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Bundeswehr-Mandat für Irak
"Wir müssen immer für die Sicherheit sorgen können"

Die Bundeswehr setzt die Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak angesichts der jüngsten Eskalation im Mittleren Osten aus. SPD-Vorsitzende Saskia Esken befürwortet die Entscheidung im Sinne der Sicherheit für die Streitkräfte. Auch müsse das Mandat möglicherweise überprüft werden, sagte sie im Dlf.

Saskia Esken im Gespräch mit Peter Sawicki |
Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, spricht während der Debatte zur Aktuellen Stunde zum Klimagipfel in Madrid im Bundestag
Saskia Esken ist seit dem 6. Dezember 2019 zusammen mit Norbert Walter-Borjans Bundesvorsitzende der SPD (dpa / Fabian Sommer)
Esken sagte im Dlf, die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten stehe im Vordergrund. Ob die Ausbildungemission fortgeführt werde, hänge zum einen davon ab, wie sich die Situation entwickle und zum anderen, welche Entscheidung bei den Vereinten Nationen getroffen werde.

Das Interview in voller Länge:
Peter Sawicki: Die Entwicklungen im Nahen Osten sind natürlich auch aus deutscher Sicht relevant. Bundeswehrsoldaten sind im Irak stationiert weiterhin, zum einen beteiligen sie sich mit Aufklärungsflügen im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat, außerdem trägt die Bundeswehr zur Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak bei, also dort, wo General Soleimani getötet wurde. Und erste Konsequenzen gibt es bereits, denn die Ausbildungsmission wurde ausgesetzt. Sprechen können wir darüber jetzt mit der SPD-Vorsitzenden, mit Saskia Esken, sie ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Saskia Esken: Guten Morgen, Herr Sawicki!
"Das ist eine ganz gefährliche Eskalation"
Sawicki: Schauen wir erst einmal auf das, was rund um den Iran und Irak passiert. Sind Sie Donald Trump dankbar?
Esken: Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Das ist eine ganz gefährliche Eskalation, die da jetzt entstanden ist, und die europäischen Partner müssen jetzt dort sozusagen aufräumen und versuchen zu deeskalieren und tun, was möglich ist.
Sawicki: Die USA sagen ja, damit habe man Menschenleben gerettet und das hätte schon viel früher getan werden müssen, weil das eben so ein so gefährlicher Mann gewesen sei. Ist das für Sie kein Argument?
Esken: Das ist natürlich auch ein Argument, aber das Argument wird auf der anderen Seite natürlich stark geschwächt durch die Eskalation, die jetzt im Land entsteht. Wir werden ja auf der anderen Seite Reaktionen haben, das ist ja immer, wenn man mit Gewalt in eine Situation reingeht, dann wird es Reaktionen geben – auch die werden Menschenleben kosten.
Sawicki: Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie?
Esken: Ich rechne damit, dass vor allem auf der Seite des Irans eine Eskalation stattfinden wird, dass dort auch eine Radikalisierung stattfinden wird und dass wir mit weiteren Maßnahmen rechnen müssen.
Deeskalation auf diplomatischem Wege
Sawicki: Die USA hatten ja weiterhin auch gesagt, dass ein unmittelbarer Angriff bevorstand. Haben Sie dazu nähere Informationen?
Esken: Dazu habe ich keine Informationen, und die USA teilen diese Informationen, wenn es hochkommt, auch in geschlossenen Zirkeln mit ihren Partnern, nicht mit den Parteivorsitzenden, das ist aber auch nachvollziehbar.
Sawicki: Das heißt mit der Bundesregierung, aber dann zum Beispiel nicht mit Ihnen persönlich?
Esken: Ja.
Sawicki: Und fordern Sie aber, dass das trotzdem so geschieht, dass Sie dann im Bilde sind darüber?
