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Bundeswehreinsatz in Mali
"Die Lage hat sich eher verschärft"

Die Lage in Mali habe sich auch fünf Jahre nach Beginn des Bundeswehreinsatzes nicht verbessert, sagte der CDU-Außenpolitiker Matern von Marschall im Dlf. Es sei schwierig, das große Land gegen Terrorgruppen zu verteidigen. Auf lange Sicht könnte sogar ein Kampfeinsatz der Bundeswehr zur Debatte stehen.

Matern von Marschall im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Matern von Marschall (CDU) spricht am 16.05.2018 im Bundestag
    Laut Matern von Marschall hat sich die Lage in Mali nicht verbessert, seit die Bundeswehr vor Ort ist (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Tobias Armbrüster: Die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist seit gestern zu Gast in Mali. Mit ihr Unterwegs der CDU-Außenpolitiker Matern von Marschall, Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestages. Wir erreichen ihn in der Hauptstadt Bamako. Schönen guten Morgen, Herr von Marschall.
    Matern von Marschall: Schönen guten Morgen.
    Armbrüster: Herr von Marschall, was kann die Bundeswehr ausrichten in diesem Land?
    von Marschall: Die Bundeswehr ist, wie es gesagt wurde, in zwei Missionen hier, einmal in einer Trainingsmission für die malische Armee und zum anderen in dem UN-Mandat Minusma. Bei der Trainingsmission geht es natürlich darum, dass die malische Armee sich selbst ertüchtigt, künftig gegen die Terroristen, gegen Aufständische, gegen zahlreiche – es wurde geschildert – Gruppen von Rebellen vorzugehen. Es ist erst mal auch die Schaffung einer inneren Struktur und auch eines Willens dieser malischen Armee, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.
    Man muss sich vorstellen: Dieses Land ist riesengroß, sehr dünn besiedelt, und es ist ungeheuer schwierig, diesen gewaltigen Raum zu erschließen und auch zu kontrollieren. Das ist eine große Aufgabe, bei der auch die Bundeswehr, übrigens auch, was die Terrorgruppen angeht, mit Aufklärungsmitteln unterstützen kann.
    "Ungeheuer schwierig, Kontrolle über das Land zu bekommen"
    Armbrüster: Aber von dem, was wir gerade gehört haben, Herr von Marschall, klingt das nicht alles so, als hätte sich die Lage im Land in den vergangenen Jahren verbessert.
    von Marschall: Das ist richtig. Die Lage hat sich eher verschärft. Es ist zwar der Putsch damals und auch die Rebellen, die von den Tuareg aus vom Norden das Land überrollt haben, zunächst mal zurückgedrängt worden. Es gibt jetzt aber auch andere Akteure. Und was vielleicht noch wichtig ist zu wissen: Wir haben es hier auch mit Konflikten zwischen Nomaden und ansässigen Kleinbauern zu tun, Nomaden, die mit ihren Viehherden unterwegs sind. Da gibt es natürlich Konflikte um die Landnutzung und das ist auch stark zusammenhängend mit häufig lange ausbleibenden Niederschlägen. Es regnet hier in weiten Teilen des Landes überhaupt nicht. Das heißt, auf diese Konflikte setzen sich dann unter Umständen diese Terrorgruppen auch drauf. Es ist mithin für den Staat ungeheuer schwierig, überhaupt Kontrolle über das Land zu bekommen.
    Armbrüster: Wenn wir jetzt hören, wenn Sie das auch bestätigen, die Lage verschlimmert sich eher, es wird ernster, wäre es nicht an der Zeit, dann umzudenken, was die Strategie auch der Bundeswehr dort angeht?
    "Immer wieder überprüfen, ob Fortschritte erzielt werden können"
    von Marschall: Das ist eine Frage, die mir hier die Soldaten, die wir gestern an einem Lufttransport-Unterstützungspunkt in Niemey in Niger getroffen haben, auch gestellt haben: Wie lange ist zu erwarten, dass wir hier noch bleiben müssen. – Es ist auch schon gelegentlich das verglichen worden mit dem Einsatz in Afghanistan. Das heißt, wir müssen schon sehr genau immer wieder überprüfen, ob überhaupt Fortschritte erzielt werden können.
    Jetzt ist ja der Ansatz – und den halte ich auch für richtig -, dass die Länder in der Sahel-Zone, fünf Länder sind das, sich gemeinsam zusammentun, um dieser enormen Herausforderung Herr zu werden. Weil es ist so, dass diese Terrorgruppen und auch diese Aufständischen ja von einem Land ins andere sich bewegen. Das heißt, das ist nicht nur auf eine Nation beschränkt - diese Nationen sind ja sowieso einigermaßen fiktive Konstruktionen aus der Kolonialzeit -, sondern auch hin und herwandern.
    Armbrüster: Herr von Marschall, was sagen Sie denn dann den deutschen Soldaten, wenn diese Frage kommt? Wie lange wollen Sie sich das noch so ansehen, wie es gerade läuft in Mali?
    von Marschall: Ich sage, dass wir, der Deutsche Bundestag – wir haben ja mit der Bundeswehr eine Parlamentsarmee – die jeden Einsatz, den wir insbesondere im Ausland haben, einzeln mandatieren müssen, über jeden Einsatz auch in namentlicher Abstimmung befinden, dass wir das sehr genau im Auge behalten. Jetzt sind ja die Mandate immer in aller Regel nur auf ein Jahr festgelegt, im Falle von Minusma bis Ende Mai 2019 zum Beispiel. Die personelle Obergrenze ist definiert. Dann wird man sich immer wieder im Lichte dessen, was sich dann vor einer möglichen Neumandatierung darstellt, entscheiden müssen, ob das sinnvoll ist.
    "Der Kampfeinsatz wird von den Franzosen überwiegend gemacht"
    Armbrüster: Es wäre möglicherweise auch noch eine andere Option möglich. Neben Rückzug, neben Beendigung des Mandates könnte man ja auch sagen, wenn die Rebellen, wenn die Dschihadisten dort so stark werden, dann müssen vielleicht auch die internationalen Partner stärker zurückschlagen – Stichwort Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr, möglicherweise noch mehr Truppen, möglicherweise ein richtiger Kampfeinsatz.
    von Marschall: Ja. Der Kampfeinsatz selbst – das haben Sie vorhin ja geschildert – wird von den Franzosen überwiegend gemacht.
    Armbrüster: Die würden sich wahrscheinlich freuen, wenn die Bundeswehr ihnen hilft.
    von Marschall: Oh, da bin ich nicht ganz so sicher. Das ist auch ein Punkt, den Sie ansprechen. Frankreich ist natürlich hier sehr viel länger, wenn man so will, vor Ort und hat auch detailliertere Kenntnisse zum Teil und Verbindungen. Die Frage, ob wir irgendwann eines Tages sehr viel enger noch auch in operativen Maßnahmen zusammen hier eingreifen, die stellt sich. Wir müssen sehen, wir haben hier größere Teile der deutsch-französischen Brigade im Einsatz. Auch deshalb bin ich hier, weil die kommt aus Südbaden, wo mein Wahlkreis ja auch ist.
    Einstweilen ist es aber so, dass in diesen Einsätzen die Franzosen eher, auch übrigens nach Definition des Mandats, ganz eigenständig agieren. Wir können, sagen wir mal, in der Zusammenarbeit natürlich uns austauschen, aber nicht an diesen Einsätzen mitwirken. Ich bin auch nicht sicher, ob das in Deutschland von der Öffentlichkeit mitgetragen würde. Aber auf lange Sicht kann es sein, dass wir auch darüber diskutieren müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.