Silvia Engels: Seit Monaten ist es unruhig an der syrisch-türkischen Grenze. Geschosse von syrischer Seite schlugen auf türkischem Gebiet ein, Menschen starben. Die Türkei setzte sich zur Wehr. Nun rechnet die Bundesregierung damit, dass Ankara als NATO-Partner indirekt von Berlin die Entsendung von Patriot-Abwehrsystemen beantragt. Wenn die Regierung zustimmt, sollen diese Abwehrraketen gemeinsam mit rund 170 Bundeswehrsoldaten zu ihrer Bedienung in die Türkei geschickt werden. Müsste in dem Fall der Bundestag grünes Licht geben und wer würde dann zustimmen?
Am Telefon ist nun Ulrich Kirsch, er ist der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Guten Morgen, Herr Kirsch.
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wie stehen Sie zu der möglichen Bundeswehrentsendung in Begleitung des Patriot-Waffensystems in die Türkei?
Kirsch: Das ist eine Fähigkeitslücke, die die Türkei hat, und nur Deutschland, die Niederlande und die Vereinigten Staaten von Amerika haben diese Fähigkeit, mit Patriots Mittelstreckenraketen und taktisch-ballistische Raketen abzuwehren. Ein solches Abwehrsystem haben nur diese Nationen. Und ich habe auch kein Problem damit, dass wir unseren Bündnispartnern helfen. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Ich habe allerdings ein Problem damit, wenn das Thema nicht im Deutschen Bundestag debattiert wird, denn wer eine sicherheitspolitische Debatte in Deutschland will, der muss doch auch über diese Dinge offen diskutieren, und wo geht das besser als im Parlament.
Wir sind eine Parlamentsarmee, so ist das angelegt, und wenn ich jetzt zur Kenntnis nehme, dass die Linken, die Grünen sagen, dann werden wir hinterher vor Gericht gehen, dann ist wieder das Bundesverfassungsgericht gefragt. Das kann doch nicht Aufgabe eines Gerichtes sein, darüber zu befinden, ob die Bundeswehr nun richtigerweise in einen solchen Einsatz gegangen ist oder nicht, sondern das muss doch Aufgabe von Politik sein, und das ist das, was ich fordere.
Engels: Die FDP verlangt nach einer Zustimmung des Parlaments, ebenso wie die Opposition, die Union zeigt sich gespalten und die Bundesregierung zögert. Können Sie sich das in dieser Frage erklären?
Kirsch: Es ist ja eine grundsätzliche Frage, ob für Einsätze grundsätzlich ein Mandat des Deutschen Bundestages erforderlich ist oder nicht. Ich sehe es sehr politisch und sage, jawohl, es ist immer erforderlich, weil eben dort über die Einsätze der Bundeswehr debattiert werden muss, wo auch die Entscheidung in der Regel fällt, wie wir das ja auch zum Beispiel vom Afghanistan-Einsatz her kennen. Wir haben alle mitbekommen, dass diese Mandatsverlängerung auch immer wieder für Diskussionen sorgte, und das ist auch gut so. Das Ringen um den richtigen Weg muss doch im Parlament stattfinden.
Engels: Auf der anderen Seite wird ja auch immer wieder argumentiert, dass die Bundeswehr mit diesen Begrenzungen über das Parlament auch sehr viel langsamer nur handeln kann. Ist das ein Argument, das Sie gelten lassen würden?
Kirsch: Nein, das lasse ich überhaupt nicht gelten. Wenn wir uns mal die Einsätze anschauen, dann hat es nie am Parlament gelegen, wenn etwas nicht geklappt hat - nehmen wir mal Libyen -, sondern das war immer Regierungshandeln. Deswegen verstehe ich das auch nicht, dass die Regierung sich so vehement dagegen stellt, mit einer Selbstverständlichkeit mit den Einsätzen in den Deutschen Bundestag zu gehen.
Engels: Wie schnell wäre denn Ihrer Ansicht nach ein solcher Einsatz organisatorisch umsetzbar?
Kirsch: Das kann ziemlich schnell gehen. Man kann im Deutschen Bundestag Sondersitzungen einberufen, wenn es denn ganz schnell gehen muss, und ansonsten muss die Bundesregierung einen Mandatsentwurf vorlegen, und der Deutsche Bundestag debattiert und beschließt.
Engels: Schon länger ist es ja zu beobachten, dass das Stichwort Parlamentsarmee nicht von allen immer so unterstützt wird. Sehen Sie eine Tendenz, dass sich die Bundesregierung generell von diesem Konzept etwas wegbewegen will, um mehr Handlungsfreiheit im Einzelfall zu haben?
Kirsch: Den Eindruck, den habe ich in der Tat ein wenig. Das wäre aber sehr schade. Gerade weil auch der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, ja die politische, sicherheitspolitische Debatte in Deutschland fordert – er klagt sie ja ein -, verpasst er hier eine Chance, wenn er dann diese Diskussion dort nicht zulässt, wo sie hingehört.
