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Bundeswehr-Mandate
"Ursula von der Leyen hat kaum einen Einsatz beendet"

Die deutsche Verteidigungsministerin sei die Erste, die auf dem internationalen Parkett den Finger hebe, wenn es um neue Mandate für die Bundeswehr gehe, sagte Agnieszka Brugger, Vize-Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, im Dlf. Dabei lasse sie die tatsächlichen Ressourcen der Truppe außer acht.

Agnieszka Brugger im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Agnieszka Brugger spricht im Deutschen Bundestag zu den Abgeordneten.
    Nein zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und im Irak, ja zu Mali, so werde sie im Bundestag abstimmen, sagte Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) im Dlf (Christophe Gateau/dpa)
    Dirk-Oliver Heckmann: An vielen Orten der Welt ist die Bundeswehr derzeit im Auslandseinsatz, und das bereits zum Teil seit vielen Jahren. In Afghanistan zum Beispiel sind deutsche Soldaten schon seit über 16 Jahren eingesetzt, ohne dass sich die Lage am Hindukusch wesentlich verbessert - so die Kritiker des Einsatzes. Dennoch wird die Operation immer wieder verlängert. Heute stimmt der Bundestag unter anderem darüber ab.
    Zugehört hat Agnieszka Brugger von Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist Obfrau im Verteidigungsausschuss und Sprecherin für Sicherheitspolitik ihrer Fraktion. Guten Morgen, Frau Brugger.
    Agnieszka Brugger: Guten Morgen.
    Heckmann: Werden Sie einer Verlängerung der Mandate zustimmen?
    Brugger: Wir Grüne sagen nicht reflexartig Nein und auch nicht blind Ja zu den Mandaten, die hier vorliegen, sondern wir schauen sie uns sehr sorgfältig im Einzelfall an und prüfen sie – natürlich auch mit einer starken sicherheitspolitischen Brille: Ist der Einsatz politisch richtig, aber auch mit der Frage, die ja gerade diskutiert wurde, wie sieht es mit der Belastung aus, ist das überhaupt leistbar? Wir werden von den fünf Mandaten, die heute abgestimmt werden, drei wahrscheinlich nicht zustimmen als Grüne und zwei zustimmen, und das Mali-Mandat diskutieren wir und stimmen wir erst nächste Woche endgültig ab.
    Heckmann: Welchen Mandaten werden Sie nicht zustimmen und weshalb?
    Brugger: Ich persönlich werde dem Afghanistan-Mandat wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen nicht zustimmen. Das ist natürlich eine ganz schwierige Frage. Aber nach 17 Jahren Militäreinsatz muss man, glaube ich, feststellen, dass man die Ziele dort nicht erreicht hat, dass es mittlerweile auch von der Bundesregierung, auch von der internationalen Gemeinschaft nach wie vor keine realistischen Zwischenziele gibt, wie soll dieser Einsatz eigentlich noch zum Erfolg werden?
    Afghanistan: "Wir fordern als Grüne seit Jahren eine Exit-Strategie ein"
    Heckmann: Und ein Abzug wäre aus Ihrer Sicht besser?
    Brugger: Natürlich gibt es auch immer wieder Hoffnungsschimmer, vor einigen Wochen eine Konferenz, wo man versucht hat, noch mal diese politische Verhandlungslösung mit den Aufständischen auf den Weg zu bringen. Nur es gibt zwei, aus meiner Sicht sehr große Entwicklungen, die diesen Einsatz nach wie vor sehr, sehr schwierig machen und auch diese Hoffnungsschimmer gleich wieder im Keim ersticken. Das ist einerseits der gefährliche Strategiewechsel von Donald Trump. Die USA sind natürlich der größte Truppensteller. Das kann man nicht nur eins zu eins voneinander trennen, auch wenn die Bundeswehr einen etwas anderen Kurs hat. Und das andere ist die afghanische Regierung, die in den letzten Jahren noch mal Vertrauen verspielt hat in der Bevölkerung, weil sie weitergemacht hat mit Klientelpolitik, mit Korruptionspolitik, und dann muss man sich realistisch die Frage stellen, was können wir noch erreichen.
