Der erste Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wurde am 22. Dezember 2001 beschlossen. Die ersten deutschen Kräfte erreichten das Land im Januar 2002. Zunächst umfasste der Einsatz die militärische Beteiligung an der Operation "Enduring Freedom" und an der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF bis 2014.
Danach blieben Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Folgemission "Resolute Support" im Land. Nach der Ankündigung der US-Regierung, im Mai 2021 US-Truppen aus Afghanistan bis spätestens zum 11. September 2021 abzuziehen, haben auch die anderen NATO-Truppen begonnen, das Land zu verlassen. Am 29. Juni 2021 verließen die letzten deutschen Soldaten und Soldatinnen das Einsatzgebiet. Damit endet ein fast 20-jähriger Einsatz der Bundeswehr.
Deutschland stellte nach den USA die zweitgrößte Truppe in Afghanistan. Insgesamt haben rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten am Hindukusch ihren Dienst geleistet. 59 kamen ums Leben - so viele wie bei keinem anderen Bundeswehr-Auslandseinsatz. Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat der Einsatz allein bis 2020 über 12 Milliarden Euro gekostet.
Auslöser für den Einsatz am Hindukusch waren die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001. Die USA erklärten daraufhin den Krieg gegen den internationalen Terrorismus, die NATO rief den "Bündnisfall" aus. Die USA machte die Terrororganistaion El Kaida für die Anschläge verantwortlich und forderte die Auslieferung von deren Anführer Osama bin Laden aus Afghanistan. Das Land wurde von der radikal islamischen Taliban regiert, welche mit Mitgliedern der El Kaida verbündet waren. Das Regime wurde in der Folge im Oktober 2001 gestürzt - von afghanischen Truppen mithilfe der USA und Großbritanniens.
Mit dem Truppenabzug der weiteren beteiligten Einsatzkräfte ist das Ende der Mission absehbar. Ziel der US-geführten Millitärallianz war es, Afghanistan von den Taliban und anderen terroristischen Gruppen zu befreien und das Land nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg wieder aufzubauen. Doch die Taliban haben auch nach ihrem Sturz zu keinem Zeitpunkt aufgegeben, bekamen 2015 noch Unterstützung vom IS, dem sogenannten Islamischen Staat, und erobern aktuell große Teile ihres früheren Herrschaftsgebiets zurück.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Bundeswehr nirgendwo anders militärisch stärker engagiert als in Afghanistan. Deutsche Soldaten und Soldationnen haben bei diesem Einsatz Brunnen, Brücken, Krankenstationen, Schulen gebaut und die Sicherheitsverantwortung für den Norden Afghanistans übernommen. Sie wirkten somit an der Führung der Mission mit.
Hauptaufgaben waren Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte, Lufttransport und Sicherung und Schutz diplomatischer und konsularischer Vertretungen in besonderen Not- und Gefährdungslagen. Die meisten Bundeswehrsoldaten waren dazu im Norden Afghanistans, in Masar-i-Scharif, stationiert. Seit 2014 war die Bundeswehr allerdings nicht mehr an Kampfeinsätzen beteiligt.
Bis heute kommt es in Afghanistan zu Kämpfen zwischen Taliban, afghanischen Regierungstruppen, internationalen Truppen und Warlords, zu Bombenanschlägen und bewaffneten Überfällen. Hunderttausende Afghanen wurden vertrieben und sind auf der Flucht. Immer mehr Regionen fallen unter die Herrschaft der Taliban, Städte sind von ihnen quasi umzingelt. Diese unterzeichneten Anfang 2020 ein Friedensabkommen mit den USA - im Hinblick auf den geplanten Truppenabzug. Der deutsche Stützpunkt nahe der Stadt Masar-i-Sharif ist mittlerweile geräumt und wurde den afghanischen Streitkräften übergeben.
Wenn der Abzug der internationalen militärischen Kräfte endgültig vollzogen ist, steht Afghanistan vor der großen Aufgabe, alle Konfliktparteien in einen Friedensprozess einzubinden - ansonsten besteht die Gefahr eines neuen Bürgerkriegs. Gegen die Taliban, deren Ziel der Abzug aller ausländischen Kräfte war, hat man nun keine militärischen Mittel mehr in der Hand, aber vielleicht finanzielle.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zog im Dlf eine positive Bilanz aus der Mission in Afghanistan: "Wir haben das Ziel erreicht, dass ganz sicherlich El Kaida nicht in dem Maße international operiert hat, wie es der Fall war, als es zu 9/11 gekommen ist. Und wir haben es geschafft, dass eben dieses Land in den letzten 20 Jahren nicht von den Taliban regiert worden ist, dass wir eine demokratisch gewählte Regierung haben."
Kramp-Karrenbauer erklärte zudem, bei anderen Auslandseinsätzen überzogene politische Ambitionen und Ziele nicht wiederholen zu wollen. Viele Abgeordnete sprechen auch wegen des erneuten Vormarschs der Taliban von einem "Scheitern" am Hindukusch.
Als nur teilweise erfolgreich
bezeichnete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff
, den Einsatz. So sei es zwar gelungen, die von Afghanistan ausgehende Terrorgefahr in der Vergangenheit abzuwenden, eine funktionierende Demokratie habe jedoch nicht etabliert werden können, sagte er im Deutschlandfunk.
Politologin Jana Puglierin sagte im Dlf, der Einsatz habe sehr wenige positive Ergebnisse hervorgebracht. Die Taliban hätten verstanden, dass sie einfach nur abwarten müssen, bis die internationalen Truppen abgezogen sind und würden dann schrittweise das Land wieder übernehmen - und alles, was aufgebaut wurde, wieder zunichtemachen: Frauenrechte, Bildung, Klimaschutzprojekte.
Friedens- und Konfliktforscher Conrad Schetter stellt der Mission in Afghanistan ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus: "Man hat da Milliarden reingesteckt und vergleichsweise wenig erhalten. Aus der Konfliktspirale hat man das Land nicht herausgeholt". Er kritisierte, dass es in Deutschland bisher keine richtige Evaluierung des Afghanistan-Engagements gegeben habe, "aus der Sorge davor, dass dann wirklich so viele Ungereimtheiten auf den Tisch kommen, die von allen Ministerien bisher nicht angegangen wurden."
Der Einsatz in Afghanistan sei vor allem daran gescheitert, dass die internationale Gemeinschaft dem Land ihre Ideen übergestülpt habe. Die Taliban hingegen hätten vor allem die ländliche Bevölkerung erreicht, mit einem Angebot, "das deren gesellschaftlichem Bild entsprach". Man brauche nun einen echten Friedensprozess, bei dem die Bevölkerung, die Entscheidungsträger und die verschiedenen Parteien an einen Tisch gebracht werden.
Quellen: Bundeswehr, BMVg, og