Tobias Armbrüster: Für die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium beginnt diese Woche mit schlechten Nachrichten. Es fehlt nicht nur an Panzern, sondern, wie die Rheinische Post heute berichtet, auch an etwas weniger kompliziertem Material: zum Beispiel an Schutzwesten, Winterbekleidung und auch an Zelten. Das geht laut Rheinischer Post aus einem Papier des Heereskommandos hervor.
Am Telefon ist jetzt der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner. Schönen guten Morgen.
Tobias Lindner: Guten Morgen.
Armbrüster: Was ist da gerade los bei der Bundeswehr?
Lindner: Momentan erfährt man ja wieder scheibchenweise von einem Bild über die Einsatzbereitschaft, das wirklich erschreckend ist. Ich habe den Eindruck, dass sich jetzt zumindest untergeordnete Stellen, zum Beispiel, wie Sie gesagt haben, das Kommando Heer, nicht mehr es gefallen lassen, dass das Verteidigungsministerium die Lage einfach schönredet. Es ist ja so, dass Deutschland im Jahr 2019 einen wichtigen Beitrag zur Speerspitze der NATO stellen soll, und da melden quasi jetzt die Kommandobehörden, was an Material vorhanden oder nicht vorhanden ist. Und das Erschreckende ist, ehrlich gesagt, dass wir hier nicht - das haben Sie ja selbst gesagt - über hoch komplexe Waffensysteme, sondern über so Dinge wie lange Unterhosen und Zelte sprechen.
"Ausrüstungs-Probleme seit Herbst 2014"
!!Armbrüster:! Aber diese Speerspitze, dieses NATO-Vorhaben, das startet, wie Sie gesagt haben, im kommenden Jahr 2019. Da sollte doch bis dahin Zeit genug sein, um Schutzwesten, Zelte und Winterbekleidung für die Soldaten zu beschaffen, oder?
Lindner: Ja. Ehrlich gesagt verwundert mich das auch. Deutschland weiß auch nicht erst seit gestern, dass man 2019 wieder dran ist. Das ist eine rotierende Aufgabe. Und vor allem hat mich gewundert, was Ursula von der Leyen in München auf der Sicherheitskonferenz zu dem Thema gesagt hat. Sie hat gesagt, man könne nicht binnen zwei Jahren alle Probleme bei der Bundeswehr lösen. Ehrlich gesagt ist Frau von der Leyen seit mehr als zwei Jahren im Amt und die Probleme, die es bei der Ausrüstung gibt, die sind auch spätestens seit dem Herbst 2014 bekannt. Es wäre also genug Zeit für Frau von der Leyen gewesen, da tatsächlich auch was zu tun.
"Nach oben die Mängel schöngeredet"
Armbrüster: Oder fehlt es vielleicht bei der Bundeswehr auch manchmal einfach am Mut, um zu sagen, was tatsächlich fehlt? Wird da nicht nach oben weitergegeben, wo die Mängel liegen?
Lindner: Ich habe schon den Eindruck, dass nach oben die Mängel schon gemeldet werden, aber das Verteidigungsministerium da eine gewisse Natur hat, die Dinge vor allem gegenüber dem Verteidigungsausschuss schönzureden, zu beschönigen, Mängel auch dann nicht so darzustellen. Als Grüne haben wir beantragt, dass Frau von der Leyen am kommenden Mittwoch in die Verteidigungsausschuss kommen und zu diesen Presseveröffentlichungen Stellung nehmen soll. Ich erwarte schon von der Ministerin, dass wir als Abgeordnete nicht nur scheibchenweise aus der Presse quasi tagtäglich neue Mängel erfahren, sondern dass die Ministerin und auch die Inspekteure der Teilstreitkräfte darstellen, wie die Lage wirklich ist.
"Erwarte, dass ein umfassendes Bild im Verteidigungsausschuss gezeichnet wird"
Armbrüster: Bekommen Sie denn Informationen als Verteidigungspolitiker? Bekommen Sie Informationen von der Bundeswehr oder aus dem Ministerium über solche Situationen?
Lindner: Stand heute haben wir die Informationen nur aus der Presse. Es ist ja so, dass es im Ministerium schon etwas gibt, das nennt man die Einsatzbereitschaftslage. Da könnte man auf Knopfdruck im Prinzip ermitteln, wie steht es denn um die Waffensysteme, was ist einsatzbereit. Ich erwarte eigentlich, dass uns das Bild, ein umfassendes Bild am kommenden Mittwoch im Verteidigungsausschuss gezeichnet wird. Als Grüne haben wir den Antrag dazu gestellt. Ich bin jetzt mal gespannt, ob die Große Koalition und die Ministerin da auch das Rückgrat und den Mut haben, in der Sitzung dazu Stellung zu nehmen, oder ob vielleicht eine Mehrheitsentscheidung sagen, interessiert uns nicht, machen wir ein andermal.
Armbrüster: Wer hat denn da aus Ihrer Sicht geschlafen? Ist das nur die Bundesverteidigungsministerin?
Lindner: Natürlich gibt es eine ungeteilte Verantwortung und die Ministerin steht an der Spitze des Hauses. Sie hat ja im Prinzip die ganze letzte Legislaturperiode Zeit gehabt, Prozesse zu überarbeiten und zu schauen, dass man gerade solche einfachen Dinge wie Zelte schnell beschaffen kann und das nicht Jahre dauert. Es wundert mich, dass jetzt die Bilanz nach vier Jahren von der Leyen ist, dass man Kommissionen gegründet hat, Berichte geschrieben hat, das Elend durchaus transparenter ist. Aber nur dadurch, dass man transparenter um den Zustand der Bundeswehr weiß, heißt das ja nicht, dass sich da was geändert hat.
"Kann mir vorstellen, dass das erst die Spitze des Eisberges ist"
Armbrüster: Jetzt haben wir letzte Woche schon erfahren von Mängeln bei den Panzern, die ebenfalls nötig sind für diese sogenannte Speerspitze, die die Bundeswehr im kommenden Jahr bieten soll. Erwarten Sie da für die kommenden Tage weitere Enthüllungen dieser Art?
Lindner: Ich kann mir schon vorstellen, dass das erst die Spitze des Eisberges ist, weil mich jetzt schon interessieren würde, wie steht es um die Schiffe, wie steht es um die Flugzeuge. Und ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich Kommandobehörden jetzt einfach es nicht mehr gefallen lassen, dass die Lage so schöngeredet wird. Wenigstens gibt es da eine Kultur, die sagt, Leute, wenn ihr uns einen Auftrag gebt, wie in diesem Fall die Speerspitze der NATO zu stellen, dann sagen wir auch ganz ehrlich, wie es um unser Material steht.
Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
Lindner: Gerne.