In einer Lichtung der Wald- und Wiesenlandschaft des Departements Yonne ragen halbfertige Wehrmauern, die kreisrunden Stümpfe von Flankierungstürmen und ein eingerüsteter Wohnbau in den sommerlichen Himmel. Um diese baulichen Fragmente gruppieren sich die Hütten der Handwerker. Insgesamt arbeiten 50 Steinhauer, Steinmetze, Zimmerleute, Schmiede, Töpfer und Seiler mit ihrem Baumeister Florian Rennucci auf dieser mittelalterlichen Baustelle.
Die Männer und wenigen Frauen tragen hellbraune, grobe Arbeitskittel. Manche haben sich noch Lederwesten übergezogen und eine Kordel umgebunden. In dieser Kleidung spielen die Menschen hier aber nicht Mittelalter, sie arbeiten hart.
Der Ort wurde bewusst ausgewählt. Fast alle Rohstoffe sind vorhanden. Unter einer dünnen Erdschicht lagert massiver Buntsandstein, der Eichenwald spendet das Holz und die Erde kann für Ziegel und Mörtel verwendet werden. Florian Renucci, der Dreh- und Angelpunkt der Baustelle:
"Eine Burg zu bauen heißt in den meisten Fällen, örtliche Gegebenheiten, etwa einen Hügel, in ein Gebäude zu verwandeln. Wir folgen dieser Logik, denn es hätte nicht gepasst, jeden Tag mehrere Lastwagen, mit Steinen beladen, hier ankommen zu lassen."
Vom Steinbruch, wo der Fels mit Hammer und Keilen zerlegt wird, transportiert ein Pferdegespann die Brocken zu den Steinmetzen. Hier werden sie zu ansehnlichen Quadersteinen weiterverarbeitet; passgenau für die jeweilige Stelle im Mauerwerk.
Die beiden Steinmetze haben einen überdachten, aber offenen Arbeitsplatz, an dem die vielen Besucher das präzise Behauen der Steine verfolgen können. Clement Guerard arbeitet schon zehn Jahre in Guedelon:
"Die Arbeit des Steinmetzes beginnt auf einer hölzernen Plattform, dem Reißboden. Wir skizzieren hier die Umrisse der Steine, die der Bauleiter von uns verlangt, für Mauerwerk, Tür- und Fensterrahmen oder für Treppen. Dann übertragen wir die Aufrisse auf hölzerne Schablonen. Die halten wir an den unbehauenen Stein und bearbeiten ihn dann exakt. Über uns, unter dem Dach, hängen alle Schablonen für die verschiedenen Abschnitte der Burg."
Clement Guerard hat an seinem uralten Handwerk, das Liebe zum Material voraussetzt, Freude. "Uns ist Qualität wichtiger als Quantität. Ich bin froh, dass ich keine Maschinen um mich rum habe, die Krach und Staub machen", betont er und wendet sich wieder seinem Stein zu.
Es war ein Kreis unternehmungslustiger Menschen aus der Region, die Mitte der 90er-Jahre die Idee hatten, diese Burg zu bauen; unter anderem der Besitzer des nahegelegenen Schlosses Saint-Fargeau, sowie etliche Bauhistoriker und Archäologen französischer Universitäten.
Jacques Moulin, Bauhistoriker und Architekt bei der französischen Denkmalschutzbehörde in Paris, trug historische Baupläne zusammen und griff selbst zum Zeichenstift. Ihm ist es wichtig, dass im Wald von Guedelon Wissenslücken geschlossen werden.
"Wir haben in Frankreich bei den Quellen über die Bautechnik große Lücken im zwölften und 13. Jahrhundert. In unseren Archiven wurde - im Gegensatz etwa zu England - erst viel später systematisch gesammelt. Viele Archive wurden auch durch Aufstände oder Kriege zerstört. So konnten wir zu Baubeginn auch keinen kompletten Plan vorlegen."
Die Wissenslücken stammen auch daher, dass die Baumeister des Mittelalters in der Regel nicht schreiben konnten. Sie gaben ihr Kenntnisse mündlich weiter. "Gespeist" wurde dieses Wissen aus der Zentrale, aus Paris.
