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Burkina Faso
"Das Militär ist wichtigste politische Kraft"

Trotz der breiten Mobilisierung der Bevölkerung habe das Militär in Burkina Faso eine ganz besondere Macht, sagte Andreas Mehler von GIGA Institut für Afrika-Studien im DLF-Interview. Symptomatisch sei, dass die existierende Opposition bisher nicht zu Wort gekommen sei. Die weitere Entwicklung sei sehr ungewiss.

Andreas Mehler im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Andreas Mehler, Afrikaexperte am GIGA German Institute of Global and Area Studies, schönen guten Tag nach Hamburg!
    Andreas Mehler: Ja, guten Tag!
    Barenberg: Wir haben es gerade gehört, es gibt diesen Machtkampf führender Militärs jetzt an der Spitze von Burkina Faso. Ein wie schlechtes Zeichen ist das?
    Mehler: Ja, man muss einfach mal sehen, in Burkina Faso haben die Militärs eine ganz große Rolle historisch gespielt. Seit 1966 mit dem ersten Militärputsch waren praktisch nur Militärs an der Macht, selbst wenn zuletzt Blaise Compaoré sich mehrfach durch Wahlen auch legitimieren ließ. Es ist einfach so, dass das Militär vielleicht die wichtigste politische Kraft im Lande ist. Ich denke, es ist eben insofern auch noch mal symptomatisch, dass eben die politische Opposition, die es ja gibt, bisher in diesem ganzen Tumult keine besonders große Rolle spielt. Also man muss davon ausgehen, das Militär versucht wieder – in sich natürlich fraktioniert – die Geschicke des Landes in die Hand zu nehmen, weshalb man leider eben auch ein bisschen pessimistisch sein muss, ob das jetzt der große demokratische Aufbruch wird.
    "Eine breite Mobilisierung der Bevölkerung"
    Barenberg: Pessimistisch muss man ein wenig sein, sagen Sie, heißt das auch, dass dieser Eindruck entstanden ist, dass da eine Bevölkerung aufsteht gegen einen Dauerherrscher, der ja auch seine Wurzeln im Militär hat, und einen Militärputsch, dass das nicht in der Lage sein wird, die Macht des Militärs, die Sie uns gerade geschildert haben, zu brechen?
    Mehler: Also es ist ja so, im Unterschied zu den vorausgegangenen Militärputschen in Burkina geht diesmal eben diese breite Mobilisierung der Bevölkerung voraus, insofern haben wir da schon eine leichte Änderung, aber es ist eben die Frage, ob die Organisationskraft der politischen Parteien, die es eben gibt, groß genug ist, Gewerkschaften, diese Jugendbewegung, die jetzt eine große Rolle spielt, um mehr als punktuell die Geschicke des Landes zu beeinflussen. Da hätte ich meine Zweifel, man muss da schon eine etwas gesetzte Organisationsstruktur haben. Und insofern denke ich mal, das Militär ist am besten in sich organisiert, hat Hierarchien. Offensichtlich gibt es im Moment auch gegenläufige Kräfte innerhalb des Militärs, aber ich würde vermuten, es sind eben doch die Militärs, die es unter sich ausmachen.
    Barenberg: Und das heißt auch, Sie würden sich auch schwertun, jetzt eine Voraussage zu treffen, wie dieser Machtkampf weitergehen wird, wie er ausgehen könnte?
    Mehler: Das ist sicher zu früh. Es gibt noch andere gesellschaftliche Kräfte, die von Interesse wären. Es gibt den traditionellen König der Mossi in Moro Naba, der immer auch eine große Rolle gespielt hat in den Geschicken des Landes, der hat sich bis jetzt wohl noch nicht zu Wort gemeldet. Es gibt sicher noch eine Reihe von anderen Akteuren, die eine Rolle spielen können. Man muss auch sehen, was die Nachbarländer tun. Offensichtlich ist Blaise Compaoré inzwischen nicht mehr in Ghana, sondern in der Côte d'Ivoire, in Yamoussoukro, und die Achse zwischen Burkina Faso und der Elfenbeinküste ist eine sehr wichtige gewesen in der Vergangenheit, also auch mal sehen, was dieses Nachbarland künftig unternimmt.
    "Auch andere Länder haben Staatschefs mit quasi dynastischen Erfolgen"
    Barenberg: Heißt das auch unterm Strich sozusagen, dass diejenigen, die jetzt schon einen Schwarzen Frühling in Analogie zum Arabischen Frühling ausrufen, Oppositionsbewegungen, die selbstbewusster geworden sind, die in der Lage sind, diese Dauerherrschaften in Afrika zu stoppen oder zu unterbrechen, dass all das ein bisschen verfrüht ist?
    Mehler: Das ist vielleicht etwas früh, aber ich würde auch nicht ausschließen, dass es solche Effekte gibt. Wir haben eine Reihe von Situationen in anderen Ländern, die durchaus ein bisschen vergleichbar sind, wo eben auch die Frage im Raum steht, kann der Präsident noch einmal die Verfassung ändern, um noch einmal bei Wahlen anzutreten – Kabila, der Kongo ist ein gutes Beispiel –, aber eben auch andere Staatschefs werden es sich überlegen: Ich bin eben auch in etwa ähnlich lang an der Macht, vielleicht werde ich doch noch mal von der Straße weggefegt – also Kamerun, Togo und Gabun mit den dynastischen Erbfolgen, Kongo, Tschad. Es gibt eine Reihe von diesen Ländern, die vielleicht ähnliche Probleme haben und wo sich auch Bewegungen auf der Straße herausgefordert fühlen können von diesem Erfolg erst mal, wenn man so möchte, den alten Präsidenten vertrieben zu haben. Und insofern würde ich das doch nicht ausschließen, dass es solche Effekte gibt. Wie weit das trägt, muss man sehen.
    Wir haben vielleicht die Analogie zum Jahr 1990, wo wir so eine ähnliche flächendeckende Demokratiebewegung in Afrika unvorhergesehenerweise erlebt haben, wo es sehr viele weggespült hat von diesen Präsidenten – ähnliches könnte auch wieder passieren.
    Barenberg: Sagt Andreas Mehler vom GIGA-Institut in Hamburg. Danke für Ihre Einschätzungen heute Mittag!
    Mehler: Bitte, gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.