mitte der 60er-Jahre legte der Lauterer Hauptschullehrer als Beamter einen Eid auf die Verfassung ab. Das zwinge ihn, so Jung, den Drohnenprozess bis zur letzten Instanz auszufechten. Und darauf zu pochen, dass die Bundesregierung die Einsätze der unbemannten Tötungsmaschinen überwacht. Dass der Datenfluss über Ramstein diese Einsätze erst ermöglicht, entnimmt Wolfgang Jung einschlägigen Militärzeitschriften.
Whistleblower Brandon Bryant
"1.626 people were killed."
Im Film bestätigt das der frühere Drohnen-Operator und Whistleblower Brandon Bryant. So wie er es vor zwei Jahren schon dem NDR-Politmagazin "Panorama" erzählte:
"Die Luftwaffenbasis in Ramstein spielt eine ganz wesentliche Rolle für den weltweiten Drohnenkrieg. Ohne diese Basis in Ramstein würde das alles nicht funktionieren. Es ist das Epizentrum aller Informationsflüsse für die Übersee-Operationen der USA."
Unersetzlich also, auch ohne dass dort, wie US-Präsident Obama bekräftigte, Drohnen starten oder direkt gesteuert werden.
"Dieser Brandon Bryant, der sagt, mit seiner Einheit haben sie 1.600 Leute umgebracht, und zwei Prozent davon waren gemeint, und das kann eigentlich Obama mit seiner Idee von der präzisen Kriegsführung nicht gemeint haben, das ist eine verdammt schlechte Trefferquote", meint Nikolaus Huhn.
Der Mitinitiator der Protestaktion vom Internationalen Versöhnungsbund findet die Klage "den Versuch wert". Sollte das Bundesverwaltungsgericht wie in den Vorinstanzen seine persönliche Betroffenheit als Kläger und mithin seine Klage-Befugnis in Abrede stellen, will Wolfgang Jung bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.
"Wenn von mir Treue zur Verfassung verlangt wird, dann muss ich auch von den Behörden, denen ich diene, verlangen können, dass sie sich an die Verfassung halten."
Kläger will Bundesregierung in die Verantwortung nehmen
Am Wochenende hatte US-Präsident Obama auf dem internationalen Nukleargipfel in Washington eingeräumt, dass US-Drohnen in der Vergangenheit auch unschuldige Zivilisten töteten. Doch mittlerweile seien die Einsatzbestimmungen so streng wie nie, um zivile Todesopfer zu vermeiden. Die Friedensaktivisten hält das von der Protestaktion in Leipzig nicht ab. Und Wolfgang Jung als Kläger beharrt ebenfalls: Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass der Datenfluss via Ramstein Air Base nicht mit verantwortlich ist für den Tod von Zivilisten im Drohnenkrieg.
"Und wenn sie das nicht ausschließen kann, muss sie sie zumachen. Tut sie aber nicht."
Bislang hatte die Bundesregierung argumentiert, sie sei über einzelne Flüge nicht informiert. Im Klage-Schriftsatz wird das angezweifelt.