Vorbild für Guedelon sind Burgen, die der französische König Philipp Auguste an der Wende vom zwölften zum 13. Jahrhundert in seinem Reich bauen ließ. Als feudaler Herrscher belehnte Philippe Auguste seine Günstlinge mit Land und gewährte ihnen Bauerlaubnis. Vom königlichen Louvre in Paris, damals noch eine kompakte Verteidigungsanlage, ging nicht nur alle politische Macht aus, der Bau war auch architektonisches Vorbild.
Damit Mauersteine, Mörtelkörbe oder Holzbalken in das anwachsende Bauwerk gelangen, kommt das Laufrad zum Einsatz: eine Art mittelalterlicher Kran. Im Inneren des Holzrades mit seinen vier Metern Durchmesser trottet ein Mann und schwitzt. Um die Achse des Rades ist ein Seil gewickelt, das in einem Flaschenzug endet. So gelangen die Lasten ganz ohne Motor nach oben.
Das Laufrad steht gerade am künftigen Wohn- und Gebäudetrakt der Burg. Außen ist die schmucke Freitreppe mit steinernem Handlauf schon fertig, innen eine riesige Vorratskammer, die Küche, der Festsaal und eine große Schlafkammer für Gäste.
Maurer Philippe Delage nimmt an der Mauerkante, acht Meter über dem Burghof, einen Mörtelkorb entgegen. Dann verarbeitet er die breiige Masse:
"Ich setze gerade den Mauerkranz, also die letzten Steine der Wand. Darauf wird dann das Dachgebälk errichtet. Ich bin dabei zu verfugen, also Mörtel zwischen die Steine zu spachteln."
Den richtigen Mörtel zu finden - das war eines der Geheimnisse, vor dem die "experimentellen Archäologen" und Handwerker von Guedelon standen. Kein Archiv gab Aufschluss über die richtige Mixtur. Sie tüftelten, bis sie die richtige Mischung aus gelöschtem Kalk, sandiger Erde und Wasser gefunden hatten. In der ersten Bauphase waren manche Mauern brüchig geworden und mussten neu gesetzt werden. Das Prinzip "Versuch und Irrtum" gehört zwangsläufig zu so einem Projekt.
Die Handwerker und Wissenschaftler in Guedelon haben auch herausgefunden, dass es sich nicht bewährt, halbfertiges Mauerwerk in der Winterpause nur mit Stroh abzudecken. Kuhmist schützt die offenen Mauerstümpfe viel besser gegen Frost und Regen.
Als bisher größte Leistung und Erkenntnisquelle gilt das Kreuzrippengewölbe im Burgfried. So etwas wurde bisher noch nie mit den einfachen Methoden des Mittelalters nachgebaut, versichert Florian Renucci:
"In der ersten Phase war der Turm noch offen. Wir konnten zum Himmel hinaufschauen, nur die ersten Steine der Gewölberippen ragten schon heraus. Dann zimmerten wir die bogenförmige Schalung und errichteten darauf das Gewölbe. Im dritten Schritt, bevor wir den Schlussstein setzen konnten, musste die Schalung abgebaut werden. Das war der spannendste Moment: Hält das Gewölbe mit einer Last von sechs Tonnen oder nicht?"
Im Burgfried, der als Hauptturm eines Tages 30 Meter hoch werden soll, logierte im 13. Jahrhundert der Landadlige; um ihn herum seine Familie und eine Leibgarde.
Von hier aus regierte er sein kleines Reich, die Dörfer der Umgebung mit dazugehörigen Feldern und Wäldern.
Beim Gang vom Burgfried in das benachbarte, noch offene Wohn- und Gästegebäude, holt Florian Renucci die Gegenwart ein. Ein Funkgerät für den Chef ist auf der Mittelalterbaustelle zugelassen. Seit Tagen stört eine riesige Pfütze im Treppenhaus die Bauschar. Renucci bittet einen Kollegen um Abhilfe. Dann kommt der Baumeister auf die Wendeltreppe zu sprechen. Sie steigt rechts herum an. Das sei kein Zufall.
"Eine Wendeltreppe, die rechts herum ansteigt, ist von Vorteil für einen Verteidiger. Er kann eine Waffe mit der rechten Hand führen und hat genügend Platz dafür. Ein Angreifer, der die Treppe hinaufsteigt, ist mit seiner rechten Hand dagegen eingeschränkt. Schauen Sie: Er hat kaum Platz. Vielleicht kann er gerade noch sein Schild hochhalten, aber richtig zuschlagen oder zustoßen kann er kaum."
