Silvia Engels: Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Helmut Königshaus, hat gestern direkt mit drei Meldungen die Öffentlichkeit aufhorchen lassen. Zum einen hat es nach dem Unfalltod einer Soldatin auf dem bundeswehreigenen Segelschulschiff Gorch Fock den Vorwurf der Meuterei gegeben. Zum Zweiten gibt es eine neue Version über den Unfalltod eines Soldaten in Afghanistan, der wo möglich versehentlich von einem Kameraden erschossen wurde. Und zum Dritten sind Feldpostbriefe von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan geöffnet worden. Darüber sprach gestern mein Kollege Jürgen Zurheide mit dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch. Er fragte zunächst, ob diese Verletzung des Postgeheimnisses irgendwie normal sei.
Ulrich Kirsch: Nein, das ist wirklich nicht normal. Das ist die Verletzung des Briefgeheimnisses. Das ist geregelt im Paragrafen 202 des Strafgesetzbuches und wer diesen Tatbestand erfüllt, der muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Im Übrigen ist dies ein Bereich, der durch unser Grundgesetz geschützt ist, durch ein Grundrecht, nämlich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, und das steht alles im Artikel 10 unseres Grundgesetzes. Ich denke, in einem Rechtsstaat muss man das immer vorwegstellen, wie die rechtliche Situation ist, und da muss nun wirklich genau ermittelt werden, was dort passiert ist. Der Wehrbeauftragte hat hier eine Sorge mitgebracht aus dem Einsatz und diese Sorge muss sehr ernst genommen werden, und ich denke mal, dass wir in fünf bis sieben Tagen etwas mehr wissen, was die ganz konkreten Dinge angeht, denn die hat auch der Wehrbeauftragte hier bisher nicht erfahren.
Jürgen Zurheide: An Sie mal die Frage: Haben Sie auch in Ihrem Verband von denjenigen, die dort verantwortlich sind, oder von denen, die möglicherweise betroffen sind, nie etwas gehört?
Kirsch: Wir haben nichts gehört. Das ist auch ganz offensichtlich an einer ganz konkreten Stelle passiert, also nicht flächendeckend, und mein Stellvertreter ist gerade in Afghanistan im Einsatzgebiet, der sich auch noch mal die Mühe gemacht hat, ein bisschen reinzuhorchen. Nein, das scheint also – und ich hoffe es vor allen Dingen auch – ein singuläres Ereignis zu sein, und das hat uns nicht erreicht, sondern den Wehrbeauftragten, weil der da auch erst mal eine Nachricht bekommen hat und dann intensiv nachgefragt hat.
Zurheide: Es ist ja, wie wir hören, eben dieses singuläres Ereignis. Das ist ein umkämpftes Gebiet, wo es möglicherweise auch von den Soldatinnen und Soldaten dann Berichte nach Hause über Kämpfe gegeben hat. Da liegt die Vermutung nahe, dass vielleicht irgendjemand nicht wollte, dass entsprechende Informationen durchdringen. Ist das eine Deutung, die Sie auch gehört haben vor Ort, oder Ihr Kollege?
Kirsch: Nein, die Deutung habe ich nicht gehört. Nun kann man, wenn man so etwas wahrnimmt, wie wir gerade alle, natürlich viel hineininterpretieren und man kann auch viel spekulieren. An Spekulationen beteilige ich mich nicht so ganz gerne. Aber eines ist ganz eindeutig: Unsere Soldaten, die im Einsatz einen ungestörten Kontakt zur Familie und zu ihren Freunden haben wollen, nutzen eben den Brief, und da hat auch das Briefeschreiben wieder Renaissance erfahren. Da stehen natürlich auch Dinge drin, die nun wirklich niemanden etwas angehen. Von daher hat das Ganze natürlich auch eine hohe moralische Dimension, wie ich meine, und deswegen muss alles getan werden, dass so was unterbunden wird. Und sollte es gar angeordnet sein, dann ist derjenige betroffen, der es angeordnet hat, denn der darf das nicht anordnen. Das darf nur gerichtlich angeordnet werden, oder es muss Gefahr im Verzug sein. So was wäre natürlich denkbar, aber auch davon habe ich bisher nichts gehört und deswegen kann ich nur sagen, das muss im Detail aufgeklärt werden und dann schauen wir mal, was da sich heraus ergibt, und schauen aber auch, was dann von den Vorwürfen, die jetzt da sind, die sehr, sehr ernst zu nehmen sind, übrig bleibt. Oder vielleicht ist es ja auch mehr als das, was wir bisher gehört haben.
