Zwanzig malische Offiziere stehen rund um einen Sandkasten. Darin haben vier von ihnen so etwas wie ein Bild gelegt. Es besteht aus Kieseln in unterschiedlichen Farben, Flaschendeckeln, Ästen, Papierfähnchen und einer Plastikflasche. Sie sollen eine Landkarte darstellen - mit einer Besonderheit: Gelbe Linien geben verschiedene Zeitphasen an. Das Bild symbolisiert die Bedrohung einer Einheit durch feindliche Soldaten. Mithilfe der Darstellung soll der Kompaniechef eine Taktik entwickeln, um die Bedrohung abzuwenden. Anschließend gibt er seiner Einheit die entsprechenden Befehle. Die Arbeit mit solchen Sandkastenbildern ist Teil der Ausbildung der malischen Soldaten durch die Bundeswehr.
"Das klingt jetzt recht trivial, ist eben aber nicht einfach, weil es eben am Ende 140 Männer und Frauen sind, mit viel Material und unterschiedlichen Aufgaben, und dieses zu planen und zu koordinieren ist eine Herausforderung."
Oberstleutnant Ralf Hammerstein ist Leiter des deutschen Kontingents innerhalb der Europäischen Ausbildungs- und Trainingsmission. Rund 150 deutsche Soldaten sind daran beteiligt.
Einer der malischen Offiziere erklärt den anderen, was sich seine Arbeitsgruppe bei der Darstellung gedacht hat. Oberleutnant Christian Bojar, einer der deutschen Ausbilder, fragt nach.
Wo in dem Sandkastenbild Norden sei, will Bojar wissen. Wie sich rausstellt, sind die Himmelsrichtungen verdreht - es ist eben nicht einfach, Raum und Zeit in einem Bild darzustellen.
"Das ist ein typisches Beispiel, wie wir es immer wieder haben für die einfache Fähigkeit der Orientierung, sei es hier im Sandkasten, Himmelsrichtungen, Koordinaten - das geht dann schon mal durcheinander, das ist extrem wichtig, da arbeiten wir dran, wir machen das immer wieder, bis es irgendwann klappt."
Sonst könnte die Einheit im Ernstfall in die falsche Richtung marschieren.
"Ja, oder den Nachbar-Kompaniechef in den Rücken schießen, das wäre auch schlecht."
Umgang mit Minen und Sprengfallen lebenswichtig
Zum ersten Mal bieten die deutschen Soldaten einen Lehrgang für Kompaniechefs an. Ansonsten schulen die Bundeswehr-Ausbilder einfache malische Pioniersoldaten - jede europäische Nation übernimmt in der Mission ihre besonderen Aufgaben. Inzwischen haben die europäischen Militärs schon fünf Bataillone ausgebildet, etwa 3.000 Soldaten. Die ersten kommen schon zur Auffrischung wieder. Hauptfeldwebel Goita Seku ist einer von ihnen:
"Am wichtigsten war für mich die Schulung im Umgang mit Sprengsätzen und Sprengfallen. So eine Ausbildung haben wir noch nie bekommen, und es war für uns ein großes Glück, dass wir daran teilnehmen konnten."
Direkt im Anschluss an den Lehrgang war Goita Seku mit seinem (Pionier-)Bataillon im Einsatz, - im Norden von Mali. Dort verüben al-Qaida-nahe Islamisten und Tuareg-Milizionäre regelmäßig Anschläge auf Zivilisten, malische Soldaten und UN-Militärs. Die Milizionäre verminen wieder und wieder die Straßen. Humanitäre Helfer und Händler riskieren ihr Leben, wenn sie außerhalb der Städte und Dörfer unterwegs sind. Es ist deshalb nicht nur für malische Soldaten lebenswichtig, dass sie mit Minen und Sprengfallen umgehen können.
Der Krieg im Norden Malis war Auslöser für die Europäische Ausbildungsmission. Dort hatte 2012 der Siegeszug von Islamisten und Tuareg-Milizen begonnen - sie eroberten damals weite Teile des Landes, ohne auf Gegenwehr der maroden malischen Armee zu treffen. Erst der Einsatz französischer Truppen konnte den Vormarsch der Islamisten stoppen. Langfristig soll Mali aber in die Lage versetzt werden, sich selbst zu verteidigen - das ist die Idee hinter der Ausbildungsmission.
"Aber für uns bleibt vermutlich das Handicap, dass wir auch weiterhin nicht das erforderliche Material haben. Das ist für uns ein reales Problem."
Oberstleutnant Hammerstein ist sich dessen bewusst:
"Beim Material ist es natürlich so, dass eben doch die Finanzlage dieses Staates zu Buche schlägt, also sprich: Waffen zwar dort sind, aber nicht in der ausreichender Zahl, Munition vielleicht auch vorhanden ist, aber auch nicht ausreichend, genau wie mit den Betriebsstoffen, und Fahrzeugen, Fernmeldeausstattung, also Funk et cetera - also alle diese Dinge sind natürlich knapp."
"Ich bin der Major Michael Thiele, ich bin der Führer der Pionierausbildung hier in Koulikoro und führe ein Team von 14 Ausbildern. Wir führen zurzeit eine mehrwöchige Pionier-Ausbildung durch mit den malischen Pionieren und haben heute den Anteil der praktischen Spreng- Ausbildung."
Viel Praxis, wenig Theorie
In 300 Metern Entfernung sind vier malische Soldaten damit beschäftigt, ein Kilogramm Sprengstoff in die Luft zu jagen. Eine einfache Übung, könnte man meinen - sind dafür deutsche Ausbilder nötig?
"Ja, man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass die malische Armee so eine klar strukturierte und logistisch gut versorgte Ausbildung hat, wie wir das in Europa haben. Die haben schlicht und ergreifend nicht genug Sprengmittel, um regelmäßig diese Sprengausbildung durchzuführen. Und jetzt wo wir hier sind, kommen sie mal in den Genuss, sie machen das aber einfach nicht regelmäßig."
Zehn der Kursteilnehmer sind zum zweiten Mal dabei. Weil die malischen Soldaten zwischendurch mangels Material nicht üben können, vergessen sie das Gelernte schnell wieder. Alle anderen Probleme seien aber zu bewältigen, versichern die deutschen Ausbilder unisono. Auf den Einsatz in Mali seien sie gut vorbereitet worden, trotzdem müssten sie vor Ort noch einiges lernen. Ihre Ausbildungsmethode haben sie bereits angepasst:
"Warum das Lernverhalten anders ist - das mag die andere Kultur sein, die Art und Weise, wie unterrichtet wird an den Schulen, die mangelnde Konzentrationsfähigkeit - das liegt sicherlich auch an der Hitze hier, also das merke ich ja selber. Da gibt es bestimmt viele Gründe, die ich jetzt nicht alle überreißen kann, die aber genau dahin führen, dass man eben anders ausbilden muss."
Und das heißt vor allem: näher an der Praxis, möglichst wenig Theorie. Oberstleutnant Hammerstein ist seit Sommer 2014 in Mali.
"Es gibt viele Soldaten, die wirklich etwas lernen wollen und wissbegierig sind und Freude an der Ausbildung haben. Und das macht eben Hoffnung."
Sinnvoll findet die Ausbildung auch Christian Wildhagen. Er ist Dozent am Haus Rissen in Hamburg, einer Bundeswehr-nahen, aber - kritischen Denkfabrik. In einem Punkt sieht Wildhagen aber doch ein Problem:
"Aus meiner Sicht in der geringen Stärke. Ich stelle mir persönlich die Frage, ob das was man da macht die Wirkung entfalten kann, die man sich davon verspricht."