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Burkina Faso wartet auf Wasser

Der Klimawandel trifft die am härtesten, die ohnehin schon mit dem Überleben kämpfen müssen. Nach Schätzung des UN-Weltklimarats wird die Erderwärmung allein in Afrika dazu führen, dass über 250 Millionen Menschen an Wassermangel leiden werden. Das ist die Prognose nur für die nächsten 10 Jahre. Besonders im südlichen Afrika leiden die Menschen unter der Dürre - so auch in Burkina Faso. Ein Bericht von Antje Hannover.

    Lafi heißt auf Moré soviel wie: Gesundheit, Wohlbefinden. Mit diesem Gruß beginnt in Tangaye die Dorfversammlung. Im Schatten des großen Palaverbaums sind Holzbänke im Halbkreis aufgestellt. Etwa 50 Menschen haben darauf Platz genommen. Heute sind Besucher aus Koungoussi da, der Provinzhauptstadt der Region. Sie kommen von der burkinischen Bauernorganisation Zood Nooma. Eine Dorfbewohnerin kniet auf dem Boden und schöpft hellbraunes Hirsebier aus einem Eimer. Sie reicht den Gästen das fruchtig schmeckende Getränk in einer Kürbisschale.

    Dolo, das selbstgebraute Hirsebier, darf in Burkina Faso auf keiner Dorfversammlung fehlen. Zuerst nehmen die Gäste einen Schluck, dann der Dorfchef und der Bodenchef. Das sind die mächtigsten Männer im Dorf. Danach trinken alle anderen.

    Die Menschen auf der Versammlung sehen entspannt und gut gelaunt aus. Dabei haben sie es alles andere als leicht. In den letzten Jahren hat es immer weniger geregnet. Die Äcker, auf denen sie Hirse und Sorghum anbauen, sind staubtrocken. Stumm stehen ein paar Kinder hinter den Bankreihen und schauen mit großen Augen zu. Einige von ihnen haben aufgeblähte Bäuche, das typische Zeichen für Unterernährung. Nadini Ouadanga von der burkinischen Bauernorganisation Zood Nooma ergreift das Wort.

    Wir machen jetzt eine Runde, wo jeder etwas sagen kann. Dann überlegen wir, was noch zu tun ist, sagt die Frau aus der Stadt.

    Seit über einem Jahr werden die Bauern aus Tangaye von Zood Nooma unterstützt. Ohne Hilfe von außen könnten sie kaum überleben. Vor zwei Jahren war es besonders schlimm. Damals hatte es so wenig geregnet, dass am Ende der Trockenzeit eine Hungersnot ausgebrochen ist. Der Dorfchef hat ein Huhn geschlachtet und mit dem Blut den Boden bespritzt. Aber geregnet hat es trotzdem nicht.

    Nadini Ouadanga und ihre Kollegen von Zood Nooma glauben nicht mehr an die alten Zeremonien. Stattdessen bringen sie den Dorfbewohnern bei, wie man sich mit der Trockenheit arrangiert. Zum Beispiel mit Pflanzen und speziellem Saatgut, das nicht viel Wasser braucht. Heute soll ein Steintransport organisiert werden:

    "Wir gehen in den Steinbruch. Wir schlagen die Steine mit Äxten aus dem Felsen. Dann transportieren wir sie mit Schubkarren bis zum LKW."

    Mit Steinen können die Bauern kleine Wälle um ihre Felder bauen. Die Steinwälle halten das Wasser fest, damit es einsickern kann. Gleichzeitig bleibt so die fruchtbare Bodenkrume auf dem Feld. In der nächsten Woche kommt ein LKW aus Koungoussi. Damit können die Steine zu den Feldern transportiert werden:

    Oskar Sawadogo, ein großer Mann mit einem bunten Batikhemd, ist aufgestanden. Er ist der Chef der Bauernorganisation und hat in der Hauptstadt Ouagadouogou Agraringenieur studiert:

    "Durch die Wälle steigt die Ernte um etwa 70 Prozent. Wir haben so schon viel degradierte Erde zurückgewonnen. In dieser Gegend ist schon über die Hälfte des Bodens so schlecht, dass nichts mehr wächst.
    Wenn wir den Menschen nicht helfen, die Natur zu schützen, ziehen sie in die Städte. Dann bleiben die Frauen und Kinder alleine zurück."

