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Bunte Festkleider statt schwarzer Schleier

Der Modemacher Christian Lacroix erzählt im Musée du quai Branly vom Mut der Frauen aus Libanon, Syrien oder Gaza: Ihre farbenprächtigen Gewänder sind das Gegenbild zum Klischee der schwarz verschleierten Muslima in der arabischen Welt.

Von Kathrin Hondl | 09.02.2011
    "L'Orient des femmes" - "Der Orient der Frauen", in revolutionären Zeiten wie diesen bekommt so ein Ausstellungstitel automatisch auch eine politische Dimension. Die Fernsehbilder und Zeitungsfotos von den Protesten in Ägypten zeigen jeden Tag auch Frauen, die Freiheit und Demokratie einfordern. Modemacher Christian Lacroix, der künstlerische Leiter der Ausstellung, weiß nicht recht, ob er da an Zufall glauben soll:

    "Die Vernissage fällt in einen Moment, wo in Ägypten viel passiert und Tunesien sich liberalisiert und wo − vor allem in Tunesien − die Frauen sehr präsent sind. Ich glaube, das ist die Rolle, die Frauen spielen müssen. Wir Männer sind ja schon als kleine Jungs sehr fasziniert von den kleinen Mädchen, als Jugendliche verstehen wir sie dann überhaupt nicht und fühlen uns wie Idioten; und als Erwachsene bewundern wir sie − das soll jetzt keine romantische Schönfärberei sein − wir bewundern ihren Mut, den Mut der Frauen."

    Im Musée du quai Branly zeigt Christian Lacroix nun Kleider, die vom Mode-Mut jordanischer, syrischer oder palästinensischer Frauen erzählen. Farbenprächtige, aufwändig bestickte und dekorierte Gewänder − ein Kontrastprogramm zum Klischeebild von den fromm und schwarz verschleierten Frauen der arabischen Welt, meint Christian Lacroix:

    "Wenn man heute Frau und Orient sagt, hat man doch gleich die Vision von etwas Schwarzem, von Uniformität, von Stress, könnte man auch sagen. Frau und Orient − das beschwört nicht unbedingt Farbe herauf ..."

    Dabei ist es gar nicht so lange her, dass sich die Frauen im Nahen Osten selbstbewusst mit farbenfrohen Kleidern schmückten. Die bunten Gewänder, die jetzt im Musée du Quai Branly zu sehen sind, sind traditionelle Festkleider − von den Frauen selbst geschneidert und bestickt, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein:

    "Das sind Kleider von Bäuerinnen und Beduininnen, sagt die Kuratorin Hana Chidiac. Diese Frauen waren weniger eingesperrt als die städtischen Frauen. Sie arbeiteten. Niemand konnte von ihnen verlangen, ihren Körper von Kopf bis Fuß zu verhüllen. Sie bestickten sich ihre Fest- und Hochzeitskleider und wetteiferten, wer das schönste machte. Sicher existierten da Codes und Normen, traditionelle Motive in den verschiedenen Regionen, aber immer wieder gab es Frauen, die etwas Neues wagten, um das Kleid auf eigene Art zu verschönern. Ich finde das sehr rührend."

    Eine dieser Frauen traf Hana Chidiac, als sie in Jordanien für die Ausstellung recherchierte. In Amman, zu Besuch bei einer Sammlerin traditioneller Gewänder, kam da eines Tages eine betagte Palästinenserin vorbei. Sie bot ihr Festkleid zum Verkauf an − mit der Begründung, das dürfe sie nun nicht mehr tragen − die Regeln des Islam würden ihr verbieten, in bunten Kleidern auf die Straße zu gehen:

    "Die Lage ist sehr angespannt", sagt Hana Chidiac. "Und so kann ich nur hoffen, dass die Ausstellung in dieser schwierigen Zeit ein Sonnenstrahl sein wird und dass bald fröhlichere Zeiten anbrechen. Das hoffe ich von ganzem Herzen. Mir geht es um eine Hommage an die Frauen. Sie haben eine wichtige Rolle gespielt, wenn auch oft im Stillen und Verborgenen. Jahrhundertelang haben sie versucht, sich schöner zu machen, versucht, in dieser Gesellschaft zu exisitieren."

    Eine "Hymne an die orientalischen Frauen" nennt das Musée du quai Branly die Ausstellung von Hana Chidiac und Christian Lacroix. Das klingt pathetisch, aber tatsächlich zeigt sich hier ein ungewohntes Bild der Frau in der arabischen Welt: Ein historisches Bild selbstbewusster Frauen und ihrer Kreativität:

    "Ich bin selbst eine orientalische Frau", sagt die Kuratorin Hana Chidiac, die aus dem Libanon stammt. "Und auch wenn ich seit Jahren in Frankreich lebe, bin ich sehr stolz darauf, eine orientalische Frau zu sein. Diese Ausstellung ist eine Hommage an die Frauen, und ich denke dabei an meine Mutter, die in den 20er-Jahren auf die Welt kam, zu einer Zeit, als die orientalischen Frauen den Schleier ablegten. Ich ehre damit Frauen wie meine Mutter und alle orientalischen Frauen, die den Weg der Freiheit gesucht haben."

    Informationen des Musée du quai Branly zur Ausstellung "L'Orient des femmes"