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Bundeswehr in Mali
Wachsende Kritik an der UN-Mission

Seit dem Abzug der Franzosen steht auch der UN-Einsatz in Mali mit Bundeswehr-Beteiligung zur Debatte. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht setzte ihn im August aus. Inzwischen geht er weiter, doch die Menschen in Mali sind skeptisch.

Von Bettina Rühl |
April 2022: Die Deutschlandfahne und die Flagge der Vereinten Nationen wehen im Camp Castor in Gao, Mali während eines Besuchs der Verteidigungsministerin im Wind.
Die Deutschlandfahne und die Flagge der Vereinten Nationen wehen im Camp Castor in Gao (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Eine Demonstration in Bamako, der malischen Hauptstadt: Tausende sind Mitte Mai auf den "Platz der Unabhängigkeit" gekommen. Ihre Botschaft: Sie unterstützen die militärische Übergangsregierung in Mali, sie unterstützen Russland, das mit Mali militärisch zusammenarbeitet, sie machen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich für den islamistischen Terror in ihrer Heimat verantwortlich – und sie fordern den Abzug einer UN-Mission im Land, an der sich die Bundeswehr beteiligt.
Für den 22. September hat die russlandfreundliche Bewegung "Yerewolo debout sur les remparts" zu einer weiteren Demonstration gegen die UN-Mission MINUSMA aufgerufen. Moussa Diarra ist ihr Sprecher: "Wir wollen keine Besatzungstruppen mehr in unserem Land. Wir wollen stattdessen Militärs, die unser Land verteidigen und die Bevölkerung schützen. Da die MINUSMA diese Rolle offenbar nicht übernehmen will, fordern wir ihren Abzug von unserem Territorium."
Eine Mischung aus Frustration und Desinformation, womöglich geschürt durch gezielte russische Propaganda im Internet. Die MINUSMA ist keine Besatzungstruppe, stattdessen versucht der UN-Einsatz seit 2013 mit deutscher Beteiligung, der zunächst noch zivilen Regierung bei der Stabilisierung des Landes zu helfen.

Tausende Zivilisten wurden Opfer von Gewalt

Trotzdem hat sich die Sicherheitslage in Mali in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert: Tausende Zivilisten wurden Opfer von Gewalt, bewaffnete islamistische Gruppen bringen immer mehr Gebiete unter Kontrolle, blutige Konflikte zwischen unterschiedlichen Volksgruppen kommen hinzu.
Verteidigungsministerin Lambrecht besucht deutsche Soldaten in Westafrika.
Bundesverteidigungsministerin Lambrecht (m.) auf dem Flughafen in der malischen Hauptstadt Bamako. (Kay Nietfeld/dpa)
Deutschland beteiligt sich an der UN-Mission mit rund 1000 Soldatinnen und Soldaten - seit dem Abzug aus Afghanistan ist das der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die MINUSMA ist die gefährlichste UN-Mission weltweit. Seit 2013 haben 276 ihrer Mitglieder im Einsatz ihr Leben verloren.

Moussa Diarra ist zutiefst unzufrieden: "Die MINUSMA ist mit dem klaren Auftrag nach Mali gekommen, das Land zu stabilisieren und außerdem das malische Volk und dessen Besitz zu schützen. Diese Aufgabe hat die UN-Mission nicht erfüllt. Deshalb fordern wir, dass die MINUSMA nach fast zehn Jahren nutzloser, wirkungsloser Präsenz auf unserem Territorium abzieht."
Die UN-Mission ist in den Fokus von "Yerewolo debout sur les remparts" und anderer Kritiker gerückt, nachdem die Bewegung ihr erstes Ziel erreicht hatte: den Abzug der französischen Armee aus Mali. Mitte August verließen die letzten französischen Soldaten den westafrikanischen Krisenstaat. Bis dahin hatte die französische Armee in der ehemaligen Kolonie mit teilweise bis zu 4.500 Soldaten gegen islamistische Terrorgruppen gekämpft. Parallel zur UN-Mission MINUSMA, die nie das Mandat hatte, aktiv gegen Terrorgruppen vorzugehen.