    Ich schreibe das aber auch immer in meiner persönlichen Erklärung. Mein Nein ist kein Plädoyer für einen Sofortabzug, das würde der Lage sicherlich auch nicht helfen, sondern eine Kritik …
    Heckmann: Aber das wäre doch eine Folge Ihrer Entscheidung, wenn alle so entscheiden würden wie Sie, oder?
    Brugger: Ja. Aber natürlich ist das auch eine Frage, in welcher Rolle man als Abgeordnete abstimmt. Als Opposition verhalten wir uns zu der Strategie und, finde ich, müssen wir diese Kritik auch mal deutlich in Richtung der Bundesregierung artikulieren. Ich kann meine Hand nicht heben für einen Einsatz, wo ich wirklich große, große Probleme habe. Ich finde, man ist das ja auch den Soldatinnen und Soldaten schuldig, nicht einen Einsatz zu verlängern, von dem man eigentlich nicht mehr glaubt als Abgeordnete, dass er zum Erfolg werden kann. Wir fordern hier als Grüne seit Jahren eine Exit-Strategie ein, nicht einen Sofortabzug in wenigen Wochen, sondern ein Abzugsmandat, wo man wirklich dann auch einen geordneten Abzug durchführen kann. Das andere wäre aus meiner Sicht unverantwortlich.
    "Es fehlt eine völkerrechtliche Grundlage für die Aufklärungsflüge über Syrien"
    Heckmann: Wie sieht es mit dem Irak aus? Sieht das da ähnlich aus? Dem werden Sie auch nicht zustimmen?
    Brugger: Das Mandat haben wir uns wirklich sehr, sehr genau angeschaut. Da gibt es einige hoch problematische Punkte. Nach wie vor fehlt eine wirklich klare völkerrechtliche Grundlage für die Aufklärungsflüge über Syrien. Wir haben auch große Probleme damit, dass die Bundeswehr hier eingesetzt wird in einer Koalition der Willigen. Das ist nicht nur problematisch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, was gesagt hat, nur im Rahmen des Themas kollektiver Sicherheit, also VN, Europäische Union, NATO, sondern auch, weil es natürlich ein großes politisches Problem birgt.
    Wir können das ja gerade in Afrin beobachten, was die Türkei, die auch Teil dieser Koalition ist, dort tut, wie sie ihre eigenen Interessen verfolgt, zum Leidwesen der Menschen nicht nur in der Region, sondern zum Leidwesen auch natürlich dieses Einsatzes, wo man keine gemeinsame Strategie hat, sondern so wird natürlich auch der Einsatz, der politische wie der militärische, gegen Daesh massiv geschwächt mit diesem völkerrechtswidrigen Einmarsch in Afrin und das finden wir sehr, sehr problematisch.
    Trotzdem haben wir aber auch gesagt, wir werden das ablehnen. Dieser Beitrag zur Ausbildung, der Beitrag zur Versöhnung zwischen Erbil und Bagdad, das ist nicht sicher, dass das zum Erfolg führen wird. Das kann aber durchaus auch ein sinnvoller Ansatz sein. Das wird man sich noch mal sehr genau anschauen müssen. Mir macht Sorge, dass die SPD und die Union ein völlig unterschiedliches Wording zu diesem Mandat haben. Die einen sagen, die Ausbildung der Peschmerga wird beendet, die Frau Ministerin sagt, der geht weiter. Die Bundesregierung muss schon eigentlich wissen, was sie mit so einem schwierigen Mandat will.
