Christoph Heinemann: Wenige Tage vor ihrer Vereidigung hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, mit der Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr für Gesprächsstoff gesorgt. Frau Kramp-Karrenbauer sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die Bundesrepublik habe dem Nato-Ziel, die Militärausgaben bis 2024 in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, eine klare Zusage gegeben. Es sei klar, dass man den Weg dorthin auch wirklich gehen müsse. Am Telefon ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Wahlkreis Düsseldorf, guten Tag!
!Marie-Agnes Strack-Zimmermann!:!! Guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, für 2020 sind 1,37 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für den Verteidigungshaushalt angestrebt. Reicht das?
Strack-Zimmermann: Das reicht nicht. Das ist kein neues Thema, was die neue Verteidigungsministerin da in den Raum wirft. Wir haben als Freie Demokraten immer an dieser Stelle gesagt, wir unterstützen die Bundesregierung konstruktiv, wir werden mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um unseren Bündnisverpflichtungen nachzukommen. Aber Sie haben ja gerade in Ihrem Beitrag darauf hingewiesen zu Recht, dass es nicht nur eine Frage des Finanzministers ist, der sich dagegen wehrt, sondern auch des Generalsekretärs der SPD, der völlig reflexartig immer Herrn Trump ins Spiel bringt.
Ich darf daran erinnern, dass diese Zusage 2014 unter Präsident Obama eingestielt worden ist, da saß Herr Trump noch im Tower in seinem Büro in New York und hat Immobilien gezählt, er hatte damit auf gut Deutsch gar nichts zu tun. Insofern ja, wir werden diesen Weg gehen müssen, aber zu den Mehrausgaben für diesen Bereich benötigen wir eben auch mehr Mittel für die Entwicklungshilfe - und vor allem mehr Mittel für die Diplomatie. Denn wir müssen das Auswärtige Amt beziehungsweise die Botschaften besser ausstatten, weil Diplomatie gerade heute ein großes Pfund ist, was besser gepolstert sein muss.
Heinemann: Wenn wir bei den zwei Prozent für den Verteidigungshaushalt bleiben, dann kostete allein das einen zweistelligen Milliardenbetrag. Woher nehmen?
Strack-Zimmermann: Herr Heinemann, ich bin Verteidigungsexpertin und sitze im Verteidigungsausschuss und ich bekomme seit Jahren mit, dass die Bundeswehr komplett unterfinanziert ist. Wir kennen den Grund, 25 Jahre niedergespart. Wir haben seit 2014 völlig andere Aufgaben: Neben unserem Engagement im Ausland muss die Truppe wieder wachsen, wir haben innerhalb der Nato, innerhalb der EU große Aufgaben. Wir sind hier nicht mehr in der Nachkriegszeit, wir können dieses Thema, die Verteidigung Deutschlands und Europa nicht unseren Freunden überlassen. Das heißt, Deutschland ist gefordert, ist erwachsen geworden, das heißt, wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, ob wir wollen oder nicht.
"Es gibt ein Missmanagement"
Heinemann: Und woher nehmen wir es?
Strack-Zimmermann: Wir nehmen es aus dem Haushalt. Wenn ich sehe, was der Bundesfinanzminister für Geschenke verabreicht hat in den letzten Jahren in vielen Gebieten, kann ich nur sagen, das ist schön, das ist Wahlkampfhilfe für die Sozialdemokratie, wir müssen uns aber der Realität stellen. Und deswegen noch mal: Wir brauchen nicht nur mehr Geld für die Truppe, um sie besser auszurüsten, das Geld sollte natürlich auch bei der Truppe ankommen, das passiert momentan ja nur in überschaubarem Rahmen. Wir brauchen auch mehr Geld - angesichts auch der Krise jetzt im Golf - für mehr Diplomatie. Und letztlich hilft auch keine Truppe, wenn in den Ländern, wo Unruhen sind, nicht die Entwicklungshilfe verstärkt wird.
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, die Grünen wenden ein, wenn Flugzeuge nicht fliegen und U-Boote nicht tauchen können, dann läge das vor allem bei der Bundeswehr an Missmanagement bei Wartung und Instandhaltung. Was bringt mehr Geld, wenn die investierten Mittel nicht richtig genutzt werden?
Strack-Zimmermann: In der Tat muss das Geld ankommen, das sagte ich gerade. Es gibt ein Missmanagement, das haben wir ja allein schon am relativ kleinen Beispiel, aber typischen Beispiel der Gorch Fock gesehen. Das heißt, die ehemalige Verteidigungsministerin war eine gute Vertriebsfrau, hat aber den Laden, wenn ich das so salopp sagen darf, intern nicht im Griff gehabt. Da spielen Staatssekretäre und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch eine Rolle, wir haben ja auch gerade einen Untersuchungsausschuss, wir beschäftigen uns ja gerade mit den Dramen, die sich da abspielen.