Debatte über den Mali-Einsatz

Seit dem Abzug der französischen Armee haben russische Kräfte die Kasernen übernommen, die Frankreich hinterlassen hat. Das gilt auch für den Flughafen von Gao, von dem das deutsche Feldlager nur einen Kilometer entfernt ist. Der Flughafen ist für die Versorgung mit Nachschub und die Evakuierung Verwundeter entscheidend. Das hat in Deutschland die Debatte darüber befeuert, ob der Mali-Einsatz unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt fortgesetzt werden kann.
Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni hat sich kürzlich bei einem Truppenbesuch in Gao ein Bild von der Lage gemacht: "Ich habe eine erhöhte Wachsamkeit beobachtet. Das Thema ist natürlich allzeit präsent. Insgesamt muss man sagen, dass es eigentlich vom Operativen her kaum Berührungspunkte oder Konfliktpunkte gab. Davon wurde mir gar nicht berichtet. Aber natürlich stellen sich auch unsere Soldat*innen zu Recht die Frage, warum die malische Regierung so stark mit Russland zusammenarbeiten will. Wo wir doch hier alle in Europa wissen, dass Stabilität das Gegenteil ist von dem, was Russland dort erreichen will."
Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Hauptthema der 15. Sitzung der 20. Legislaturperiode ist, neben der Regierungserklärung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz zum Jahreswirtschaftsbericht 2022, der Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Irak.
Die Grünen-Verteidigungsexpertin Sara Nanni (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
Seit die russischen Truppen im Land sind, hat sich die Zusammenarbeit zwischen der militärischen Übergangsregierung und der UN-Mission verschlechtert. Die Bundeswehr spürte das daran, dass Überflugrechte verweigert oder sehr langsam erteilt wurden. Aufklärungsdrohnen konnten nicht starten, der Kontingentwechsel deutscher Soldatinnen und Soldaten geriet ins Stocken. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht setzte den Aufklärungseinsatz Mitte August deshalb vorübergehend aus. Nachdem der überfällige Kontingentwechsel stattfinden konnte, wird er mittlerweile fortgeführt.
Die grüne Verteidigungspolitikerin Sara Nanni hält das für richtig. Deutschland solle sich trotz der jüngsten Schwierigkeiten auch weiter an dem UN-Einsatz in Mali beteiligen. "Die malische Junta-Regierung ist sicherlich kein einfacher Partner. Und dass MINUSMA dort vor Ort sein muss, hat auch damit zu tun, dass die malische Gesellschaft in den letzten zehn Jahren sehr destabilisiert wurde. Meiner Meinung nach ist diese aktuelle Regierung mit ihren Schwierigkeiten auch ein Resultat der Sicherheitslage. Von daher finde ich es manchmal etwas erstaunlich, dass einige sich Bedingungen wünschen, die wir ja eigentlich mithelfen sollen, erst mal herzustellen in Mali."

Willkommen oder nicht willkommen?

Die malische Regierung erklärt tatsächlich immer wieder, die UN-Mission sei weiterhin willkommen. In einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat sagte der malische Außenminister Abdoulaye Diop Mitte Juni: "Uns treibt die Frage um, wie wir das Überleben unseres Staates sichern können, der aufgrund der Sicherheitsprobleme, die Sie bestens kennen, die Kontrolle über zwei Drittel seines Territoriums verloren hat. Wir fragen uns, wie wir die Sicherheit der Malierinnen und Malier gewährleisten können, die in einer verzweifelten Lage sind. Wir schaffen es zur Zeit nicht einmal, ihre grundlegenden Rechte zu garantieren, den Schutz ihres Lebens und ihres Besitzes. Um das zu erreichen, müssen wir mit mehr Partnern Sicherheitspartnerschaften eingehen. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass Mali ebenso wie alle anderen Länder rund um diesen Tisch das Recht hat, sich seine Partner selbst auszuwählen. Aber Mali bleibt offen für alle Partner."
Malis Außenminister Abdoulaye Diop
Malis Außenminister Abdoulaye Diop (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Yuri Kadobnov)
Die malische Regierung möchte also vor allem ihre Souveränität zurückgewinnen - auch im Streit um Überflugrechte für die Bundeswehr, auch gegenüber den Vereinten Nationen. Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako hat dafür durchaus Verständnis: "Als die UNO 2013 kam, hat Mali allem zugestimmt, was die westlichen Staaten und die UNO ihnen verlangt haben, um die Mission zu beginnen. Da haben sich viele Sachen so eingerenkt, die vielleicht nicht immer ideal waren. Und nun möchte Mali wieder klare Regeln etablieren. Das ist nicht immer ganz einfach, weil die UNO eben bürokratisch ist, weil der Staat auch nicht die Kapazitäten hat, um all die Anträge auf Fluggenehmigungen zeitnah zu bearbeiten."
Aber das, sagt Laessing, sei nicht alles: "Zum anderen kommt sicherlich hinzu, seitdem die Russen hier stationiert sind. Im Januar hat Mali Einschränkungen erlassen gegenüber der Bundeswehr und anderen Teilnehmern der UNO-Mission. Ganz einfach, weil die Russen sich nicht in die Karten schauen lassen wollen."

