Natur- und Klimaschutz
Worum es beim Streit um ein neues Bundeswaldgesetz geht

Auch im Wald sind die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar. Eine Reform des Bundeswaldgesetzes soll dem Rechnung tragen. Ziel: Die Wälder klimaresilienter machen. Doch auch der zweite Entwurf für eine Gesetzesnovelle droht zu scheitern.

Von Maike Rademaker |
    Ein herbstlich gefärbter Mischwald (Luftaufnahme mit einer Drohne).
    Dürre, Borkenkäfer und Hitze setzen dem Wald sehr zu: Nur noch jeder fünfte Baum ist laut Waldzustandsbericht gesund. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Es ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart: Noch in dieser Legislaturperiode soll das Bundeswaldgesetz novelliert werden, um die deutschen Wälder besser auf die Folgen der Klimaveränderungen vorzubereiten. Bereits 2023 legte das Bundeslandwirtschaftsministerium von Cem Özdemir (Grüne) den ersten Entwurf für eine Gesetzesnovelle vor, zog ihn nach massiver Kritik von Waldbesitzern und Umweltschützern jedoch wieder zurück.
    Seit Sommer 2024 liegt nun ein zweiter Entwurf vor, wie der erste nicht offiziell veröffentlicht, aber leicht im Internet zu finden. Dieser befindet sich derzeit in der Abstimmung zwischen verschiedenen Bundesministerien. Zugleich gibt es erneut scharfe Kritik, wieder vor allem von Waldbesitzern und Naturschützern.

    Inhalt

    Warum soll das Bundeswaldgesetz geändert werden?

    Das Bundeswaldgesetz stammt aus dem Jahr 1975. Damals war der Klimawandel zwar schon Thema, die Folgen der Erwärmung zeigten sich im Wald jedoch noch kaum. Das hat sich längst geändert: Dürre, Borkenkäfer und Hitze setzen dem Wald sehr zu, nur noch jeder fünfte Baum ist laut Waldzustandsbericht gesund.
    Ein gesunder Wald, der mit den Klimaveränderungen zurechtkommt, ist wichtig - nicht nur, weil er Holz als Bau- und Brennmaterial liefert. Er ist auch ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel, weil er zum Beispiel CO2 speichert, die Umgebung kühlt und Luft filtert sowie zur Sicherung des Grundwassers beiträgt. Zudem ist er wichtiger Erholungsraum: Millionen Menschen suchen den Wald regelmäßig für Spaziergänge, Wanderungen oder sportliche Aktivitäten auf.
    All diese Aspekte sollen bei der Neufassung des Bundeswaldgesetzes mitberücksichtigt werden. Zwar gibt es in jedem Bundesland eigene Landeswaldgesetze. Das novellierte Bundesgesetz soll jedoch bundesweite gültige Mindeststandards setzen, mit dem Ziel, die Klimaresilienz der deutschen Wälder zu verbessern. Das neue Gesetz würde vor allem die rund zwei Millionen privaten Waldbesitzer betreffen, die rund die Hälfte des Waldes in Deutschland bewirtschaften, aber auch auf Länder und Kommunen als Waldeigentümer.  

    Worum hat das Bundeslandwirtschaftsministerium seinen ersten Gesetzentwurf zurückgezogen?

    Der erste, nicht öffentliche Entwurf für eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes vom Herbst 2023 war im Prinzip eine vollständige Neufassung, mit zahlreichen neuen Vorgaben und Regelungen. Beispielsweise sollten ungenehmigte Kahlschläge nicht nur mit Bußgeldern geahndet werden, was aktuell bereits in vielen Bundesländern der Fall ist, sondern auch mit Haftstrafen. Gefängnis sollte auch Waldbesitzern drohen, die in ihrem Wald "eine Gefahr" schaffen. Was damit gemeint ist, wurde allerdings nicht präzisiert.
    Nicht nur Waldbesitzer- und Forstverbänden, auch vielen Bundesländern gingen diese Pläne zu weit. Waldbesitzer kritisierten zudem die Vorschrift, dass sie vor allem mit heimischen Baumarten aufforsten sollten. Naturschützer dagegen kritisierten vor allem, dass bei den Kahlschlagsregelungen zu viele Ausnahmen erlaubt würden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium reagierte und zog diesen ersten Entwurf für eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes zurück. Man habe die Kritik gehört, sagte Minister Özdemir.

    Was steht im zweiten Novellierungsentwurf für das Bundeswaldgesetz?