    Der Norden von Burkina Faso liegt im Sahelgürtel. Vor zwanzig, dreißig Jahren war diese Gegend noch bewaldet. Jetzt ist der Baumbestand locker, immer tiefer frisst sich die Wüste in das Land hinein. Wer auf der roten Straße aus gestampften Lehm nach Koungoussi fährt, sieht große Sandflächen vorbeiziehen. Hier wachsen nur noch Dornenbüsche. Am Horizont erheben sich karstige Berge. Hin und wieder reckt ein Affenbrotbaum seine kahlen Äste in die heiße, trockene Luft. Immer wieder kommen Mädchen mit Plastiksandalen an den Füßen vorbei. Sie balancieren große Brennholzbündel auf dem Kopf. Mit dem Wald ist auch der Regen aus dieser Region verschwunden.
    Die Menschen in Burkina Faso kochen weiter mit Brennholz. Versuche, auf Solarkocher umzustellen, schlagen häufig fehl. So öffnen die Burkiner selbst der Wüste Tür und Tor. Der Klimawandel verstärkt diesen Prozess. Sven Härmeling, Referent für Klima und Entwicklung bei Germanwatch, zur Situation in Afrika:

    " Konkret heißt das, wenn man sich die Zukunftsprognosen für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre, einen überschaubaren Zeitraum, anschaut, dass wir in einigen Ländern mit einem sehr starken Rückgang der landwirtschaftlichen Erträge beim Regenfeldbau rechnen müssen, bis zu 50 Prozent. Zudem wird sich die Zahl der Menschen, die unter Wassermangel leiden, allein durch den Klimawandel, noch stark erhöhen, um 75 bis 250 Milionen Menschen bis zum Jahr 2020."

    Wassermangel ist in Burkina Faso und gerade in den Dörfern im Norden längst Realität. Die elfjährige Karbokle steht in Konungoussi an einem alten Ziehbrunnen. Lange muss sie ihren Lederbeutel nach unten gleiten lassen, denn das Grundwasser sinkt von Jahr zu Jahr tiefer. Als der Eimer endlich voll ist, wickelt sie sich ein mitgebrachtes buntes Tuch um den Kopf. Mit einem gekonnten Schwung platziert sie darauf den schweren Eimer.

    In Tangaye hat Zood Nooma einen modernen Tiefbrunnen bohren lassen, der mit einer Handpumpe bedient wird. Er befördert hygienisch einwandfreies Wasser aus 70 Metern Tiefe empor. Neun Frauen und Mädchen stehen hier Schlange. Die meisten haben große gelbe oder rote Plastikkanister dabei. Bis zu zwanzig Liter Wasser schleppen sie so auf dem Kopf nach Hause. Viele junge Mütter tragen dazu noch ihre Babys in einem Tuch auf dem Rücken.

    Wir gehen dreimal vormittags und zweimal nachmittags Wasser holen, erzählen die Frauen.

    Danach gehen sie auf den Dorfplatz und stampfen die Hirse für das Mittagessen. Immer wieder lassen sie den Holzpflock in den ausgehöhlten Baumstamm sausen. Bevor der neue Brunnen gebaut wurde, mussten die Frauen von Jahr zu Jahr längere Wege zurücklegen, um Wasser zu finden. Hausarbeit in Afrika ist anstrengend wie Hochleistungssport.

    Der Arbeitstag der Frauen beginnt im Morgenrot und endet in der Abenddämmerung. Trotzdem treffen sie sich manchmal abends auf dem Dorfplatz und singen und tanzen. Dann erhellen nur noch die kleinen Holzfeuer die Hütten aus Lehm. Strom gibt es nicht.

    Nabu Koanga ist mit über 60 Jahren einer der Ältesten im Dorf. Er kann sich noch gut erinnern, dass das Leben leichter war, als er noch jung war:

    "Hier war es früher grün. Überall standen Bäume und die Ziegen haben das Gras gefressen. Auf den Feldern konnten wir genug Sorghum und Hirse für alle ernten. Jetzt regnet es auch viel weniger. "

    Wer in Tangaye Gemüse oder Steine transportieren will, nimmt dafür einen Esel. Bis zur Straße nach Koungoussi muss man zwei Kilometer laufen, im ganzen Dorf besitzt niemand ein Auto. Nur die Entwicklungshelfer von Zood Nooma kommen mit ihren Mopeds hier her. In den meisten afrikanischen Dörfern sieht es ähnlich aus.
    Sven Härmeling von Germanwatch hält es für wichtig, die Armut auf dem Land zu bekämpfen:

    " Denn je stärker die Menschen sind, je mehr wirtschaftliche Optionen sie haben, desto besser können sie mit den Folgen des Klimawandels umgehen. Ein Teil des Problems ist, dass viele Menschen allein von der Landwirtschaft des Regenfeldbaus leben. Das heißt, sie sind auf die Niederschläge angewiesen. Je mehr die variieren, je gefährlicher ist es für die Menschen, wenn sie nur von dieser einen Wirtschaftsart abhängen."

    Die Bewohner aus traditionellen afrikanischen Dörfern produzieren fast gar kein CO2. Aber schon heute machen ihnen die Folgen des Klimawandels mehr zu schaffen, als seinen Verursachern, den Menschen aus den reichen Industrieländern.