Menschenrechtsverbrechen unter russischer Beteiligung

Also beispielsweise vermeiden möchten, dass deutsche Aufklärungsdrohnen Belege für Menschenrechtsverbrechen unter russischer Beteiligung sammeln. Bei den russischen Bewaffneten handele es sich laut der malischen Regierung ausschließlich um Soldaten, nicht um Söldner. Dazu noch einmal der malische Außenminister Abdoulaye Diop in seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat im Juni: "Da einige auf die Wagner-Gruppe anspielen, wenn sie über die russischen Kräfte in Mali reden, möchte ich hiermit ganz klar sagen: Wir in Mali kennen kein Militärunternehmen Wagner."
Dagegen hat das US-Militär nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass in Mali hunderte Söldner des privaten Militärunternehmens im Einsatz sind. Experten gehen inzwischen von rund 1.000 russischen Söldnern in Mali aus. Auch die Krisenbeobachter der regierungsunabhängigen Organisation ACLED halten es für gesichert, dass Wagner-Söldner an Einsätzen von Regierungstruppen beteiligt sind - und noch brutaler vorgehen als die malischen Soldaten - denen Menschenrechtsgruppen und Überlebende regelmäßig schwere Menschenrechtsverletzungen vorwerfen.
Allein bei einem Massaker in der Region Mopti im Zentrum des Landes sollen im März mit Beteiligung von Wagner-Söldner mindestens 300 Zivilisten getötet worden sein. Dem Deutschlandfunk beschrieb einer der Überlebenden, was sich zwischen Sonntag - einem Markttag - und Dienstag in dem Ort Moura abspielte, nachdem malische und russische Bewaffnete den Ort umstellt hatten:
"Am Sonntag hatte ich es zunächst geschafft, abzuhauen und mich im Haus meines Onkels zu verstecken. Dort bin ich bis Montag geblieben. Erst am Dienstag bin ich auf den Befehl der Bewaffneten hin herausgekommen. Sie hatten angeordnet, dass alle Männer zum Fluss kommen. Ich schätze, dass wir dort etwa 4.000 Männer waren. Unter den Soldaten waren nur wenige Malier. Je ein oder zwei malische Soldaten bewachten eine Gruppe von Gefangenen. Wer zu fliehen versuchte, kam nicht weit. Die Malier haben uns bewacht, die Russen haben die Opfer ausgesucht und getötet. Ich habe gesehen, wie die weißen Soldaten Männer ausgesondert und exekutiert haben. Die weißen Soldaten sind von Gruppe zu Gruppe gegangen. Sie haben jeweils bis zu 15 oder zehn Männer mitgenommen, um sie zu erschießen. Sie haben die Leute nicht vor unseren Augen erschossen, sondern sind mit ihnen hinter eine Hütte gegangen.“
Wie viele Männer in diesen Tagen auf diese Weise willkürlich getötet wurden, weiß der Überlebende nicht. Den Zählungen der regierungsunabhängigen Organisation ACLED zufolge sind seit Dezember insgesamt fast 500 Zivilisten bei Einsätzen getötet worden, an denen Bewaffnete der Wagner-Gruppe teilnahmen. Mehr als 70 Prozent der Wagner-Einsätze hätten sich gegen Zivilisten gerichtet, so ACLED. 