    Seit Sommer 2024 liegt ein neuer Entwurf für die Reform des Bundeswaldgesetzes vor. Dieser ist im Vergleich zum ersten weit weniger ambitioniert. Statt das Gesetz gänzlich neu zu schreiben, wurden nun nur einzelne Punkte ergänzt oder geändert. Weiterhin bleibt es aber bei einer grundsätzlichen Neuausrichtung: Ziel der Gesetzes soll neben der Förderung der Forstwirtschaft nicht mehr nur die Erhaltung des Waldes, sondern auch sein Schutz und der Schutz der Ökosystemleistungen sein.
    Bundeseinheitlich soll zudem geregelt werden, dass Kahlschläge von mehr als einem Hektar nur noch mit Genehmigung der zuständigen Behörden erlaubt sind. Die meisten Landeswaldgesetze ziehen diese Grenze bei zwei Hektar, Brandenburg liegt darunter. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass bei Aufforstungen überwiegend – also zu mehr als 51 Prozent – heimische Baumarten gepflanzt werden sollen.
    Diese Vorgabe ist also nicht grundsätzlich zwingend. Dies ist nur dann der Fall, wenn Waldbesitzer für die Aufforstung staatliche Fördergelder in Anspruch nehmen wollen.
    Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass Holzeinschlag unter bestimmten Voraussetzungen ganz verboten werden kann. So sollen Behörden Holzeinschlagsmaßnahmen verbieten oder beschränken können, wenn nach Schäden durch Sturm oder Käfer „ein besonderes öffentliches Interesse“ besteht, die Fläche mit den verbliebenen Bäumen zu erhalten, zum Beispiel um besonders wichtige Ökosystemleistungen zu erhalten. 
    Und weil zunehmend Mountainbiker in Wäldern digital dokumentierte Routen befahren, gibt es eine ergänzende Neuregelung: Waldbesitzer sollen Anbieter solcher Routingapps auffordern können, Routen aus dem Angebot zu löschen oder zu ändern, wenn diese durch bislang weglose Flächen führen.

    Welche Kritik gibt es an dem zweiten Gesetzentwurf?

    Kritik an dem zweiten Gesetzentwurf kommt erneut von Waldbesitzern und Naturschützern. Die Waldbesitzer kritisieren die staatlichen Vorgaben als zu weitgehend und haben mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) eine Kampagne gegen die Novellierung des Bundeswaldgesetzes gestartet. Demnach sehen die Waldbesitzer keine Notwendigkeit für eine Neufassung, da sie die bestehenden Landeswaldgesetze für ausreichend halten.
    Die meisten Waldbesitzer lehnen vor allem ab, dass ihnen der Schutz des Waldes und seiner Ökosystemleistungen grundsätzlich vorgeschrieben werden soll. Sie fürchten, dass daraus künftig staatliche Verbote und Vorgaben abgeleitet werden können. Auch die Vorgabe, möglichst heimische Baumarten bei der Aufforstung zu verwenden, wird von Waldbesitzern kritisch gesehen.
    Zumal dieses Thema auch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird. Dabei geht es unter anderem darum, was überhaupt eine heimische Baumart ist – aus Deutschland oder aus Europa - und welche Baumart künftig besser mit den sich verändernden Klimabedingungen zurechtkommen wird. Abschließende Antworten auf diesen Fragen gibt es bislang nicht.
    Forschungsanstalten oder auch der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik weisen auf Nach- und Vorteile beim Einsatz nicht-heimischer Bäume hin. Die ausgewählten Baumarten sollen nicht nur mit den klimatischen Veränderungen zurechtkommen, es geht auch um Holzqualität, die Anfälligkeit für Schädlinge oder ungewollte Ausbreitung. Viele Waldbesitzer experimentieren hier mit heimischen und nicht-heimischen Baumarten und wollen diese Wahlfreiheit behalten.
    Naturschützern dagegen sind auch im neuen Entwurf viele Regelungen nicht genau genug. Ihnen fehlen zum Beispiel Vorgaben, nach welchen Kriterien ein Kahlschlag genehmigt wird, und eine Obergrenze bei Kahlschlägen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) etwa fordert für nicht genehmigungsbedürftigen Kahlschlag eine Obergrenze von nur 0,5 Hektar statt dem in Gesetz vorgesehen einen Hektar.
    Zudem müsse es Mindeststandards für Biotopbäume und für Totholz geben. Darüber hinaus bestehen die Naturschützer auf genauen Vorgaben, wie sehr das Kronendach gelichtet werden darf, und Vorschriften, die das Verdichten von Böden verhindern sollen, beispielsweise durch große Holzerntemaschinen. Das Gesetz enthalte richtige Ziele, aber nicht genügend Instrumente, um sie zu erreichen, heißt es beim Naturschutzbund.

    Wie geht es weiter?

    Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung zwischen verschiedenen Bundesministerien. Nach der Zustimmung durch das Bundeskabinett würde das übliche parlamentarische Verfahren beginnen, mit Anhörungen und Beratungen im Bundestag. In Anbetracht des sehr umstrittenen Themas und der im kommenden Herbst endenden Legislaturperiode könnte die Zeit für eine Verabschiedung eines neuen Bundeswaldgesetzes im Parlament knapp werden.
    Unklar ist derzeit aber noch, ob es der Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums überhaupt ins Bundeskabinett schafft. Denn die FDP lehnt den Entwurf strikt ab; er enthält nach ihrer Ansicht zu viele neue Regulierungen und bürokratische Auflagen für die Waldbesitzer.
    Der Naturschutzbund will jedoch Druck machen. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Berlin vom Mai 2024. Das Gericht urteilte, dass die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung unzureichend seien, um gesetzlich verbindliche nationale Klimaziele zu erreichen.