Zurheide: Stellt sich schon die Frage, unterstellt jetzt natürlich, dass es nicht nur ein einzelnes Ereignis ist, warum so etwas im Verteidigungsministerium nicht auffällt. Wenn ich richtig nachvollziehe, was da bisher gemeldet ist, muss ja entweder das in Afghanistan selbst passiert sein, oder möglicherweise an einer Stelle dann hier in Deutschland, wo die Post zentral ankommt.
Kirsch: Ja.
Zurheide: Da gibt es ja zwei Nadelöhre, durch das das durch muss, und da stellt sich schon die Frage, warum fällt das weder in Afghanistan noch in Deutschland auf, je nachdem wo es denn dann passiert ist.
Kirsch: Also es fällt natürlich am ehesten demjenigen auf, der den Brief aufmacht und feststellt, dass nichts drin ist, beziehungsweise dem, der feststellt, dass der Brief geöffnet wurde. Und was Sie mich jetzt fragen, das kann ich natürlich auch deswegen schwer beantworten, weil ich nicht das Bundesministerium der Verteidigung bin. Aber wenn Sie mich jetzt nach einer Vermutung fragen, gehe ich eher davon aus, dass es nur derjenige feststellt, der den Brief in die Hand bekommt. Dass nun quasi diejenigen, die die Briefbearbeitung machen, das erkennen, kann ich mir nicht so ganz gut vorstellen, ohne dass ich jetzt nun die Geheimnisse der Postabfertigung kenne, die dort ablaufen, aber es ist auch meines Erachtens ziemlich unerheblich. Erheblich ist, dass es hier um einen Straftatbestand geht. Wenn er denn erfüllt worden ist, muss dem Rechnung getragen werden. Und was für mich noch besonders hervorzuheben ist, ist das, was ich eben gerade schon mal sagte, dass es halt eben eine Unmöglichkeit ist, dass die Privatsphäre, die ja nun mit einem Brief verbunden ist, in dieser Form ganz offensichtlich verletzt worden ist.
Zurheide: Also jenseits der strafrechtlichen Relevanz, die ohnehin zu prüfen ist, wird das dann auch personelle Konsequenzen haben müssen, oder?
Kirsch: Ja, davon gehe ich aus, und das hat natürlich auch, wenn das jemand angeordnet hat, genauso, wie wenn es jemand von sich aus getan hat, disziplinarrechtliche Konsequenzen.
Engels: Jürgen Zurheide im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch.
Bundeswehr-Soldat mutmaßlich von eigenem Kameraden erschossen
Ulrich Kirsch: Nein, das ist wirklich nicht normal. Das ist die Verletzung des Briefgeheimnisses. Das ist geregelt im Paragrafen 202 des Strafgesetzbuches und wer diesen Tatbestand erfüllt, der muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Im Übrigen ist dies ein Bereich, der durch unser Grundgesetz geschützt ist, durch ein Grundrecht, nämlich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, und das steht alles im Artikel 10 unseres Grundgesetzes. Ich denke, in einem Rechtsstaat muss man das immer vorwegstellen, wie die rechtliche Situation ist, und da muss nun wirklich genau ermittelt werden, was dort passiert ist. Der Wehrbeauftragte hat hier eine Sorge mitgebracht aus dem Einsatz und diese Sorge muss sehr ernst genommen werden, und ich denke mal, dass wir in fünf bis sieben Tagen etwas mehr wissen, was die ganz konkreten Dinge angeht, denn die hat auch der Wehrbeauftragte hier bisher nicht erfahren.
Jürgen Zurheide: An Sie mal die Frage: Haben Sie auch in Ihrem Verband von denjenigen, die dort verantwortlich sind, oder von denen, die möglicherweise betroffen sind, nie etwas gehört?
Kirsch: Wir haben nichts gehört. Das ist auch ganz offensichtlich an einer ganz konkreten Stelle passiert, also nicht flächendeckend, und mein Stellvertreter ist gerade in Afghanistan im Einsatzgebiet, der sich auch noch mal die Mühe gemacht hat, ein bisschen reinzuhorchen. Nein, das scheint also – und ich hoffe es vor allen Dingen auch – ein singuläres Ereignis zu sein, und das hat uns nicht erreicht, sondern den Wehrbeauftragten, weil der da auch erst mal eine Nachricht bekommen hat und dann intensiv nachgefragt hat.