Engels: Nun ist es auf der anderen Seite so, dass ja durch dieses Entsendungsgesetz eine gesetzliche Grundlage existiert, wann das Parlament zu Bundeswehreinsätzen im Ausland gefragt werden muss und wann nicht. Nun überlegt ja die Linke, gegebenenfalls auch zu klagen. Wie würden Sie denn eine solche Klage sehen, wenn das Parlament zum Thema Türkei nicht gefragt würde?
Kirsch: Sie wissen ja, wie das mit Klagen ist. Das landet dann vor Gericht und vor Gericht und auf hoher See weiß man nie so genau, wie es ausgeht. Das kann ich nicht prognostizieren, will ich auch nicht.
Engels: Aber rechtlich sehen Sie die Klage dann durchaus auf etwas dünnerem Eis? Würde mit der gesetzlichen Grundlage auch anderes gehen?
Kirsch: Ja sicherlich. Es gibt einige Argumente dafür, das so zu machen, wie Minister de Maizière das im Moment vorschlägt. Ich halte es nur dann für eine verpasste Gelegenheit, das nicht im Parlament zu debattieren, was den Einsatz der Streitkräfte, was den Einsatz deutscher Streitkräfte angeht.
Engels: Dann schauen wir generell. Was würde sich denn für die Soldaten der Bundeswehr im spezifischen Fall verändern, wenn das Parlament nicht mehr auf alle ihre Einsätze so genau schauen würde?
Kirsch: Wir sind sehr darauf angewiesen, einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft zu haben, in der Bevölkerung zu haben, und im Deutschen Bundestag sitzen die Vertreter des Volkes. Und diese breite Mehrheit, die wir bei den meisten Einsätzen hatten, legitimiert doch das, was wir tun. Und im übrigen: Auch die Kanzlermehrheit, wie wir das jetzt auch bei der Mandatserweiterung am Horn von Afrika hatten, reicht durchaus aus. Von daher verstehe ich auch die Bundesregierung nicht, warum sie nicht sagt, natürlich gehen wir damit ins Parlament, und dann wird auch mit der Kanzlermehrheit darüber befunden, dass die Bundeswehr in den Einsatz geht. Aber viel schöner ist es doch und viel besser ist es doch und auch für die Frauen und Männer viel besser, wenn eine breite Mehrheit dahinter steht, also die Masse der Abgeordneten, so wie wir das in vielen Beispielen ja haben und jetzt auch unlängst bei der Verlängerung der Mandate für den Sudan und noch ein paar andere Mandate wurden verlängert.
Engels: Sagt Oberst Ulrich Kirsch, er ist der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Wir sprachen mit ihm über den Streit rund um eine mögliche Bundeswehrentsendung mit Patriot-Waffensystemen in Richtung Türkei. Vielen Dank für das Gespräch.
Kirsch: Gerne, Frau Engels!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist nun Ulrich Kirsch, er ist der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Guten Morgen, Herr Kirsch.
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Wie stehen Sie zu der möglichen Bundeswehrentsendung in Begleitung des Patriot-Waffensystems in die Türkei?
Kirsch: Das ist eine Fähigkeitslücke, die die Türkei hat, und nur Deutschland, die Niederlande und die Vereinigten Staaten von Amerika haben diese Fähigkeit, mit Patriots Mittelstreckenraketen und taktisch-ballistische Raketen abzuwehren. Ein solches Abwehrsystem haben nur diese Nationen. Und ich habe auch kein Problem damit, dass wir unseren Bündnispartnern helfen. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Ich habe allerdings ein Problem damit, wenn das Thema nicht im Deutschen Bundestag debattiert wird, denn wer eine sicherheitspolitische Debatte in Deutschland will, der muss doch auch über diese Dinge offen diskutieren, und wo geht das besser als im Parlament.
Wir sind eine Parlamentsarmee, so ist das angelegt, und wenn ich jetzt zur Kenntnis nehme, dass die Linken, die Grünen sagen, dann werden wir hinterher vor Gericht gehen, dann ist wieder das Bundesverfassungsgericht gefragt. Das kann doch nicht Aufgabe eines Gerichtes sein, darüber zu befinden, ob die Bundeswehr nun richtigerweise in einen solchen Einsatz gegangen ist oder nicht, sondern das muss doch Aufgabe von Politik sein, und das ist das, was ich fordere.
Engels: Die FDP verlangt nach einer Zustimmung des Parlaments, ebenso wie die Opposition, die Union zeigt sich gespalten und die Bundesregierung zögert. Können Sie sich das in dieser Frage erklären?
Kirsch: Es ist ja eine grundsätzliche Frage, ob für Einsätze grundsätzlich ein Mandat des Deutschen Bundestages erforderlich ist oder nicht. Ich sehe es sehr politisch und sage, jawohl, es ist immer erforderlich, weil eben dort über die Einsätze der Bundeswehr debattiert werden muss, wo auch die Entscheidung in der Regel fällt, wie wir das ja auch zum Beispiel vom Afghanistan-Einsatz her kennen. Wir haben alle mitbekommen, dass diese Mandatsverlängerung auch immer wieder für Diskussionen sorgte, und das ist auch gut so. Das Ringen um den richtigen Weg muss doch im Parlament stattfinden.
