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Bundesweite Proteste
Hebammen in Not

Immer mehr freiberufliche Hebammen haben in den letzten Jahren die Geburtshilfe aufgegeben. Grund sind die explodierenden Kosten für die Berufshaftpflicht. Und das Problem droht sich weiter zu verschärfen. Jetzt dringen die Hebammen mit Demonstrationen auf eine Lösung.

Von Axel Schröder |
    Eine Frau hat ein Schild an ihrem Kinderwagen mit der Aufschrift "Rettet unsere Hebammen" befestigt.
    Hebammen protestieren gegen die Erhöhung der Versicherungsprämie (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    Erstaunlich ruhig geht es zu im Nachsorgekurs im Geburtshaus Hamburg. Zehn Mütter sitzen verteilt auf weichen Matten, vor ihnen liegen ihre Babys. Drei bis fünf Monate alt. Eine Hebamme leitet den Kurs, fragt jede einzelne der Mütter, wie es geht, ob es Probleme gibt:
    "Und hast Du irgendwelche körperlichen Beschwerden? Einschränkungen? Zum Beispiel mit der Wirbelsäule, die wir beachten müssen? Nein? Gut. Dann kommt in Ruhe an!"
    Eine der Mütter ist Kalo Tina Frangakos. Sie beugt sich über ihren Sohn Janus, fünf Monate alt und erzählt, was sie schätzt an der Hilfe der Hebammen:
    "Es gibt dann viele Unsicherheiten: wenn der Nabel nicht richtig verheilt. Wenn man selber auch Schmerzen hat. Diese Nachwehen zum Beispiel. Die Hebamme ist dann einfach beruhigend und hilft einem. Man weiß eigentlich gar nicht, was alles mit einem passiert ist. Dann hilft sie und ist unterstützend da. Wie eine gute Freundin. Die dann auch noch Ahnung hat."
    Teure Berufshaftpflicht
    Wie und ob diese Hilfe auch in Zukunft geleistet werden kann, ist allerdings unklar. Denn jede der 21.000 Hebammen in Deutschland muss für ihre Arbeit eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Das Problem: Jahr für Jahr steigen die Versicherungsbeiträge, in den letzten zehn Jahren um rund 1.000 Prozent auf heute 4.300 Euro pro Jahr. Ab Juli 2014 wird der Betrag noch einmal erhöht, auf über 5.000 Euro. Bei gleichbleibenden Verdienstmöglichkeiten. Aber ohne Haftpflicht kann keine Hebamme ihren Beruf ausüben, erklärt die Hebamme und Geschäftsführerin des Geburtshauses Hamburg Britta Höpermann:
    "Einmal ist sie gesetzlich vorgeschrieben. Aber es ist natürlich auch für jede Hebamme, die arbeitet, wichtig, den Eltern zu versichern, dass im Zweifelsfall – wenn es zu einem Schaden kommt – egal, in welcher Tätigkeit ich tätig bin, ob in der aufsuchenden Betreuung oder in der Geburtshilfe, in der Vorsorgeuntersuchung – dass ich entsprechend der Frau versichern kann, dass eine Versicherung dafür geradesteht gegebenenfalls. Wenn ich schuldhaft gehandelt habe natürlich nur."
    Immer mehr Hebammen geben auf
    Ein Viertel der freiberuflich tätigen Hebammen hat in den letzten sechs Jahren die Geburtshilfe aufgegeben. Sie bieten nur noch Vor- und Nachsorgekurse an und zahlen dafür niedrige Versicherungsprämien. Zu den gestiegenen Beiträgen kommt allerdings noch ein zweites Problem: Bisher bietet eine Gruppe von drei Versicherern die Berufshaftpflicht für Hebammen an. Die R&V-Versicherung, die Versicherungskammer Bayern und die Nürnberger. Die Nürnberger Versicherung will aber Mitte 2015 aus dem Modell aussteigen. Britta Höpermann erklärt die Konsequenzen:
    Eine Hebamme besucht ein wenige Tage altes Baby
    Immer mehr Hebammen geben ihren Beruf aus Kostengründen auf (picture-alliance/dpa/ Franziska Kraufmann)
    "Das betrifft dann nicht nur die Hebammen, die freiberuflich tätig sind mit Geburtshilfe, sondern auch alle anderen Hebammen, die Vorsorgeuntersuchungen, in Geburtsvorbereitungskursen tätig sind, die nach der Geburt die Familien versorgen in der Wochenbettbetreuung mit Kursangeboten. Das gleicht einem Berufsverbot."
    Politische Lösung gesucht
    Und deshalb organisieren die Hebammen deutschlandweit Demonstrationen. In den Landeshauptstädten und vor dem Bundesgesundheitsministerium. Ein Sprecher von Minister Hermann Gröhe erklärt: Eine interministerielle Arbeitsgruppe erarbeitet – wie im Koalitionsvertrag vereinbart - Lösungsvorschläge für das Problem. Das sei allerdings sehr komplex. Immerhin kann die Politik den Versicherern nicht vorschreiben, wie hoch die Beiträge der Berufshaftpflichtversicherung maximal sein dürfen und welche Leistungen sie anzubieten haben. In Kürze sollten aber Ergebnisse vorgelegt werden. Das ist auch dringend nötig, findet die Hebamme Britta Höpermann vom Geburtshaus Hamburg:
    "Eine Frau, die im Oktober schwanger wird, weiß zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob sie zur Geburt und nach der Geburt eine Hebamme finden wird oder haben wird. Und das ist nicht mehr lange hin. Wir fordern eine politische Lösung! Wie die im Detail aussieht, das ist Auftrag für den Gesundheitsminister und deren Arbeitsgruppen. Das kann ich ihnen nicht sagen."
    Denkbar sei zum Beispiel ein staatlich organisierter Haftungsfonds. Aus dem Ministerium von Hermann Gröhe gibt es zu dieser Idee keine Stellungnahme. Man arbeite an Lösungen und bittet um Geduld.