Zurheide: Es ist ja, wie wir hören, eben dieses singuläres Ereignis. Das ist ein umkämpftes Gebiet, wo es möglicherweise auch von den Soldatinnen und Soldaten dann Berichte nach Hause über Kämpfe gegeben hat. Da liegt die Vermutung nahe, dass vielleicht irgendjemand nicht wollte, dass entsprechende Informationen durchdringen. Ist das eine Deutung, die Sie auch gehört haben vor Ort, oder Ihr Kollege?
Kirsch: Nein, die Deutung habe ich nicht gehört. Nun kann man, wenn man so etwas wahrnimmt, wie wir gerade alle, natürlich viel hineininterpretieren und man kann auch viel spekulieren. An Spekulationen beteilige ich mich nicht so ganz gerne. Aber eines ist ganz eindeutig: Unsere Soldaten, die im Einsatz einen ungestörten Kontakt zur Familie und zu ihren Freunden haben wollen, nutzen eben den Brief, und da hat auch das Briefeschreiben wieder Renaissance erfahren. Da stehen natürlich auch Dinge drin, die nun wirklich niemanden etwas angehen. Von daher hat das Ganze natürlich auch eine hohe moralische Dimension, wie ich meine, und deswegen muss alles getan werden, dass so was unterbunden wird. Und sollte es gar angeordnet sein, dann ist derjenige betroffen, der es angeordnet hat, denn der darf das nicht anordnen. Das darf nur gerichtlich angeordnet werden, oder es muss Gefahr im Verzug sein. So was wäre natürlich denkbar, aber auch davon habe ich bisher nichts gehört und deswegen kann ich nur sagen, das muss im Detail aufgeklärt werden und dann schauen wir mal, was da sich heraus ergibt, und schauen aber auch, was dann von den Vorwürfen, die jetzt da sind, die sehr, sehr ernst zu nehmen sind, übrig bleibt. Oder vielleicht ist es ja auch mehr als das, was wir bisher gehört haben.
Zurheide: Stellt sich schon die Frage, unterstellt jetzt natürlich, dass es nicht nur ein einzelnes Ereignis ist, warum so etwas im Verteidigungsministerium nicht auffällt. Wenn ich richtig nachvollziehe, was da bisher gemeldet ist, muss ja entweder das in Afghanistan selbst passiert sein, oder möglicherweise an einer Stelle dann hier in Deutschland, wo die Post zentral ankommt.
Kirsch: Ja.
Zurheide: Da gibt es ja zwei Nadelöhre, durch das das durch muss, und da stellt sich schon die Frage, warum fällt das weder in Afghanistan noch in Deutschland auf, je nachdem wo es denn dann passiert ist.
Kirsch: Also es fällt natürlich am ehesten demjenigen auf, der den Brief aufmacht und feststellt, dass nichts drin ist, beziehungsweise dem, der feststellt, dass der Brief geöffnet wurde. Und was Sie mich jetzt fragen, das kann ich natürlich auch deswegen schwer beantworten, weil ich nicht das Bundesministerium der Verteidigung bin. Aber wenn Sie mich jetzt nach einer Vermutung fragen, gehe ich eher davon aus, dass es nur derjenige feststellt, der den Brief in die Hand bekommt. Dass nun quasi diejenigen, die die Briefbearbeitung machen, das erkennen, kann ich mir nicht so ganz gut vorstellen, ohne dass ich jetzt nun die Geheimnisse der Postabfertigung kenne, die dort ablaufen, aber es ist auch meines Erachtens ziemlich unerheblich. Erheblich ist, dass es hier um einen Straftatbestand geht. Wenn er denn erfüllt worden ist, muss dem Rechnung getragen werden. Und was für mich noch besonders hervorzuheben ist, ist das, was ich eben gerade schon mal sagte, dass es halt eben eine Unmöglichkeit ist, dass die Privatsphäre, die ja nun mit einem Brief verbunden ist, in dieser Form ganz offensichtlich verletzt worden ist.
Zurheide: Also jenseits der strafrechtlichen Relevanz, die ohnehin zu prüfen ist, wird das dann auch personelle Konsequenzen haben müssen, oder?
Kirsch: Ja, davon gehe ich aus, und das hat natürlich auch, wenn das jemand angeordnet hat, genauso, wie wenn es jemand von sich aus getan hat, disziplinarrechtliche Konsequenzen.
Engels: Jürgen Zurheide im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch.
Bundeswehr-Soldat mutmaßlich von eigenem Kameraden erschossen