Was der Krieg für die Bevölkerung bedeutet

Mamadou Traoré sitzt im Hof eines Hauses in Bamako, der malischen Hauptstadt. Hier, in einem Vorort der Zwei-Millionen-Metropole, geht das Leben einen ruhigen Gang. Mamadou Traoré hält die Vorwürfe gegen die malische Armee und ihre russischen Partner für Lügen der französischen Regierung. Der 27-Jährige ist Bauer und lebt in einem Dorf in der Nähe von Ségou, fast 400 Kilometer entfernt. Die Region ist seit Monaten das Epizentrum der Gewalt. Traoré möchte erzählen, was der Krieg für die Bevölkerung bedeutet. Dafür ist er extra nach Bamako gekommen, denn die Konfliktregion in der Landesmitte ist für unabhängige Beobachter inzwischen so gut wie unzugänglich.
So angespannt die Lage auch immer noch ist - Traoré sieht einen Fortschritt: "Seit einigen Monaten sehen wir bei uns sehr viel mehr Soldaten. Unsere Armee ist hier jetzt überall, sie gibt uns Sicherheit. Ich bin Präsident der Jugendorganisation in unserem Dorf, wir unterstützen die Armee mit Informationen, so gut wir können. Es hilft uns ja, dass die Soldaten in der Nähe sind. Sie arbeiten auch mit den Dorfchefs und anderen Vertretern der Bevölkerung zusammen."
Traoré ist zuversichtlich, dass er bald auf seinem Reisfeld arbeiten kann – die nächste Aussaat steht kurz bevor. Könnte er tatsächlich sein Feld bestellen, ohne damit sein Leben zu riskieren, wäre das für ihn ein großer Durchbruch. Um das zu erklären, holt er sein Handy aus der Hosentasche, er will ein paar selbst gefilmte Videos zeigen, die er im Januar gemacht hat.
Zu sehen sind verbrannte Reisfelder, es müssen riesige Flächen sein. Die Aufnahmen sind verwackelt. Traoré hat vom fahrenden Motorrad aus gefilmt - anzuhalten wäre viel zu gefährlich gewesen, sagt der Bauer: "Wir hatten den ganzen Reis auf unseren Feldern geerntet und wollten am nächsten Tag mit dem Dreschen anfangen. Diesen Moment haben die Islamisten abgepasst. Sie sind gekommen, haben unsere Ernte mit Benzin übergossen und alles verbrannt."
Die Islamisten hätten nicht nur seine komplette Reisernte zerstört, sondern die Lebensmittelreserven der Menschen in drei Kommunen im Zentrum von Mali. Die Gegend im Binnendelta des Niger-Flusses ist fruchtbar, wird vor allem für den Reisanbau genutzt und ist die Kornkammer des Landes - oder besser gesagt: Sie könnte es sein, wenn Frieden wäre. Wegen der anhaltenden Konflikte fallen viele Ernten aus, hinzu kommen die Folgen der Klimakrise. Mali und andere Länder der Region leiden derzeit unter einer schweren Dürre. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Mali 1,8 Millionen Menschen von Hunger bedroht und brauchen dringend Lebensmittelhilfe.
"Als ich gesehen habe, dass ich meine komplette Ernte verloren habe, ging es mir furchtbar. Das kannst Du Dir ja vorstellen: Nach der ganzen Zeit und Arbeit und Mühe, die ich investiert hatte - und binnen einer Minute ist alles weg. Seitdem überleben wir nur mit größter Mühe", sagt Traoré. 
Die Bevölkerung hungert, ergänzt sein Freund Mamadou Coulibaly, der Traoré nach Bamako begleitet hat. Coulibaly ist mehr als doppelt so alt wie Traoré und wohnt in einem Dorf in der Nähe. Auch seine komplette Ernte haben die Islamisten Anfang des Jahres verbrannt: "Ich weiß nicht, was die Islamisten damit erreichen wollen, dass sie unsere Felder abbrennen und unsere Ernten vernichten. Vielleicht wollen sie uns aushungern, damit wir uns ihnen unterwerfen."

