Sie kommen aus allen Ecken Deutschlands. Bundeswehrgegner und Teilnehmer eines großen Zeltlagers, des einmal jährlich stattfindenden sogenannten altmärkischen Internationalen Anti-Militaristischen Aktionscamps. Das dritte in Folge. Mit dabei: der aus Herford angereiste Pfarrer Berthold Keunecke - dessen Markenzeichen ein markanter Spitzbart à la Walter Ulbricht ist. Er will gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft demonstrieren. Ziviler Ungehorsam, hier soll er geübt werden, sagt er noch.
"Ist eine Möglichkeit politischen Druck aufzubauen, indem die Konflikte zugespitzt werden, dramatisiert werden und damit bearbeitbar."
Das Friedenscamp - man erwartet bis Freitag etwa 400 Teilnehmer - befindet sich auf einer großen Wiese bei Gardelegen, 50 Kilometer nordwestlich von Magdeburg. In direkter Nachbarschaft liegt das Gefechtsübungszentrum Letzlinger Heide. Ein riesiges Militärgebiet seit Kaisers Zeiten. Heute wird es vom Rüstungskonzern Rheinmetall betrieben, der an dieser Stelle bis 2020 Schnöggersburg errichten will, Europas größte militärische Übungsstadt. Eine Phantomstadt, mit U-Bahn, Flugplatz, Autobahn und Hochhäusern. Aber auch Elendsviertel und Müllkippen sind geplant, um den Häuserkampf zu simulieren. Eine Stadt-Attrappe, die den Kriegsgegnern ein Dorn im Auge ist. Weshalb das Camp auch unter dem Motto "War starts here" steht. Neben Mahnwachen und stillem Protest will man in den nächsten Tagen auch das Besetzen und Blockieren solcher Manöverorte praktisch üben, sagt unmissverständlich Sprecherin Rosa Pantsa:
"Eine Aktionsgruppe will das auf jeden Fall, die laden auch gerne ein, das Training zu beobachten. Sich vielleicht animieren zu lassen, mitzumachen. Ansonsten ist das erst mal eine Woche voller Diskussion und auch Auseinandersetzung rund um das Thema Militarisierung."
Die Bundeswehr wird nervös
Die Nachbarschaft in den umliegenden Dörfern winkt nur ab, kann mit den Kriegsgegnern nur wenig anfangen. Weshalb es auch schwierig war, einen Platz zu finden, wo das Antikriegs-Camp stattfinden könne, so Sprecherin Rosa Pantsa:
"Wir hatten Zusagen von verschiedenen Verpächtern, da war spürbar, auch in den Gesprächen kam das raus, dass da Druck ausgeübt wird. Druck einerseits von den Behörden. Weil verschiedenste Behörden überlegten, mit welchen Vorschriften sich doch verhindern ließe."
Im Heidedorf Letzlingen hat man den Platz vor dem Supermarkt auch schon mal vorsorglich gesperrt. Damit erst gar keiner auf die Idee kommt, auch dort wieder - wie letztes Jahr - sein Zelt aufzuschlagen, erzählt ein Herr im Blaumann.
"Mir ist das ganz egal, was habe ich denn davon - ob ich gegen die schimpfe oder nicht, ändert sich doch nichts. Ganz Letzlingen hat Arbeit durch die Bundeswehr, deswegen schimpfen alle Letzlinger drum."
Ansonsten lässt den Landwirt das Ganze relativ kalt. Anders die Bundeswehr.
Dort ist man nervös, was daran zu erkennen ist, dass man in der Umgebung ständig argwöhnischen Feldjägern begegnet. Über den Köpfen donnern die Bundeswehr-Hubschrauber, die auch schon mal im Tiefflug das Camp der Bundeswehrgegner abscannen. Dass die Bundeswehr ihre Sicherheitszonen ausgeweitet hat, eine Straße durch das Manövergebiet gar komplett sperren ließ, für Major Oliver Ronneberger völlig normal:
"Die Gebiete sind der Bundeswehr Anfang 2014 zur dauerhaften Nutzung übertragen worden, von daher hat sich an der Nutzung des Geländes im Zuge dieses Camps überhaupt nichts geändert. Das Einzige was sich geändert hat, ist, das der Standortälteste, der Kommandeur Schneider, diesen militärischen Bereich temporär zu einem militärischen Sicherheitsbereich zu machen. Wo eben die Bundeswehr eben andere Befugnisse hat."
Kein Interesse an Gesprächen mit Soldaten
Die es ihr erlaubt, die Persönlichkeitsrechte der Menschen mehr als üblich einzuschränken. Unterstützt wird die Bundeswehr von auffällig viel Polizisten, die ansonsten in der Gegend kaum zu sehen sind. Allein vor dem Zeltlager ist man mit zwei Mannschaftswagen präsent.
Der mitunter aggressive Ton der Camp-Betreiber ist irritierend, der verschwörerische Ton gewöhnungsbedürftig. Denn keiner auf dem Camp nennt seinen richtigen Namen, alle verschanzen sich hinter dubiosen Pseudonymen. Schon gar kein Interesse hat man an einem Dialog mit Soldatinnen und Soldaten, um mit ihnen gemeinsam über aktuelle Themen - Stichwort Waffenlieferungen in den Nordirak - zu diskutieren, so Bundeswehrgegnerin Rosa Pantsa:
"Ich wüsste nicht, warum ich sie einladen soll. Diskutieren würden wir gerne über Möglichkeiten, aus dem Job auszusteigen und über jeden, der sich entschließt: Mensch, desertieren ist besser, als auf Leute zu schießen, über den freuen wir uns."
Die Anwohner hoffen nun, dass alles friedlich bleibt, auch beim sogenannten Aktionstag, der am kommenden Samstag stattfinden soll, bei dem die Teilnehmer des Camps, das Manövergelände Letzlinger Heide besetzen wollen.