    Mali: "Die Rettungskette ist sichergestellt"
    Heckmann: Frau Brugger, ich habe gerade schon erwähnt den Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages zur Ausstattung der Bundeswehr. Er hat das mit dramatischen Worten ja beschrieben. Es gibt auch einen Bericht der Bundeswehr selbst. Demnach waren im vergangenen Jahr nur 13 von 58 Transporthubschraubern vom Typ NH90 einsatzbereit und nur 12 von 62 Unterstützungshubschraubern Tiger. Beide werden in Notfällen Bestandteil der sogenannten Rettungskräfte. Sind deutsche Soldaten in Gefahr, weil das Material in einem so schlechten Zustand ist?
    Brugger: Als Abgeordnete prüfen wir auch das bei den Mandaten immer sehr sorgfältig und müssen das auch tun. Deshalb gab es zum Beispiel im Fall von Mali, wo für ein Jahr auch die Deutschen die Hubschrauber gestellt haben, beim letzten Mandat eine sehr, sehr lange Debatte: Ist es überhaupt leistbar? Kann man das durchhaltefähig sicherstellen? Was heißt es auch für die Situation im Inland in der Ausbildung? Es war klar, das ist keine leichte Situation, aber es wurde immer wieder gesagt, ja, das können wir, aber nicht länger als ein Jahr. Auch das ist natürlich hier Ausdruck der desaströsen Materiallage in dem Bereich. Und jetzt haben wir sehr heftig auch diskutiert, lösen uns denn dann auch andere Nationen an der Stelle ab. Die Vereinten Nationen haben sehr, sehr lange suchen müssen. Jetzt heißt es, Kanada würde diese Fähigkeit sicherstellen. Das ist natürlich eine Grundvoraussetzung dafür, dass man ein solches Mandat überhaupt verlängern kann, dass die Rettungskette sichergestellt ist. Das war uns Abgeordneten immer sehr, sehr wichtig.
    Heckmann: Und ist sie es?
    Brugger: Wenn das stimmt, was das Ministerium sagt und die Vereinten Nationen uns melden – davon würde ich jetzt an der Stelle auch erst mal ausgehen -, dass die Kanadier da an der Stelle dann übernehmen, dann scheint das der Fall zu sein.
    "Das ist Schönrednerei, was Ursula von der Leyen da betreibt"
    Heckmann: Ursula von der Leyen hat gesagt, das stimmt alles so nicht. Die durchschnittliche Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme sei um mehr als 25 Prozent gestiegen. Und man könne nicht so schnell aufholen, was jahrzehntelang verschlafen wurde. Da hat sie doch recht, oder?
    Brugger: Sie hat recht, wenn sie sagt, man kann es nicht eins zu eins übertragen. Die schlechte Materiallage bei den Panzern oder die schlechte Materiallage bei den U-Booten, die hat nichts mit den Einsätzen zu tun, weil die ja dort gerade in dem Rahmen nicht eingesetzt werden, sondern da gibt es durchaus auch andere Probleme. Trotzdem ist das natürlich Schönrednerei, was sie da betreibt. Erstens ist sie schon vier Jahre lang Ministerin und hat hier auch großen Einfluss gehabt. Sie hat immer mehr Geld gefordert, sie hat es bekommen, so viel hat sich da nicht verbessert, die Lage ist nach wie vor desaströs in bestimmten Bereichen. Gleichzeitig ist sie natürlich in den letzten Jahren auch immer wieder dadurch aufgefallen, dass sie eine der ersten ist, die auf dem internationalen Parkett gleich eifrig den Finger streckt, auch an der Stelle soll Deutschland noch mit dabei sein und dieses wollen wir auch noch leisten. Dabei hat sie kaum einen Einsatz beendet. Andere Nationen tun das durchaus immer wieder und da muss die Ministerin sich schon die Frage gefallen lassen, warum sie es eigentlich nicht geschafft hat, eine wirklich verlässliche Planung zu machen, wo Auftrag, Material und Personal in einem verantwortungsvollen Verhältnis zueinander stehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.