So anschaulich kann Geschichte sein! Weil jetzt im Wohn- und Gästetrakt noch der Dachstuhl fehlt, sind die Zimmerleute und Ziegelbrenner sehr gefordert. Zwei Zimmerer bearbeiten mit Stechbeitel und Hammer ein sechs Meter langes Kantholz aus Eiche. Es stammt aus dem benachbarten Wald.
Das Spektrum der Zimmerleute ist groß: Sie fertigten die Gerüste und die Schalungen für den Gewölbebau an. Auch das hölzerne Laufrad, die Pferde- und Schubkarren oder die wuchtigen Balken für die Zugbrücke stammen aus der Werkstatt der Zimmerer.
Holz bearbeiten, Körbe flechten oder Stein behauen, das alles können die Kinder und Jugendlichen, die nach Guedelon kommen. Bei diesem Workshop unter einem Holzdach im nahegelegenen Eichenwald hat jedes Kind einen kleinen, weichen Steinwürfel bekommen. Mit Hammer und Meißel arbeiten sie unter Anleitung kleine Figuren oder ihre Initialen in das Material.
Zwölf Jahre liegen bereits hinter den Bauleuten. Etwa im Jahr 2025 dürfte die Burg im Departement Yonne fertig sein. Schon jetzt ist das Projekt im nördlichen Burgund ein touristischer Erfolg: Allein im letzten Jahr haben 250.000 Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, die Baustelle besucht. Sie erfahren viel über die Lebens- und Arbeitsweise im feudalen Frankreich des Hochmittelalters. Viele Menschen kommen mehrfach, weil sich die langsam wachsende Burg bei jedem Besuch anders darstellt:
"Es beeindruckt mich, wie es den Leuten hier gelingt, eine Burg des 13. Jahrhunderts mit den damaligen Methoden nachzubauen. Und das im 21. Jahrhundert. Besonders fasziniert hat mich das Kreuzrippengewölbe: Ich stell mir die Arbeiter vor, wie sie die Steine behauen und die Holzverschalung gezimmert haben. Dann nehmen sie die Verschalung weg und sehen - das hält!"
"Es ist interessant, dass die anfänglichen Planungen im Laufe der Zeit oft verändert wurden, mit zunehmender Erfahrung. Diese Methode der 'experimentellen Archäologie', also das Ausprobieren alter Techniken, hilft, Neues zu entdecken. Dadurch entwickelt sich unser Blick auf das Mittelalter weiter."
Die Männer und wenigen Frauen tragen hellbraune, grobe Arbeitskittel. Manche haben sich noch Lederwesten übergezogen und eine Kordel umgebunden. In dieser Kleidung spielen die Menschen hier aber nicht Mittelalter, sie arbeiten hart.
Der Ort wurde bewusst ausgewählt. Fast alle Rohstoffe sind vorhanden. Unter einer dünnen Erdschicht lagert massiver Buntsandstein, der Eichenwald spendet das Holz und die Erde kann für Ziegel und Mörtel verwendet werden. Florian Renucci, der Dreh- und Angelpunkt der Baustelle:
"Eine Burg zu bauen heißt in den meisten Fällen, örtliche Gegebenheiten, etwa einen Hügel, in ein Gebäude zu verwandeln. Wir folgen dieser Logik, denn es hätte nicht gepasst, jeden Tag mehrere Lastwagen, mit Steinen beladen, hier ankommen zu lassen."
Vom Steinbruch, wo der Fels mit Hammer und Keilen zerlegt wird, transportiert ein Pferdegespann die Brocken zu den Steinmetzen. Hier werden sie zu ansehnlichen Quadersteinen weiterverarbeitet; passgenau für die jeweilige Stelle im Mauerwerk.
Die beiden Steinmetze haben einen überdachten, aber offenen Arbeitsplatz, an dem die vielen Besucher das präzise Behauen der Steine verfolgen können. Clement Guerard arbeitet schon zehn Jahre in Guedelon:
"Die Arbeit des Steinmetzes beginnt auf einer hölzernen Plattform, dem Reißboden. Wir skizzieren hier die Umrisse der Steine, die der Bauleiter von uns verlangt, für Mauerwerk, Tür- und Fensterrahmen oder für Treppen. Dann übertragen wir die Aufrisse auf hölzerne Schablonen. Die halten wir an den unbehauenen Stein und bearbeiten ihn dann exakt. Über uns, unter dem Dach, hängen alle Schablonen für die verschiedenen Abschnitte der Burg."