Engels: Auf der anderen Seite wird ja auch immer wieder argumentiert, dass die Bundeswehr mit diesen Begrenzungen über das Parlament auch sehr viel langsamer nur handeln kann. Ist das ein Argument, das Sie gelten lassen würden?
Kirsch: Nein, das lasse ich überhaupt nicht gelten. Wenn wir uns mal die Einsätze anschauen, dann hat es nie am Parlament gelegen, wenn etwas nicht geklappt hat - nehmen wir mal Libyen -, sondern das war immer Regierungshandeln. Deswegen verstehe ich das auch nicht, dass die Regierung sich so vehement dagegen stellt, mit einer Selbstverständlichkeit mit den Einsätzen in den Deutschen Bundestag zu gehen.
Engels: Wie schnell wäre denn Ihrer Ansicht nach ein solcher Einsatz organisatorisch umsetzbar?
Kirsch: Das kann ziemlich schnell gehen. Man kann im Deutschen Bundestag Sondersitzungen einberufen, wenn es denn ganz schnell gehen muss, und ansonsten muss die Bundesregierung einen Mandatsentwurf vorlegen, und der Deutsche Bundestag debattiert und beschließt.
Engels: Schon länger ist es ja zu beobachten, dass das Stichwort Parlamentsarmee nicht von allen immer so unterstützt wird. Sehen Sie eine Tendenz, dass sich die Bundesregierung generell von diesem Konzept etwas wegbewegen will, um mehr Handlungsfreiheit im Einzelfall zu haben?
Kirsch: Den Eindruck, den habe ich in der Tat ein wenig. Das wäre aber sehr schade. Gerade weil auch der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, ja die politische, sicherheitspolitische Debatte in Deutschland fordert – er klagt sie ja ein -, verpasst er hier eine Chance, wenn er dann diese Diskussion dort nicht zulässt, wo sie hingehört.
Engels: Nun ist es auf der anderen Seite so, dass ja durch dieses Entsendungsgesetz eine gesetzliche Grundlage existiert, wann das Parlament zu Bundeswehreinsätzen im Ausland gefragt werden muss und wann nicht. Nun überlegt ja die Linke, gegebenenfalls auch zu klagen. Wie würden Sie denn eine solche Klage sehen, wenn das Parlament zum Thema Türkei nicht gefragt würde?
Kirsch: Sie wissen ja, wie das mit Klagen ist. Das landet dann vor Gericht und vor Gericht und auf hoher See weiß man nie so genau, wie es ausgeht. Das kann ich nicht prognostizieren, will ich auch nicht.
Engels: Aber rechtlich sehen Sie die Klage dann durchaus auf etwas dünnerem Eis? Würde mit der gesetzlichen Grundlage auch anderes gehen?
Kirsch: Ja sicherlich. Es gibt einige Argumente dafür, das so zu machen, wie Minister de Maizière das im Moment vorschlägt. Ich halte es nur dann für eine verpasste Gelegenheit, das nicht im Parlament zu debattieren, was den Einsatz der Streitkräfte, was den Einsatz deutscher Streitkräfte angeht.
Engels: Dann schauen wir generell. Was würde sich denn für die Soldaten der Bundeswehr im spezifischen Fall verändern, wenn das Parlament nicht mehr auf alle ihre Einsätze so genau schauen würde?
Kirsch: Wir sind sehr darauf angewiesen, einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft zu haben, in der Bevölkerung zu haben, und im Deutschen Bundestag sitzen die Vertreter des Volkes. Und diese breite Mehrheit, die wir bei den meisten Einsätzen hatten, legitimiert doch das, was wir tun. Und im übrigen: Auch die Kanzlermehrheit, wie wir das jetzt auch bei der Mandatserweiterung am Horn von Afrika hatten, reicht durchaus aus. Von daher verstehe ich auch die Bundesregierung nicht, warum sie nicht sagt, natürlich gehen wir damit ins Parlament, und dann wird auch mit der Kanzlermehrheit darüber befunden, dass die Bundeswehr in den Einsatz geht. Aber viel schöner ist es doch und viel besser ist es doch und auch für die Frauen und Männer viel besser, wenn eine breite Mehrheit dahinter steht, also die Masse der Abgeordneten, so wie wir das in vielen Beispielen ja haben und jetzt auch unlängst bei der Verlängerung der Mandate für den Sudan und noch ein paar andere Mandate wurden verlängert.
Engels: Sagt Oberst Ulrich Kirsch, er ist der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Wir sprachen mit ihm über den Streit rund um eine mögliche Bundeswehrentsendung mit Patriot-Waffensystemen in Richtung Türkei. Vielen Dank für das Gespräch.
Kirsch: Gerne, Frau Engels!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.