Sicherheitslage verschlechtert sich in rasantem Tempo

Seine Erklärung ist plausibel. Zumindest rund um Coulibalys Dorf haben die Islamisten neuerdings nicht mehr die Macht, die Bevölkerung mit derart brutalen Methoden unter ihre Kontrolle zu zwingen: Die malische Armee konnte dort Gebiete von den Islamisten zurückerobern.
Das sei auch an einigen anderen Orten gelungen, sagt der Soziologe Fodie Tanzigoura. Er lehrt an der Universität von Bamako. "Die malische Armee reagiert jetzt schneller auf Anschläge, Überfälle oder gezielte Tötungen durch islamistische Gruppen. Früher dauerte es mindestens einen Tag bis Verstärkung eingetroffen war und der Gegenangriff beginnen konnte. Jetzt reagieren die Streitkräfte vor Ort deutlich schneller."
Dass die malische Armee ihre Kräfte in einigen Regionen im Zentrum des Landes verstärkt und die Sicherheitslage sich dort verbessert habe, bestätigt der unabhängige UN-Beobachter Alioune Tine. Insgesamt sind die Ergebnisse in seinem Bericht aber alarmierend, trotz der leichten Stabilisierung in einigen Zonen im Zentrum des Landes.
Die Sicherheitslage habe sich in rasantem Tempo weiter verschlechtert. Mit Beginn der russischen Präsenz habe die Zahl der schweren Menschenrechtsverletzungen um fast 50 Prozent zugenommen. Die Russen scheinen nach der Methode vorzugehen: Wenn sie ganze Dörfer entvölkern, sind unter hunderten Toten vermutlich auch die gesuchten Islamisten.

Zorn der Bevölkerung richtet sich gegen die UN-Mission

Im Norden dagegen, wo Frankreich vor allem militärisch aktiv war, sei nun ein Machtvakuum zu spüren, sagt Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako: "Die Franzosen waren die einzigen, die im Norden Malis gekämpft haben und aktiv Dschihadisten und deren Anführer bekämpft haben. Das ist ganz klar, dass die Dschihadisten da freier operieren können. Der Islamische Staat hat an der Grenze zu Niger im Norden Malis Territorium gewonnen."
Im Hin und Her der Offensiven bezahlen die Zivilisten einen blutigen Preis: Beide Seiten verdächtigen sie, mit der jeweils anderen zusammenzuarbeiten. Ohne lange nach Belegen für diese Beschuldigung zu fragen, werden Verdächtige kurzerhand getötet: von Islamisten, von malischen Sicherheitskräften und deren russischen Verbündeten.
Der Zorn der Bevölkerung richtet sich gegen die UN-Mission, die das nicht verhindert. Tatsächlich ist das die große Schwäche der Mission. Anfangs hatte die MINUSMA noch nicht einmal den Auftrag, die Bevölkerung zu schützen. In den vergangenen Jahren wurde ihr Mandat zwar erweitert. 2019 wurde der Schutz von Zivilisten als strategische Priorität aufgenommen.
An der Umsetzung aber fehlt es bis heute, kritisiert Anna Schmauder vom niederländischen Thinktank Clingendael: "Was man tatsächlich thematisieren müsste: Wie würde man es denn schaffen, diesen Ansatz 'Protection of Civilians' zu stärken? Nicht nur im Zentrum, sondern das ist auch ein großes Thema im Norden des Landes - und mit einer Regierung, die eben selber auch diese Angriffe auf Zivilisten durchführt."
Und das hieße für Deutschland und die Vereinten Nationen: Kein blindes "Weiter So" im Umgang mit Mali, aber auch kein abrupter Abbruch der Missionen. Und vor allem würde es bedeuten, die eigene Rolle und die eigenen Fehler in den vergangenen Jahren gründlich zu hinterfragen.