Clement Guerard hat an seinem uralten Handwerk, das Liebe zum Material voraussetzt, Freude. "Uns ist Qualität wichtiger als Quantität. Ich bin froh, dass ich keine Maschinen um mich rum habe, die Krach und Staub machen", betont er und wendet sich wieder seinem Stein zu.
Es war ein Kreis unternehmungslustiger Menschen aus der Region, die Mitte der 90er-Jahre die Idee hatten, diese Burg zu bauen; unter anderem der Besitzer des nahegelegenen Schlosses Saint-Fargeau, sowie etliche Bauhistoriker und Archäologen französischer Universitäten.
Jacques Moulin, Bauhistoriker und Architekt bei der französischen Denkmalschutzbehörde in Paris, trug historische Baupläne zusammen und griff selbst zum Zeichenstift. Ihm ist es wichtig, dass im Wald von Guedelon Wissenslücken geschlossen werden.
"Wir haben in Frankreich bei den Quellen über die Bautechnik große Lücken im zwölften und 13. Jahrhundert. In unseren Archiven wurde - im Gegensatz etwa zu England - erst viel später systematisch gesammelt. Viele Archive wurden auch durch Aufstände oder Kriege zerstört. So konnten wir zu Baubeginn auch keinen kompletten Plan vorlegen."
Die Wissenslücken stammen auch daher, dass die Baumeister des Mittelalters in der Regel nicht schreiben konnten. Sie gaben ihr Kenntnisse mündlich weiter. "Gespeist" wurde dieses Wissen aus der Zentrale, aus Paris.
Vorbild für Guedelon sind Burgen, die der französische König Philipp Auguste an der Wende vom zwölften zum 13. Jahrhundert in seinem Reich bauen ließ. Als feudaler Herrscher belehnte Philippe Auguste seine Günstlinge mit Land und gewährte ihnen Bauerlaubnis. Vom königlichen Louvre in Paris, damals noch eine kompakte Verteidigungsanlage, ging nicht nur alle politische Macht aus, der Bau war auch architektonisches Vorbild.
Damit Mauersteine, Mörtelkörbe oder Holzbalken in das anwachsende Bauwerk gelangen, kommt das Laufrad zum Einsatz: eine Art mittelalterlicher Kran. Im Inneren des Holzrades mit seinen vier Metern Durchmesser trottet ein Mann und schwitzt. Um die Achse des Rades ist ein Seil gewickelt, das in einem Flaschenzug endet. So gelangen die Lasten ganz ohne Motor nach oben.
Das Laufrad steht gerade am künftigen Wohn- und Gebäudetrakt der Burg. Außen ist die schmucke Freitreppe mit steinernem Handlauf schon fertig, innen eine riesige Vorratskammer, die Küche, der Festsaal und eine große Schlafkammer für Gäste.
Maurer Philippe Delage nimmt an der Mauerkante, acht Meter über dem Burghof, einen Mörtelkorb entgegen. Dann verarbeitet er die breiige Masse:
"Ich setze gerade den Mauerkranz, also die letzten Steine der Wand. Darauf wird dann das Dachgebälk errichtet. Ich bin dabei zu verfugen, also Mörtel zwischen die Steine zu spachteln."
Den richtigen Mörtel zu finden - das war eines der Geheimnisse, vor dem die "experimentellen Archäologen" und Handwerker von Guedelon standen. Kein Archiv gab Aufschluss über die richtige Mixtur. Sie tüftelten, bis sie die richtige Mischung aus gelöschtem Kalk, sandiger Erde und Wasser gefunden hatten. In der ersten Bauphase waren manche Mauern brüchig geworden und mussten neu gesetzt werden. Das Prinzip "Versuch und Irrtum" gehört zwangsläufig zu so einem Projekt.
Die Handwerker und Wissenschaftler in Guedelon haben auch herausgefunden, dass es sich nicht bewährt, halbfertiges Mauerwerk in der Winterpause nur mit Stroh abzudecken. Kuhmist schützt die offenen Mauerstümpfe viel besser gegen Frost und Regen.