Esken: Wir müssen uns natürlich zusammensetzen zu den Themen, das ist klar. Das ist aber in solchen Situation, wenn so schnell auch Handlungen und Reaktionen notwendig sind, vielleicht nicht immer möglich.
Sawicki: Und Stichwort Deeskalation, was Sie gerade angesprochen haben. In welcher Form ist das jetzt möglich?
Esken: Die Deeskalation findet immer auf diplomatischem Wege statt, das heißt, da müssen jetzt Gespräche geführt werden. Die Reaktion allerdings, unsere Ausbildungsmission auszusetzen, ist einfach eine Sicherungsmaßnahme für unsere Soldatinnen und Soldaten.
Sawicki: Genau, zu der Bundeswehrrolle kommen wir gleich noch. Aber Stichwort Deeskalation, da war ja auch die Rede davon gestern, dass man im UN-Sicherheitsrat beispielsweise eine Sondersitzung einberufen sollte, da den deutschen Einfluss, der derzeit da ist, geltend machen sollte. Ist das mittlerweile auf den Weg gebracht?
Esken: Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.
"Man muss immer mit allen Beteiligten sprechen"
Sawicki: Ist das etwas, was Sie anstreben?
Esken: Sowohl auf Ebene der UN als auch bilateral müssen Gespräche geführt werden, und unser Außenminister ist da schon längst in Gesprächen, sowohl mit europäischen Partnern als auch mit Partnern in der Nato.
Sawicki: Bilateral mit den USA und mit dem Iran?
Esken: Durchaus auch in Europa mit Franzosen und Briten, aber natürlich auch vor Ort mit den Beteiligten.
Sawicki: Beteiligten, also auch mit dem Iran direkt sollte man da den Kontakt suchen?
Esken: Muss man. Man muss immer mit allen Beteiligten sprechen, auch wenn es vielleicht nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist.
Sawicki: Dann schauen wir jetzt mal auf die Rolle der Bundeswehr, wie Sie gerade angesprochen haben. Die Ausbildungsmission explizit, die ist ja jetzt vorerst ausgesetzt, also die Ausbildung der Sicherheitskräfte im Irak. Ist das in Ihrem Sinne?
Esken: Ja, das ist notwendig, um die Soldatinnen und Soldaten zu schützen gerade in diesem Moment. Die Mission war schon richtig angelegt, aber wenn die Situation jetzt droht, zu eskalieren, müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten auch schützen.
Sawicki: Und überprüfen Sie das Mandat insgesamt jetzt neu?
Esken: Das ist möglich, wenn sich die Situation verändert, dass dann das Mandat auch überprüft werden muss.
Sawicki: In welche Richtung?
Esken: Das kommt drauf an, wie die Situation sich entwickelt natürlich. Das ist immer davon abhängig, wie die Situation vor Ort ist. Es wird ja auch, wenn Gespräche bei den Vereinten Nationen stattfinden, ist ja möglich, dass auch dort Entscheidungen getroffen werden, die Einfluss auf das Mandat haben, das entscheiden wir ja nicht alleine.
Sawicki: Das ist richtig, aber es gibt ja auch unterschiedliche Aussagen alleine innerhalb der SPD. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, er zweifelt an dem weiteren Sinn des Fortbestands dieser Mission oder überhaupt des Aufenthalts der Bundeswehr insgesamt im Irak. Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher, sagt, es sei noch zu früh, über einen Abzug zu sprechen. Wo sehen Sie sich dort?
Esken: Deswegen ist die Mission jetzt ausgesetzt worden und nicht sofort beendet worden, weil man die Situation gerade im Moment, was den Fortgang der Mission angeht, noch nicht beurteilen kann. Aber wie gesagt, zur Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten ist das jetzt die richtige Entscheidung, dann müssen wir sehen, wie die Situation sich entwickelt.
Für die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten sorgen
Sawicki: Was lehrt Sie diese Entwicklung jetzt über Auslandseinsätze der Bundeswehr insgesamt?