Lange Rede, kurzer Sinn: In der Tat, wir brauchen mehr Geld, dieses Geld muss ankommen. Das heißt, die neue Verteidigungsministerin, Frau Kramp-Karrenbauer, muss sich diesen Herausforderungen stellen und muss allein die Strukturen verändern im Ministerium, also dort, wo die Entscheidung gefällt wird, was angeschafft wird. Wenn ihr das nicht gelingt, dann wird sie die längste Zeit Verteidigungsminister gewesen sein.
"Unsere Freunde erwarten von uns, dass wir liefern"
Heinemann: Die israelische Armee ist eine Technologieoase, viele Soldatinnen und Soldaten gründen nach ihrem Militärdienst Start-up-Unternehmen, die teilweise sehr, sehr erfolgreich sind. Wäre das nicht ein Geschäftsmodell für die Bundeswehr, mit der man auch höhere Verteidigungsausgaben den Menschen erklären könnte?
Strack-Zimmermann: Na ja, also grundsätzlich sollten wir uns natürlich jetzt erst mal mit dem Grundsätzlichen beschäftigen. Natürlich kommen aus Entwicklung des Militärs auch Dinge, das ist nicht neu, die dem Zivilen zugutekommen. Es gibt viel Technologie aus dem Militärischen. Insofern ist es sehr sinnvoll, aus einer Armee heraus auch Start-ups zu gründen, gerade auch im Cyberbereich, aber wir müssen natürlich zugestehen, dass die Israelis eine völlig andere Gefahrensituation haben. Ich erinnere mich noch als junge Frau, wie ich Klassenkameradinnen aus Israel hatte, die zur Armee eingezogen wurden. Das heißt, aufgrund der Situation, in der Israel ist, hat man sehr früh auf die Armee gesetzt, das war bei uns anders, wir haben die letzten 30 Jahre den Schlaf des Gerechten, wenn Sie so wollen, gut erlebt. Und die Bundesregierung ist aufgefordert, diesen Schlaf endgültig zu beenden. Wir sind übrigens bis 2023 die Nato-Spitze, das heißt, unsere Freunde in Europa und in der Nato erwarten von uns auch zurecht, dass wir liefern. Das geht nur mit mehr Geld, aber auch natürlich mit mehr Organisation.
Heinemann: Frau Strack-Zimmermann, muss die Schifffahrt im Golf besser geschützt werden?
Strack-Zimmermann: Die Schifffahrt im Golf muss geschützt werden, es ist ein originäres Interesse Europas, Englands, Frankreichs, Spaniens und Deutschlands, um nur vier Länder zu nennen, das muss geschützt werden. Aber wir brauchen natürlich vor allen Dingen auch Diplomatie an dieser Stelle, es wird allgemein gezündelt, die Amerikaner haben bedauerlicherweise mit dem Iran das Atomabkommen gekündigt, was sehr bedauerlich ist. Der Iran zündelt, der britische Außenminister zeigt auch interne Politik, um seinem Gegner Boris Johnson eins zu zeigen. Was ich damit sagen will, alle zündeln, und ich glaube, dass sich keiner so richtig bewusst ist, wie gefährlich es ist, weil jeder glaubt, den Funken im Griff zu haben. Wir müssen die Straße von Hormus schützen, aber wir müssen wieder an den Tisch, an die Gespräche, an die Diplomatie. Und ich hoffe, dass Herr Maas als Außenminister das macht, so wie Hans-Dietrich Genscher es jahrzehntelang gemacht hat.
"Hoffe, dass die Diplomatie wirkt"
Heinemann: Wer muss jetzt den ersten Schritt gehen?
Strack-Zimmermann: Na ja, das ist in Krisen natürlich immer das, wer muss den ersten Schritt gehen. Gut ist, wenn alle einen Schritt aufeinander zu machen, weil keiner - in Europa, in den USA und auch im Iran - kann wollen, dass es dort zu einem Krieg kommt. Insofern hoffe ich, dass die Diplomatie wirkt, und man sich gemeinsam an einen Tisch setzt.
Heinemann: Wäre dieser Konflikt militärisch lösbar?
Strack-Zimmermann: Ich glaube, dass heutzutage das Militär keine Konflikte mehr löst, sondern größere Konflikte auslöst. Wir hätten es verstärkt wieder mit großem Elend zu tun, wir hätten es verstärkt wieder mit großen Flüchtlingsströmen zu tun, weil die Menschen natürlich dann sofort nachvollziehbar sich bemühen, in sichere Länder zu kommen. Nein, die Antwort kann nie militärisch sein. Armee und Militär dienen zur Abschreckung und sollten möglichst nicht eingesetzt werden, aber sie müssen eben abschrecken - und deswegen brauchen wir auch eine starke Bundeswehr.
Heinemann: Danke schön für das Gespräch!
Strack-Zimmermann: Ich danke Ihnen!
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