Als bisher größte Leistung und Erkenntnisquelle gilt das Kreuzrippengewölbe im Burgfried. So etwas wurde bisher noch nie mit den einfachen Methoden des Mittelalters nachgebaut, versichert Florian Renucci:
"In der ersten Phase war der Turm noch offen. Wir konnten zum Himmel hinaufschauen, nur die ersten Steine der Gewölberippen ragten schon heraus. Dann zimmerten wir die bogenförmige Schalung und errichteten darauf das Gewölbe. Im dritten Schritt, bevor wir den Schlussstein setzen konnten, musste die Schalung abgebaut werden. Das war der spannendste Moment: Hält das Gewölbe mit einer Last von sechs Tonnen oder nicht?"
Im Burgfried, der als Hauptturm eines Tages 30 Meter hoch werden soll, logierte im 13. Jahrhundert der Landadlige; um ihn herum seine Familie und eine Leibgarde.
Von hier aus regierte er sein kleines Reich, die Dörfer der Umgebung mit dazugehörigen Feldern und Wäldern.
Beim Gang vom Burgfried in das benachbarte, noch offene Wohn- und Gästegebäude, holt Florian Renucci die Gegenwart ein. Ein Funkgerät für den Chef ist auf der Mittelalterbaustelle zugelassen. Seit Tagen stört eine riesige Pfütze im Treppenhaus die Bauschar. Renucci bittet einen Kollegen um Abhilfe. Dann kommt der Baumeister auf die Wendeltreppe zu sprechen. Sie steigt rechts herum an. Das sei kein Zufall.
"Eine Wendeltreppe, die rechts herum ansteigt, ist von Vorteil für einen Verteidiger. Er kann eine Waffe mit der rechten Hand führen und hat genügend Platz dafür. Ein Angreifer, der die Treppe hinaufsteigt, ist mit seiner rechten Hand dagegen eingeschränkt. Schauen Sie: Er hat kaum Platz. Vielleicht kann er gerade noch sein Schild hochhalten, aber richtig zuschlagen oder zustoßen kann er kaum."
So anschaulich kann Geschichte sein! Weil jetzt im Wohn- und Gästetrakt noch der Dachstuhl fehlt, sind die Zimmerleute und Ziegelbrenner sehr gefordert. Zwei Zimmerer bearbeiten mit Stechbeitel und Hammer ein sechs Meter langes Kantholz aus Eiche. Es stammt aus dem benachbarten Wald.
Das Spektrum der Zimmerleute ist groß: Sie fertigten die Gerüste und die Schalungen für den Gewölbebau an. Auch das hölzerne Laufrad, die Pferde- und Schubkarren oder die wuchtigen Balken für die Zugbrücke stammen aus der Werkstatt der Zimmerer.
Holz bearbeiten, Körbe flechten oder Stein behauen, das alles können die Kinder und Jugendlichen, die nach Guedelon kommen. Bei diesem Workshop unter einem Holzdach im nahegelegenen Eichenwald hat jedes Kind einen kleinen, weichen Steinwürfel bekommen. Mit Hammer und Meißel arbeiten sie unter Anleitung kleine Figuren oder ihre Initialen in das Material.
Zwölf Jahre liegen bereits hinter den Bauleuten. Etwa im Jahr 2025 dürfte die Burg im Departement Yonne fertig sein. Schon jetzt ist das Projekt im nördlichen Burgund ein touristischer Erfolg: Allein im letzten Jahr haben 250.000 Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, die Baustelle besucht. Sie erfahren viel über die Lebens- und Arbeitsweise im feudalen Frankreich des Hochmittelalters. Viele Menschen kommen mehrfach, weil sich die langsam wachsende Burg bei jedem Besuch anders darstellt:
"Es beeindruckt mich, wie es den Leuten hier gelingt, eine Burg des 13. Jahrhunderts mit den damaligen Methoden nachzubauen. Und das im 21. Jahrhundert. Besonders fasziniert hat mich das Kreuzrippengewölbe: Ich stell mir die Arbeiter vor, wie sie die Steine behauen und die Holzverschalung gezimmert haben. Dann nehmen sie die Verschalung weg und sehen - das hält!"
"Es ist interessant, dass die anfänglichen Planungen im Laufe der Zeit oft verändert wurden, mit zunehmender Erfahrung. Diese Methode der 'experimentellen Archäologie', also das Ausprobieren alter Techniken, hilft, Neues zu entdecken. Dadurch entwickelt sich unser Blick auf das Mittelalter weiter."