Esken: Insgesamt sind die Auslandseinsätze der Bundeswehr immer nur in ganz besonderen Krisensituationen möglich, sie müssen immer zeitlich begrenzt sein, wir müssen immer auch für die Sicherheit der Menschen, die wir dort einsetzen, sorgen können. Und das begrenzt die Missionen stark. Ich plädiere immer dafür, alle diplomatischen Mittel und vor allem auch die zivilen Unterstützungsmittel vor Ort zu nutzen, bevor man über militärische Maßnahmen nachdenkt.
Sawicki: Aber grundsätzlich: Sie hatten ja neulich auch einen Disput oder eine Uneinigkeit offenbart mit der Verteidigungsministerin mit Blick jetzt auf den Einsatz in Mali. Wie stehen Sie jetzt mittlerweile dazu nach den neuesten Entwicklungen?
Esken: Das verändert nichts an meiner Haltung. Zum einen bin ich der Auffassung, dass wir mit Auslandseinsätzen sehr sparsam und sehr verantwortungsvoll vor allem umgehen müssen. Es ist ja auch eine Frage dessen, wie viele Soldatinnen und Soldaten müssen wir überhaupt zu einem Einsatz schicken, damit sie sich auch gegenseitig sichern können. Und so groß ist das Personaltableau nun nicht. Zum anderen geht es aber immer auch darum, dass eben erst alle anderen Mittel ausgeschöpft werden müssen. Und der Disput mit der Verteidigungsministerin bezieht sich in der Hauptsache darauf, dass sie immer wieder unabgestimmt auch mit dem Außenminister und dem Koalitionspartner hier nach vorne geht in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, und das halte ich für einen großen Fehler.
Sawicki: Und Stichwort Abstimmung: Wie stehen Sie, zum Beispiel, wenn man auf den Irak noch mal blickt, auf das Mandat dort, im März läuft ja zumindest dann die Tornado-Mission, also die Aufklärungsflüge im Rahmen des Kampfes gegen den IS aus, wie stehen Sie dazu, zu einer möglichen Verlängerung?
Esken: Was die Aufklärungsflüge anbelangt, haben wir ja schon vor längerer Zeit vereinbart, uns da zurückziehen zu wollen. Und die Vorgängerin der Verteidigungsminister hatte den Auftrag, den Abzug vorzubereiten, hat es leider nicht getan. Wir haben einmalig verlängert und wir sind der Meinung, dass der Einsatz dann beendet werden sollte.
"Aufklärungsflüge sind natürlich weiterhin notwendig"
Sawicki: Bekräftigt die aktuelle Entwicklung Sie in dieser Haltung?
Esken: Die aktuelle Entwicklung sollte einen natürlich eher in der anderen Haltung bekräftigen, aber wir hatten ja vereinbart, dass andere diese Mission übernehmen sollen, das war der Plan – nicht, dass die Mission insgesamt beendet werden soll. Denn die Situation im Irak und in Syrien ist ja weiterhin problematisch, aber wir hatten vereinbart, dass die deutschen Aufklärungsflieger sich zurückziehen können und so soll es auch geschehen.
Sawicki: Aber wenn Sie gleichzeitig sagen, dass man da eigentlich eine andere Schlussfolgerung draus ziehen sollte angesichts der neuen Entwicklungen. Was heißt das? Können Sie sich das trotzdem vorstellen, dass man dort weiter bleibt im Rahmen dieser speziellen Mission?
Esken: Die Aufklärungsflüge sind natürlich weiterhin notwendig. Und bisher war eben die Lage so, dass wir gesagt haben, das sollen auch mal andere machen. Und im Übrigen habe ich auch vorher schon gesagt, wie sich insgesamt unser Mandat auch entwickelt, müssen wir an der Situation entscheiden, deswegen müssen wir die Situation jetzt schon auch genau anschauen – und wie gesagt auch mit den UN beraten.
Sawicki: Vielen Dank für das Interview!
Esken: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.